Österreich: Alle Skandale, einfach erklärt. Haben Sie den Überblick über die jüngsten Affären verloren?

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Alle Skandale, einfach erklärt

Haben Sie den Überblick über die jüngsten Affären verloren? Eine Einordnung in aller Kürze

 AKTENSTUDIUM: FLORIAN KLENK POLITIK, FALTER 50/19 VOM 11.12.2019

Ibiza, Novomatic, Goldbarren und Geldtaschen: Es schwirrt einem schon bei der Aufzählung der neuesten Skandale der Kopf. Dabei ist das noch nicht alles.

Es gibt dann noch: den Buwog-Prozess rund um den Verkauf von 60.000 Staatswohnungen (Finanzminister Karl-Heinz Grasser ist mit 500.000 Euro im Sackerl erwischt worden, und ein Schmiergeldkonto in Vaduz soll ihm gehören). Dann die immer noch nicht abgearbeiteten Haupt-und Nebenstränge in den Causen Meinlbank, Hypo und Telekom (Anlegerbetrug, Bankenpleite zum Schaden des Steuerzahlers, Bestechung von Parteien).

Weiters: der soeben begonnene Kärntner Seengrundstück-Bestechungsprozess (der ÖGB schmierte Jörg Haider) und dann noch das in Bälde beginnende Untreueverfahren rund um die freiheitliche Werbeagentur Ideenschmiede, die Ex-Innenminister Herbert Kickl gehört oder gehörte (das ist nicht geklärt) und mittels Scheinrechnungen Steuergelder lukriert haben soll (Untreue und Bestechung). Und natürlich: Eurofighter.

Die Öffentlichkeit hat längst den Überblick verloren, die Skandale häufen sich nicht nur, sie sind im Detail so undurchsichtig und die Nebelgranaten so dicht, dass auch die Justizbehörden und Kriminalbeamten nicht mehr durchblicken. Fassen wir Gemeinsames zusammen.

Erstens: Ein undurchdringbares System von Scheinfirmen in Steuerparadiesen verzögert die Ermittlungen, Staatsanwälte müssen im Ausland Rechtshilfeersuchen stellen (mit Schneckenpost und beglaubigter Übersetzung). In manchen Causen -Meinl, Kickl, Eurofighter -sind die Beamten auch noch über die Strategie zerstritten.

Zweitens: Ob es je zu strafrechtlichen Verurteilungen kommt, ist ungewiss. Selbst in glasklaren Fällen kann es statt zu einer Verurteilung nur zu einem harmlosen Bußgeld kommen. Der blaue Ex-Vizekanzler Hubert Gorbach etwa hat sich von der Telekom Austria mit 300.000 Euro bestechen lassen, aber die „Verantwortung übernommen“, wie es in den Akten heißt. Er kam mit einer Diversion (1500 Euro Bußgeld statt Prozess) davon.

Drittens: Es geht erstaunlich oft um Geld im Sackerl oder Kuvert und um das legale oder vielleicht auch illegale Finanzieren der Regierungsparteien über harmlos klingende Vereine oder mittels Scheinrechnungen. Es geht also um Rückflüsse von Steuergeldern in die Taschen der Entscheidungsträger, wenn diese am großen Privatisierungs-oder Beschaffungsrad drehen.

Viertens: Wir erleben eine dramatisch unterdotierte Staatsanwaltschaft, die all diesen Vorgängen rat und hilflos gegenübersteht. Wenn etwas weitergeht, dann ist das Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfern zu verdanken -oder, wie derzeit in der Casino-Chats-Affäre, einem parteipolitischen Interregnum. Strukturell sind die Behörden mit den Fällen aber überfordert.

Fünftens: Politiker und assoziierte Medien werfen gerne Nebelbomben. In Ibiza ist nicht die Hintertreppe („Wer hat das Video jetzt eigentlich gemacht?“) relevant, sondern die Vorderbühne: Da legte H.-C. Strache die Grundlinien seines Amtsverständnisses offen. Man möge der FPÖ „ganz legal“, aber „am Rechnungshof vorbei“ Geld zustecken oder für die Partei die Krone kaufen und missliebige Journalisten feuern. Dann regne es Milliardenaufträge vom Staat.

Es wird, sechstens, in den Ibiza-Ermittlungen auch offensichtlich, dass höchste Politiker kompromittierbar sind (Johann Gudenus hat ein paar Häufchen Kokain im Schlafzimmerschrank neben den aufgebügelten Hemden liegen; in Straches Sporttaschen lagen laut Zeugenaussagen Geldbündel aus Osteuropa). Jeder weiß hier offenbar etwas über den anderen. Siebente Erkenntnis: Immer öfter reden die Insider. Die Novomatic-Affäre (Geld für Glücksspielgesetze?) ist dank eines Insiders in die Gänge gekommen. Schnell sicherte die Justiz die Politikerhandys und wurde fündig. Die Casino-Chats zeigen nun, dass ein Konzern sich von der Regierung ein Gesetz wünschen kann und gleichzeitig bereit ist, parteinahe Vereine blauer Abgeordneter zu fördern oder einen Alsergrunder Bezirkspolitiker (Peter Sidlo) in den Vorstand der Casinos Austria zu hieven. Alles wird mithilfe schwarzer Finanzminister (Hartwig Löger) und schwarzer Granden (Walter Rothensteiner, Josef Pröll) durchgewinkt. Auch die Eurofighter-Causa flammt jetzt wieder dank eines Hinweisgebers auf. Zumindest haben Ermittler diesen Eindruck.

Das führt zur achten Erkenntnis: Infolge der Skandalinflation werden wichtige Berichte medial kaum wahrgenommen. Der schonungslose und akribische Bericht des Eurofighter-U-Ausschusses ist in den Ibiza-Wirren leider untergegangen. Seine Lektüre lohnt dennoch. Die damalige schwarzblaue Regierung habe ihre Kompetenzen überschritten, steht da wortwörtlich, und eine den Steuerzahler massiv belastende Milliarden-Fehlentscheidung zum Kauf unbrauchbarer Flugzeuge getroffen. Zugleich flossen hunderte Millionen der Rüstungslobby in die Taschen der Parteiagenturen der Freiheitlichen, aber auch an Manager und Militärs.

Das führt zu Punkt neun: Die „Kofferträger“ agieren erstaunlich dreist. Der Rüstungskonzern habe zur Verschleierung eine „Kaskade von Offshore-Firmen“ gegründet, sagte der Chef der Taskforce Eurofighter Hans Hamberger vor dem U-Ausschuss aus. Hamberger schätzte im U-Ausschuss auch, EADS habe rund 180 Millionen Euro Schmiergeld in den Kaufpreis eingepreist, Geld, das uns für den Bau von Schulen, Spitälern und Pflegeheimen fehlt. Und wie fließt das Geld zu den Parteien?

Die Namen Gernot Rumpold und Elisabeth Kaufmann-Bruckberger werden hier immer wieder genannt, die beiden waren Kofferträger der FPÖ und der Nachfolgepartei BZÖ. Rumpold, Haiders Mann fürs Grobe und Ex-Geschäftspartner Straches, saß schon im Gefängnis (wegen Korruption im Telekom-Verfahren).

Kaufmann-Bruckberger, seiner Geschäftsführerin, bleibt der Freiheitsentzug erspart, ein von ihr selbst eingestandenes Verbrechen rund um eine andere Beschaffung ist verjährt. Sie verteilte Schmiergeld des ÖGB an Jörg Haider rund um den Ankauf von gewerkschaftseigenen Kärntner Seegrundstücken durch das Land Kärnten. 700.000 Euro Bestechungsgeld habe sich Jörg Haider abgezwackt, sagte Kaufmann-Bruckberger, sie selbst habe es den Parteigranden im Sackerl überreicht. Geld, das in Kärnten fehlt. Kaufmann-Bruckberger wird Ähnliches auch in der Eurofighter-Causa vorgeworfen. Sie soll einen Scheck über 1,5 Millionen Euro erhalten haben (dessen Echtheit von ihr und der Bank allerdings bestritten wird)(siehe Falter 49/19).

Und dann ist da, zehnte Erkenntnis, noch ein großes Problem. Die lange Verfahrensdauer. Kein Fall macht das deutlicher als jener von Karl-Heinz Grasser. Als Finanzminister schleppte er Geldkoffer über die Grenze bis zur Meinl-Bank, wo er das Geld bar einzahlte. Jetzt hält er die Republik mit seiner Schwiegermutter-Erklärung in Atem („Sie gab mir das Geld, um vor der Ehe meine Veranlagungskünste zu testen!“). Auch im Buwog-Fall gibt es Kaskaden und Scheinfirmen, sie sind der Grund für das lange Verfahren. Die Staatsanwaltschaft bewies hier Ausdauer. Sie glaubt, Grasser habe sich bestechen lassen. Auch sein Ex-Lobbyist Hochegger sagt das aus und riskiert damit Haft. Ein Urteil soll es im April geben.

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