Die Bilderberg-Konferenz, ein Elite-Zirkel der besonderen Art – „Es ist eine Privatisierung und Re-Oligarchisierung der Politik zu beobachten“ Vortrag Björn Wendt im Treibhaus 12.06.15, 13:30 Uhr

 ★★★ Widerstandsberichterstattung über die herrschenden, demokratischen Um- bzw. Zustände ★★★

Finanzmarkt- und Konzernmacht-Zeitalter der Plutokratie unterstützt von der Mediakratie in den Lobbykraturen der Geld-regiert-Regierungen in Europa, Innsbruck am 11.06.2015

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Bewusstheit, Liebe und Friede sei mit uns allen und ein gesundes sinnerfülltes Leben wünsch ich ebenfalls.

Aus dieser Quelle zur weiteren Verbreitung entnommen:

http://www.heise.de/tp/artikel/45/45088/1.html

 

„Es ist eine Privatisierung und Re-Oligarchisierung der Politik zu beobachten“

Marcus Klöckner 08.06.2015

Der Sozialwissenschaftler Björn Wendt über die Bilderberg-Konferenz, ein Elite-Zirkel der besonderen Art – Teil 1

Vom 10-14. Juni kommen sie wieder zu einem verschwiegenen Treffen zusammen: Hochrangige Politiker, Spitzenmanager, Wissenschaftler und andere gewichtige Funktionsträger der westlichen Welt nehmen auch in diesem Jahr an der Bilderberg-Konferenz teil. Für die Zusammenkunft haben sich „die Bilderberger“, wie die Mitglieder des Elite-Zirkels bezeichnet werden, einen idyllischen Ort ausgewählt: das Hotel Interalpen in der Nähe von Buchen in Tirol.

In einem zweiteiligen Interview beleuchtet der Soziologe Björn Wendt das Treffen der Mächtigen für Telepolis. Wendt ist Autor der Studie „Die Bilderberg-Gruppe – Wissen über die Macht gesellschaftlicher Eliten“. Im ersten Teil des Interviews beschreibt der Sozialwissenschaftler, worauf er das Augenmerk bei seiner Auseinandersetzung mit Bilderberg gelegt hat. Fest steht für ihn: Sowohl die Wissenschaft in Deutschland als auch die Medien haben sich mit dem Elite-Zirkel bisher nur sehr unzureichend auseinandergesetzt.

 Herr Wendt, warum haben Sie sich in Ihrer Studie mit der Bilderberg-Gruppe auseinandergesetzt?

Björn Wendt: Weil die Soziologie und die Politikwissenschaft, also genau die Disziplinen, mit denen ich mich im Studium auseinandergesetzt haben, seit nun über 60 Jahren einen großen Bogen um die Bilderberg-Gruppe machen. Das gilt zumindest für die Wissenschaft in Deutschland.

 Aber Sozialwissenschaftler waren bei den Konferenzen eingeladen.

Björn Wendt: Das stimmt. Ralf Dahrendorf, Daniel Bell, Zbigniew Brzezinski oder Joseph Nye waren etwa bei Bilderberg, um nur vier prominente Beispiele zu nennen. Dieses Involviert-Sein der Sozialwissenschaften auf der einen Seite und ihr Desinteresse an der wissenschaftlichen Thematisierung der Bilderberg-Konferenz im öffentlichen Raum auf der anderen Seite, erschien mir erklärungsbedürftig. Auch für die an der Bilderberg-Konferenz teilnehmenden Journalisten und Politiker lässt sich dieser Zusammenhang von Involviert-Sein und Nicht-Thematisierung nachzeichnen. Die Summe dieser Nicht-Thematisierungen erzeugt ein Vakuum im öffentlichen Diskurs zur Thematik, das seit den 1970er Jahren vermehrt durch verschwörungstheoretische Deutungsversuche gefüllt wurde. Diesen verschwörungstheoretischen Ansätzen standen kaum adäquate Gegenerzählungen gegenüber. Also: Warum Bilderberg?

Nachdem ich durch die Lektüre von Bernt Engelmanns Roman „Hotel Bilderberg“ auf das Thema aufmerksam wurde, konnten mir die Sozialwissenschaften zunächst nicht weiterhelfen. Weil fast nur verschwörungstheoretische Bücher und Artikel zum Thema existierten, dachte ich, es wäre ein sinnvolles Unterfangen, die Quellenlage zur Bilderberg-Konferenz breiter aufzuarbeiten, als es bisher geschehen war.

   

 Sie haben den Fokus in Ihrer Arbeit auch darauf gerichtet herauszufinden, welche Wissensbestände zu Bilderberg überhaupt verfügbar sind und wie in einzelnen gesellschaftlichen Feldern mit dem vorhandenen Wissen umgegangen wird. Auf welche Felder haben Sie sich konzentriert?

Björn Wendt: Auf das massenmediale, politische, verschwörungstheoretische und wissenschaftliche Feld bzw., um es vielleicht etwas genauer auszudrücken: Ich habe mich auf die Wissensbestände, die in diesen Feldern vorhanden sind, konzentriert. Primär ging es mir aber nicht darum, im Stile eines Wissenstests zu prüfen, ob die jeweiligen Deutungsversuche der Journalisten, Politiker, Verschwörungstheoretiker, Wissenschaftler und Bilderberg-Teilnehmer im Sinne von „richtig“ oder „falsch“ einzustufen sind. Vielmehr war es das Ziel, die verschiedenen Wissensbestände, Deutungsmuster und möglichen Zugänge zum Thema zunächst einmal sichtbar zu machen.

 Das heißt was?

Björn Wendt: Das heißt Grundlagenforschung zu betreiben, indem zunächst die subjektiven Überzeugungen derjenigen Akteure untersucht werden, die den Diskurs zur Bilderberg-Konferenz erzeugen und die Diskussion über das Thema bis in die Gegenwart prägen.

 Wie wird Bilderberg im verschwörungstheoretischen Feld wahrgenommen?

Björn Wendt: Bilderberg wird als Teil einer nahezu allmächtigen totalitären Schattenregierung beschrieben, die einen Orwellschen Kontrollstaat im globalen Maßstab errichtet.

 Also ein Plan, der seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten umgesetzt werden müsste.

Björn Wendt: Auf jeden Fall über einen sehr langen Zeitraum. Und für die Umsetzung dieses Plans, so die Verschwörungstheorie, gehen die Verschwörer über Leichen. Das Ziel soll demnach darin bestehen, dass die Verschwörer die eigene Herrschaft auf Dauer sichern wollen. Bilderberg ist aus Sicht derjenigen, die an eine Verschwörung glauben, ein Ort der Verkündung von Entscheidungen, wie diese Sicherung der eigenen Machtpositionen am besten zu bewerkstelligen ist.

Dem Führungspersonal in Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Militär, so ließe sich die typische verschwörungstheoretische Erzählung in kurzer Form wiedergegeben, werden auf den Bilderberg-Konferenzen von den wirklich Mächtigen (den Superreichen und dem Hochadel) die World-Management-Hausaufgaben für das nächste Jahr übergeben.

 In Ihrem Buch schreiben Sie aber, dass diese verschwörungstheoretischen Deutungen in die Irre führen.

Björn Wendt: Ja, weil sie jahrzehntelange gesellschaftliche Entwicklungen auf monokausale Top-Town-Befehle weniger herrschsüchtiger und skrupelloser Verschwörer reduzieren. Hinzu kommt, dass dieses Deutungsmuster historisch eng mit antisemitischen Ressentiments und dem Weltbild der anti-kommunistischen Rechten in den USA verbunden war und ist.

 Wie wird denn die Bilderberg-Konferenz im politischen Feld wahrgenommen?

Björn Wendt: Das kommt darauf an, wo man im politischen Feld genau hinguckt. Ich habe vor allem Äußerungen von Bundestagsabgeordneten bei Abgeordnetenwatch.de untersucht, die nicht an den Konferenzen teilgenommen haben. Das ist schon eine sehr große Einschränkung der Reichweite, da es zunächst um Fremdwahrnehmungen ging.

Zunächst argumentieren die Politiker gegen die Verschwörungshypothese. Gemeinsam ist den Antwortenden darüber hinaus, dass sie der Veranstaltung zusprechen, legal zu sein, dass es also nicht verboten ist, dass sich Spitzenpolitikern mit Milliardären, Königinnen und Wirtschaftsbossen für drei oder vier Tage in einem Hotel einschließen, um über Politik zu diskutieren. Darüber hinaus wird oft betont, es sei ganz normal, dass sich Führungskräfte in geschützten Räumen frei austauschen. Die eine Hauptbotschaft lautet also: Alles gar nicht so wild!

Andererseits ist im politischen Feld auch Kritik zu finden, insbesondere mit Blick auf die demokratische Transparenzregel bzw. die Verschwiegenheit der Teilnehmer und Journalisten. Besonders in der Linken geht die Kritik mitunter auch deutlich weiter, was auch damit zusammenhängen könnte, dass sie als einzige Fraktion des Deutschen Bundestags noch nicht auf der Konferenz vertreten war: Hier fallen dann Begriffe wie Lobbying und Wirtschaftsinteressen.

Zudem gibt es ja auch noch jene deutschen Spitzenpolitiker, die selbst auf den Konferenzen waren. Diese schweigen in der Regel oder reden die Bedeutung klein. Ein ganz kleiner Teil ehemaliger Teilnehmer gibt jedoch auch ausgewählte Einblicke, die verdeutlichen, dass die Bilderberg-Konferenz aus guten Gründen im öffentlichen Fokus stehen könnte, beispielsweise da sich einige Politiker die Reisekosten zu dieser Privatkonferenz aus öffentlichen Mitteln finanzieren lassen.

 Bleibt das massenmediale Feld, mit dem Sie sich intensiv auseinandergesetzt haben.

Björn Wendt: Intensiv ist etwas zu hoch gegriffen. Ich habe mich auf die Onlineberichterstattung einiger größerer Medienanstalten in Deutschland konzentriert. Spannend war hierbei zunächst, dass bei vielen öffentlichen und privaten Medienanstalten überhaupt kein Material zu Bilderberg im Netz zugänglich war.

Die zugänglich gemachten Berichte, die das Thema erwähnten, lassen sich grob in drei Kategorien einteilen. Etwa ein Drittel der Berichte entstand durch das bloße Kopieren und mitunter leichte Modifizieren von Presseagenturmeldungen. Ein zweites Drittel benannte die Konferenz lediglich kurz als Beispiel. Bliebe das letzte Drittel, in dessen Rahmen einige Berichte eine gewisse informative Dichte und Tiefe erreichen, indem Experten und Hintergrundinformationen zu Rate gezogen wurden.

 Wo genau liegen denn die Schwachstellen in der Berichterstattung?

Björn Wendt: Die Berichterstattung zur Bilderberg-Konferenz ist zu oberflächlich und unkritisch. Es wird wenig und gewissermaßen monokulturell berichtet. Eine ernsthafte Abwägung der verschiedenen Positionen bleibt aus. Stattdessen wird das Thema strukturell mit dem Begriff „Verschwörungstheorie“ markiert und zum Spekulationsobjekt stilisiert.

Die „Leistung“ besteht dann häufig lediglich in der Kritik und Dekonstruktion der verschwörungstheoretischen Machthypothese. Das erscheint mir ein bisschen wenig. Es gibt darüber hinaus keine ernsthaften Versuche das Thema investigativ aufzuklären.

Gruppen- und Systemzusammenhänge prägt das Wissen und Handeln der einzelnen Akteure

 Wie erklären Sie sich, dass sich die großen Medien über viele Jahre so schwer mit einer Berichterstattung über die Bilderberg-Konferenz getan haben?

Björn Wendt: Das kommt darauf an, welche Journalisten man genau betrachtet. Allgemein tun sich die Medien schwer, weil die PR der Bilderberg-Gruppe über Jahrzehnte auf Nicht-Thematisierung ausgerichtet war. Ich denke es ist nicht allzu gewagt zu behaupten, dass die meisten Journalisten einfach nicht wussten, dass es die Bilderberg-Konferenzen gibt.

Anders verhält es sich mit jenen Journalisten, die von den Treffen wissen. Hier lassen sich zwei Untergruppen unterscheiden. Die erste Gruppe besteht aus jenen Journalisten, die nie auf einer Bilderberg-Konferenz waren, die zweite aus jenen, die mindestens einmal selbst teilgenommen haben. Letztere tun sich schwer damit über die Konferenzen zu berichten, weil sie hiermit gegen die Norm der Verschwiegenheit verstoßen würden. Diese Verschwiegenheit ist nun aber eine Voraussetzung, die bei der Auswahl der Konferenzteilnehmer eine wichtige Rolle spielt. Würden Journalisten, vielleicht sogar kritisch, berichten, so wäre ihnen zukünftig das soziale, kulturelle und symbolische Kapital, das mit der Gruppenzugehörigkeit auf sie abstrahlt, versperrt.

Die zweite Untergruppe, jene Journalisten, die von den Konferenzen wissen und nie auf einer Bilderberg-Konferenz zugegen waren, tun sich unter anderem schwer mit der Berichterstattung, da in der Vergangenheit von Repressionen gegen einzelne Journalisten berichtet wurde, die berichten wollten, sei es seitens der eigenen Redaktion oder sogar Sicherheitskräften. Nichtsdestotrotz gab es immer wieder punktuelle Berichte, was zeigt, dass hier durchaus Freiräume bestanden, die von einigen Journalisten genutzt wurden.

 Seit einigen Jahren gibt es nun aber vermehrt Berichte zur Bilderberg-Konferenz.

Björn Wendt: Das ist richtig. Die Medien haben in der Geschichte zwar immer wieder punktuell von den Treffen berichtet, inzwischen scheinen sie sich aber immer mehr auf das Thema eingespielt zu haben, so dass die Bilderberg-Konferenzen in Zukunft wohl erst einmal nicht so schnell vom Radar des Mediensystems verschwinden werden und daher mit einer Berichterstattung zu rechnen ist, die zyklisch jedes Jahr auf die Konferenzen hinweist. Das ist, wenn man die Geschichte der Bilderberg-Konferenzen betrachtet, keine Selbstverständlichkeit.

 Sie schreiben, dass alle vier Felder, also sowohl das verschwörungstheoretische, das politische, das wissenschaftliche und das mediale Feld „strukturelle Blindheiten und Verzerrungen“ im Hinblick auf Bilderberg aufweisen. Wie meinen Sie das?

Björn Wendt: Das bedeutet, dass die Journalisten, Politiker, Verschwörungstheoretiker, aber auch die Wissenschaftler und Bilderberg-Teilnehmer, stets nur einen begrenzten Ausschnitt der Wirklichkeit sehen können. Die Wissenssoziologie lehrt, dass das, was wir von der Welt wissen, von der Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen und der Eingebundenheit in soziale Systeme geprägt wird.

Um erfolgreich in einem System agieren zu können, muss das Individuum sich etwa das notwendige Grundwissen über einige Grundregeln des jeweiligen Feldes aneignen. Es muss also wissen, was es in einem spezifischen Zusammenhang tun und sagen kann, ohne Sanktionen von anderen Akteuren im Feld fürchten zu müssen oder um Anerkennung zu ernten. Es entstehen also Grenzen legitimer Denk- und Handlungsweisen, die für den Einzelnen zwingend sind.

Ein Politiker, Journalist oder Wissenschaftler, der in seiner beruflichen Karriere noch etwas erreichen will, kann und wird etwa nicht sagen: „Bilderberg, das ist eine geheime Verschwörung, eine Art Schattenregierung.“ Andersherum, muss ein Verschwörungstheoretiker genau das sagen. Würde er hingegen stets behaupten, dass die Macht der Bilderberg-Konferenz und anderer privater Diskussionsrunden deutlich überschätzt wird, würde er im verschwörungstheoretischen Feld keine Anerkennung finden. Jeder dieser Gruppen- und Systemzusammenhänge prägt das Wissen und Handeln der einzelnen Akteure.

Die Journalisten orientieren sich bei ihrer Berichterstattung nicht an der Wirklichkeit des betrachteten Phänomens selbst, sondern in erster Linie selbstreferenziell an den Wissensbeständen im Mediensystem über Bilderberg. Da spielen dann zum Beispiel Meldungen der Presseagenturen zu Bilderberg eine Rolle. Wenn die Presseagenturen nichts zum Thema bringen, wird die Konferenz auch von vielen Medien nicht wahrgenommen.

Auch das wissenschaftliche Feld ist strukturell korrupt

 Sie verwenden ja den Begriff der strukturellen Korruptheit. Was meinen Sie damit genau?

Björn Wendt: Der Begriff stammt von dem Soziologen Pierre Bourdieu. Strukturelle Korruptheit meint bei ihm eigentlich, dass das Fernsehen paradoxerweise verstecken kann, indem es zeigt. Journalisten sehen und präsentieren Informationen also in einer Weise, die nicht unbedingt jene Bilder und Informationen sichtbar macht, die gezeigt werden müssten, wenn es um eine informative und kritische Berichterstattung gehen würde.

In meinen Zusammenhang meint der Begriff aber in erster Linie, den oben beschriebenen Zusammenhang, dass wir alle in den engen Grenzen unserer eingeübten Denk- und Handlungsroutinen gefangen sind, die uns durch jene gesellschaftlichen Apparaturen und Milieus antrainiert werden, in denen wir uns bewegen.

 Gehen wir noch auf das wissenschaftliche Feld ein, das Sie in Ihrer Arbeit auch beleuchten. Wie geht die Wissenschaft mit Bilderberg um?

Björn Wendt: Zunächst einmal muss zur Kenntnis genommen werden, dass auch das wissenschaftliche Feld, samt seinen Bewohnern, strukturell korrupt ist. Auch hier können per Definition nur bestimmte Ausschnitte der Wirklichkeit betrachtet werden und je nach Fragestellung, theoretischer Ausgangsposition, empirischer Datenbasis und methodischem Zugang, können recht unterschiedliche wissenschaftliche Wirklichkeitskonstruktionen entstehen.

Aber um Ihre Frage zu beantworten: Es gibt kaum wissenschaftliche Untersuchungen zur Thematik. Das Desinteresse der Wissenschaftler ist insbesondere deshalb bedauernswert, weil mittlerweile ersichtlich ist, dass es neben den anwachsenden massenmedialen, politischen, verschwörungstheoretischen Dokumenten zum Thema eine ganze Reihe an Selbstdarstellungen der Bilderberg-Gruppe und der Konferenz-Teilnehmer gibt, die recht interessante Einblicke liefern, wenn sie systematisch ausgewertet werden würden.

Im englischsprachigen Diskurs wurden seit etwa zehn Jahren immerhin einige Untersuchungen veröffentlicht, die solide Basisinformationen zur Geschichte, zur Intention, zur Organisation, zur Rekrutierung und zur Funktion der Bilderberg-Konferenz aufarbeiten, die jedoch im nicht-wissenschaftlichen Diskurs und auch im deutschsprachigen wissenschaftlichen Diskurs bisher nicht zur Kenntnis genommen werden. In Bezug auf die grundlegende Einordnung der Bilderberg-Konferenzen würde ich mich eher jener Forschungstradition anschließen, die davon ausgeht, dass wir es bei den Bilderberg-Konferenzen im weiten Sinne mit gesellschaftlichen Machtstrukturen zu tun haben, über die Machteliten und Superreiche über ihre privaten Netzwerke in die Weltpolitik hineinwirken.

 Von einer Privatisierung von Politik ist die Rede.

Björn Wendt: Ja, eine Art von Privatisierung und Re-Oligarchisierung der Politik ist zu beobachten, bei der Formate wie Bilderberg verdeutlichen, dass Superreiche und Manager, über ganz unterschiedliche, in der Regel relativ intransparente, Kanäle Zugang zur Spitzenpolitik und den Wissenseliten suchen und finden.

 Sie wollten auch wissen, wie sich die Bilderberg-Gruppe in ihrer Selbstwahrnehmung definiert. Können Sie uns dazu etwas sagen?

Björn Wendt: Auch hier gibt es wieder eine gewisse Varianz. Einerseits wird stets der informelle und private Charakter der Konferenz als offenes und informelles Diskussionsforum betont. Die Konferenzen seien nicht geheim, sie seien privat und würden vor allem das gegenseitige Verständnis zwischen den Eliten Europas und Amerikas fördern. Anderseits verweisen nicht wenige Äußerungen darauf, dass die Bilderberg-Konferenzen die Funktion haben, aufsteigende politische Führungskräfte zu rekrutieren und sie mit „ihresgleichen“ bekanntzumachen.

Dieses Klassenbewusstsein und die Betonung der Konferenzen für die Steigerung des eigenen Machtpotenzials werden wiederholt in den Selbstbildern der Mitglieder der Bilderberg-Gruppe sichtbar, also jenem relativ kleinen Kreis, der die Bilderberg-Konferenzen organisiert und finanziert. Die Mitglieder dieser Gruppe wollen nicht nur unverbindlich diskutieren. Sie wollen die Welt nach ihren eigenen Vorstellungen ordnen, wie es jeder Politiker letztlich ebenfalls will. Bilderberg erscheint ihnen also nicht nur als eine Möglichkeit der Steigerung des eigenen Machtpotenzials, sondern ebenfalls als eine Arena in der direkt und auf höchster Ebene in den gesellschaftspolitischen Diskurs der herrschenden Eliten des transatlantischen Raumes hinein gewirkt werden kann.

Dieser Gestaltungswille von oben wird als quasi-natürlich und legitime Gesetzmäßigkeit gesetzt: Es werde Verantwortung übernommen, so funktioniere die Welt nun einmal und das sei auch gut so. Letztlich ist dies die Grundannahme der klassischen Elitetheorie, die davon ausgeht, dass es zwei Klassen in jeder Gesellschaft gibt, die Minderheit der Herrschenden (Elite) und die Mehrheit der Beherrschten (Masse). Einige Mitglieder der Bilderberg-Gruppe sehen sich und die ausgewählten Konferenzteilnehmer als einen Teil dieser elitären Minderheit.

 

Bilderberg: „Die Forschung zu Bilderberg steckt noch in den Kinderschuhen“

Marcus Klöckner 09.06.2015

Politiker und alterfahrene Weltenlenker treffen hinter verschlossenen Türen auf Spitzenmanager und Mitgliedern von Denkfabriken – Teil 2

Im zweiten Teil des Interviews mit Björn Wendt zur Bilderberg-Konferenz legt der Sozialwissenschaftler dar, wie der Stand der Wissenschaft in Sachen Bilderbergforschung ist, und erklärt die Struktur der Gruppe. Zum Vorschein kommt ein Elite-Zirkel, dem die Funktion einer Konsensschmiede der Mächtigen zukommt. Teil 1: „Es ist eine Privatisierung und Re-Oligarchisierung der Politik zu beobachten“.

 Im ersten Teil des Interviews führen Sie an, dass es im englischsprachigen Raum substanzvolle Untersuchungen zu Bilderberg gibt, diese allerdings sich kaum im wissenschaftlichen Diskurs widerspiegeln. Welche Untersuchungen meinen Sie?

Björn Wendt: Ich meine einerseits eine Reihe von Untersuchungen, die vor allem von Historikern und Politikwissenschaftlern in den letzten 10-15 Jahren durchgeführt wurden. Ich denke hierbei insbesondere an die Arbeiten von Valérie Aubourg, Thomas Gijswijt, Hugh Wilfort, Philip Murphy und Ian Richardson. Anderseits gibt es einige ältere Untersuchungen aus den 1970er und 1980er Jahren, etwa von Eugene Pasymowski und Peter Thompson.

 Welche Erkenntnisse lassen sich aus diesen Untersuchungen gewinnen?

Björn Wendt: Zunächst lässt sich die Entstehungsgeschichte der Bilderberg-Gruppe inzwischen recht differenziert abbilden. Die Initiative zur ersten Bilderberg-Konferenz ging im Jahr 1952 vor allem von Joseph Retinger und Prinz Bernhard der Niederlande aus. Es ging ihnen darum, den steigenden Antiamerikanismus in Europa entgegenzuwirken und den Zusammenhalt zwischen den Machteliten auf beiden Seiten des Atlantiks sowie die Europäisierungsbewegung zu stärken, um ein geschlossenes Bündnis des Westens gegen den Kommunismus zu gewährleisten.

Von Beginn an waren die Organisatoren darum bemüht, dass von ihrem Vorhaben nichts nach außen dringt. Vom 29. bis zum 31. Mai 1954 tagte die erste Konferenz im niederländischen Oosterbeek im Hotel de Bilderberg, daher auch der Name „Bilderberg-Konferenz“.

   

 Und dann folgte die Entscheidung, sich im nächsten Jahr wieder zu treffen.

Björn Wendt: Ja, Prinz Bernhard übernahm dann den Vorsitz und seither findet in der Regel eine Konferenz pro Jahr statt. Stets wird für mehrere Tage ein Luxushotel angemietet, das häufig abgelegen liegt und durch private und öffentliche Sicherheitsdienste protegiert wird.

Bezüglich der eigentlichen Funktion der Bilderberg-Konferenzen gehen die meisten Forscher davon aus, dass es darum geht, Kontakte zu knüpften, also soziales Kapital zu erwerben: Networking auf höchster Ebene. Auch der Aspekte der Sozialisation und Integration aufsteigender Führungskräfte in die entsprechende Elitenstruktur und die kulturellen Gewohnheiten und Bräuche der etablierten Machthaber wird in einigen Arbeiten als wichtige Funktion der Konferenz diskutiert. Zudem wird recht häufig betont, dass die Konferenzen dahingehend wirken, dass Konflikte zwischen den verschiedenen Elitegruppen abgebaut werden und eine Art kleinster gemeinsamer Konsens ermöglicht wird, der Fortschritte in gewissen politischen Konfliktlagen ermöglicht.

Die Studien, die ich erwähnt habe, skizzieren neben der Geschichte und den Funktionen der Konferenzen aber auch wichtige Basisinformationen zum Ablauf der Konferenzen, zu den Selbstbildern der Teilnehmer und Organisatoren sowie zur Rekrutierung, Struktur und Zielsetzung der Bilderberg-Gruppe.

Der Kern der Gruppe und der äußere Kreis

 Können Sie die Struktur der Gruppe darlegen?

Björn Wendt: Nun, zunächst haben wir da die Konferenzteilnehmer. Ich schätze die Zahl an Konferenzteilnehmern der letzten 60 Jahre auf ca. 2500 Personen. Insbesondere von Politikern und öffentlichen Stellen wird nun häufig gesagt, dass Bilderberg keine formelle Mitgliedschaft und Organisation kennt. Das stimmt so nicht, denn es existierte von Beginn an sehr wohl eine Organisationsstruktur. Es gibt einen Vorsitzenden der Bilderberg-Gruppe bzw. der Bilderberg Meetings, wie sich die Institution inzwischen öffentlich selbst nennt. Bereits in den 1950er Jahre gründete sich ein Lenkungsausschuss (Steering Committee), dem stets etwa 35 Personen angehörten, die aus den NATO-Staaten stammten. Zudem wurde später eine Beratungsgruppe (Advisory Group) eingerichtet, die zunächst aus über zehn Mitgliedern bestand.

Diesen inneren Kern der Institution (Steering Committee und Advisory Group), bezeichne ich als Bilderberg-Gruppe. Etwa 200 Personen gehörten in der Vergangenheit diesem erlesenen Kreis an. Diese Mitglieder der Bilderberg-Gruppe sind also von jenen Personen zu unterscheiden, die von ihnen, mitunter nur einmalig, zu einer Konferenz einladen werden. Man könnte also sagen: Es gibt einen inneren Kreis (die Bilderberg-Gruppe) und einen äußeren Kreis (die Konferenz-Teilnehmer). Bereits die Selbstdarstellungen der Bilderberg-Gruppe widerlegen also die Behauptung, es gebe keine Organisationsstruktur oder Mitgliedschaft.

 Eine Webseite gibt es mittlerweile auch.

Seit 2010. Im Grunde bestätigt die Website eine ganze Reihe von Informationen, die schon vorher über andere Kanäle öffentlich wurden. Die Texte auf der Homepage sind fast deckungsgleich mit jenen Formulierungen, die die Organisatoren früher bereits als Pressemitteilungen hinaus gegeben haben und mit denen sie zugleich die eingeladenen Teilnehmer an die Gepflogenheit der Bilderberg-Tradition heranführen.

Dadurch, dass nun die Teilnehmer der letzten Konferenzen und auch alle aktuellen und ehemaligen Mitglieder des Lenkungsausschusses auf der Website von offizieller Seite bestätigt werden, ist es für Interessierte heutzutage somit relativ einfach, an einige solide Basisinformation zu kommen, auch bezüglich der Organisationsstruktur. Der Vorsitzende der Bilderberg-Gruppe kam bisher immer aus Europa. In den USA existiert zudem eine Vereinigung einiger amerikanischer Mitglieder der Gruppe, die „American Friends of Bilderberg“. Die europäische-amerikanische Charakteristik drückt sich zudem darin aus, dass es jeweils einen Generalsekretär für Europa und einen für die USA gibt. In diesem engeren Kreis wird entschieden, über welche Themen diskutiert wird und welche wer zu den Konferenzen geladen wird.

 Wie werden denn die Teilnehmer bzw. Mitglieder ausgewählt?

Björn Wendt: Die Teilnehmer an den Konferenzen werden formell vom Lenkungsausschuss ausgewählt und vom Vorsitzenden eingeladen. Dreiviertel der Teilnehmer stammt aus Europa und ein Viertel aus den USA. Ein Drittel der Teilnehmer wird stets aus den Bereichen Staat und Politik rekrutiert, wobei Funktionsträger aus Oppositionen und Regierungen sowie internationalen Organisationen (EU-Kommission, IWF, Weltbank, WTO, UN, NATO) geladen sind.

Den Politikern, Militärs, Beamten und Elder Statesmen, stehen auf der anderen Seite dutzende Spitzenmanager von Zentralbanken und Großkonzernen gegenüber, die die wirtschaftliche Sichtweise auf die Weltprobleme darlegen sollen. Zu diesen Gruppen gesellen sich einige Journalisten, Wissenschaftler sowie Mitglieder von privaten Stiftungen, Think-Tanks und Beraterfirmen.

Ich denke, dass bei der Auswahl neben mathematischen und formalistischen Elementen eine ganze Reihe weiterer Faktoren eine Rolle spielen: 1. Wer hat zurzeit Einfluss? 2. Wer wird zukünftig vielleicht auf wichtigen Machtpositionen sitzen? 3. Wem tue ich einen Gefallen, damit er oder sie mir später vielleicht auch einen Gefallen tut? 4. Welche Personen sind für die Diskussion eines bestimmten Themas unerlässlich? 5. Wer ist verfügbar? 6. Wer hat sich in der Vergangenheit für eine erneute Einladung aufgedrängt? 7. Wer wird traditionell eingeladen?

Die Supereichen und der europäische Hochadel ist auch dabei

 Wer wird denn traditionell eingeladen?

Björn Wendt: Traditionell haben in jedem Fall die Mitglieder des Lenkungsausschusses Zugang zu den Bilderberg-Konferenzen. Nachdem inzwischen zahlreiche Teilnehmerlisten öffentlich zugänglich sind, fällt auf zudem auf, dass die eingeladenen Personen zwar über die Jahre wechseln, aber häufig aus denselben Organisationen rekrutiert werden: Deutsche Bank, Goldman Sachs, Royal Dutch Shell, ThyssenKrupp, um nur einige zu nennen.

Es existiert also eine enge Verbindung zu einzelnen Organisationen, nicht nur in der Wirtschaft. Gewissermaßen ließe sich diese Überlegung auch auf politische Parteien beziehen. Die SPD, die CDU/CSU und die FDP, darunter zahlreiche Bundeskanzler und Minister, waren die letzten 60 Jahre immer wieder vertreten, die Grünen sind erst seit kurzem dabei.

Sowohl auf den Konferenzen als auch in der Bilderberg-Gruppe stößt man nun auf zwei Gruppen, die besonders interessant sind: Die Supereichen und den europäischen Hochadel, da sie in der Regel nicht so sichtbar sind, wenn es um Fragen der Weltpolitik geht. Prinz Bernhard und seiner Tochter, Königin Beatrix der Niederlande, aber auch Königin Sofia von Spanien und weiteren regelmäßige und unregelmäßige royale Besuche, illustrieren, dass stets einige Vertreter des europäischen Hochadels in die Konferenzen eingebunden waren, ohne jedoch (bis auf Prinz Bernard) eine formelle Position in der Gruppe einzunehmen.

Die Geldaristokratie ist in der formellen Struktur sichtbarer und durch die gesamte Geschichte hindurch im Steering Committee vertreten. Es ist nicht abwegig, vielmehr sogar naheliegend, diese beiden Gruppen und Institutionen als bedeutsame politische Player und Systeme bei der Analyse von Weltpolitik einzubeziehen.

 Wo sehen Sie denn weitere Forschungsansätze?

Björn Wendt: Fast überall.

 Wie meinen Sie das?

Björn Wendt: Die Forschung zu Bilderberg steckt noch in den Kinderschuhen. Anderseits gibt es inzwischen viel Material, das öffentlich zugänglich ist und systematisch ausgewertet werden könnte. Besonders die mitunter über 100 Seiten langen Konferenzberichte, die von der Gruppe angefertigt werden, die Teilnehmerlisten, die Selbstdarstellung auf der Homepage, aber auch die sich häufenden Aussagen und Selbstdarstellungen der Teilnehmer und Organisatoren in Autobiografien und Medien sind bisher kaum systematisch berücksichtigt. Gleiches gilt für den Umgang mit dem Phänomen im politischen Feld. Wie reagieren die sozialen Bewegungen auf Bilderberg? Wie wird das Thema parlamentarisch debattiert? Inwiefern wird in den Fraktionen informell über Bilderberg gesprochen?

Der Zusammenhang von Macht und Geschlecht

 Wo könnte eine kritische Sozialforschung noch ansetzen?

Björn Wendt: Auch das Archiv der Bilderberg-Gruppe ist interessant, wurde bisher aber nur in Einzelfällen für Forschungen freigegeben. Diese Forschungen beziehen sich aber nur auf die ersten Jahre und die Entstehung der Gruppe. Immerhin konnte inzwischen mit einigen Teilnehmern Interviews über ihre Sichtweise geführt werden, was womöglich auf eine zunehmende Offenheit hinweist. In einigen Untersuchungen ist zudem die Rede davon, dass einige Konferenzen aufgezeichnet wurden, auch hier ließen sich spannende Forschungsfragen anschließen.

Inhaltlich sind Macht- und Herrschaftsfragen eines der spannendsten Forschungsfelder, insbesondere die sich an Phänomene wie die Bilderberg-Konferenzen anschließenden demokratie- und gerechtigkeitstheoretischen Fragen. Bezeichnend ist etwa, um noch einmal auf die Rekrutierung der Gruppe zurück zu kommen, dass noch nie eine Frau Vorsitzende der Bilderberg-Gruppe war. Auch der Anteil der Frauen im Lenkungsausschuss bewegt sich im niedrigen einstelligen Prozentbereich.

Der Zusammenhang von Macht und Geschlecht ließe sich somit sicherlich recht vielversprechend am Beispiel Bilderberg erforschen. Gleiches gilt für die Funktion der Bilderberg-Konferenzen und ähnlicher elitärer Institutionen, der politischen Klasse die Ideologie der Großindustrie als Interesse des Gemeinwohls nahe zu bringen, stets mit dem unausgesprochenen Versprechen im Hintergrund auf einen zukünftigen Wechsel des Teams und damit verbundene berufliche Karrieren, die hohe Einkommen und Vermögen versprechen. Kurzum: Es wäre unter verschiedenen Gesichtspunkten und Perspektiven an der Zeit, dass die Politikwissenschaft und die Soziologie mehr Mühe und Zeit aufwenden, um zur Aufklärung über die Bilderberg-Konferenzen beizutragen.

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Aus dem per ÖVP-Amtsmissbräuche offenkundig verfassungswidrig agrar-ausgeraubten Tirol, vom friedlichen Widerstand, Klaus Schreiner

Don´t be part of the problem! Be part of the solution. Sei dabei! Gemeinsam sind wir stark und verändern unsere Welt! Wir sind die 99 %!

Bilderberger

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