Zur Erinnerung: „Kriminelles Muster“ Die Justiz vermutet im Fall Hans Peter Haselsteiner Schmiergelder in Millionenhöhe – und stellt das Strafverfahren dennoch ein. Fassen wir zusammen: Die Justiz bekam von einem Whistleblower belastende Mails von zwei Lobbyisten, die von Haselsteiner 15 Millionen kassierten und nicht erklären müssen, wofür.

Aus dieser Quelle zur weiteren Verbreitung entnommen: https://www.falter.at/zeitung/20131009/kriminelles-muster/1617250023?utm_source=emailCampaign

„Kriminelles Muster“

 BERICHT: FLORIAN KLENK POLITIK, FALTER 41/13 VOM 09.10.2013

 

Die Justiz vermutet im Fall Hans Peter Haselsteiner Schmiergelder in Millionen-höhe – und stellt das Strafverfahren dennoch ein. Ein OECD-Experte übt scharfe Kritik

In den letzten Jahren wurden mehrere Finanz- und Korruptionsskandale aufgedeckt. Dabei hat die langsame und zögerliche Aufarbeitung dieser Kriminalfälle die Effizienz und Unabhängigkeit des österreichischen Justizapparats infrage gestellt.“

So steht es im Parteiprogramm der NEOS im Kapitel „Justiz“. Und so sieht es auch der Korruptionsexperte Mark Pieth von der OECD. Österreich, so kritisierte er, sei eine „Korruptionsoase“. Nun ist Pieth erneut verwundert. Und zwar über den Fall Haselsteiner und das Vorgehen der heimischen Gerichte.

Worum gehts? Hans Peter Haselsteiner ist Finanzier der Neos. Er bot sich als möglicher Wirtschaftsminister an. Er ist eine ambivalente, schillernde Figur. Als Strabag-Chef war er nicht nur einer der mächtigsten Bauunternehmer des Landes, er ist auch Kunstmäzen und ein entschlossener Citoyen, der Ute Bock und andere karitative Organisationen massiv unterstützt.

Unrund wird Haselsteiner dann, wenn man ihn auf mögliche Korruption in seinem Konzern anspricht. Das war im Jahr 2005 so, als in der Klagenfurter Stadionaffäre ein Architekt den Konzern beschuldigte, nach finanziellen Zuwendungen an die FPÖ massiven Druck auf eine Vergabekommission ausgeübt zu haben. Besonders grimmig reagiert Haselsteiner aber, wenn man ihn auf die 15-Millionen-Euro-Zahlung an die Firma Eurocontact seines Parteifreundes, des ehemaligen LiF-Chefs Alexander Zach, anspricht.

Ein Whistleblower hatte im Jahr 2008 Daten eines LiF-Computers abgesaugt und an Medien weitergereicht. Die Unterlagen deuteten auf Korruption im großen Stile hin.

Haselsteiner zahlte an Zachs Firma Eurocontact (ein kleines Zwei-Personen-Unternehmen) mehr als 15 Millionen Euro Provision, weil dieses erfolgreich für ein Strabag-Autobahnprojekt in Ungarn „lobbyiert“ haben soll. Zach sei marktüblich bezahlt worden, sagte Haselsteiner in der „ZiB 2“.

Wer sich durch die Festplatte und die tausenden Mails arbeitet, beginnt zu verstehen, worin der Lobbyismus wirklich bestand. Zach und sein ungarischer Compagnon, ein LiF-Funktionär namens Zoltan A., leisteten umfangreiche Zahlungen an jene ungarischen Regierungsparteien, die über Haselsteiners Autobahnprojekte zu befinden hatten. Nicht nur für Straßen, sondern auch für Spitalsbauten oder die richtige Entscheidung einer Wettbewerbsbehörde sollte offenbar mit Parteispenden Stimmung gemacht werden.

Wurden ungarische Behörden geschmiert? Nutzte Haselsteiner seine Funktion und Nähe zu liberalen Politikern für eigene Geschäfte? Er bestreitet das. Fünf Jahre ging die Korruptionsstaatsanwaltschaft diesen Vorwürfen nach. Von einem „Outsourcing von Korruption“ war bei der Behörde die Rede. Aber auch davon, dass die Ungarn bei der Aufklärung nicht wirklich kooperieren.

Haselsteiner fühlt sich zu Unrecht verfolgt. Schließlich stellte er einen Einstellungsantrag bei Gericht. Die Rechtsordnung sieht vor, dass ein Beschuldigter unabhängige Richter zu Hilfe rufen kann, wenn er glaubt, dass die Staatsanwaltschaft zu Unrecht ermittelt. Das Landesgericht Wien wies den Antrag im Dezember 2011 ab. Die Verdachtslage lasse eine Einstellung nicht zu. Das Oberlandesgericht entschied genau umgekehrt. Es verbietet weitere Ermittlungen.

Dem Falter liegt der Beschluss des OLG im vollen Wortlaut exklusiv vor. Es ist ein Dokument, das Rechtsgeschichte schreiben wird. Es geht daraus hervor, dass Haselsteiner in einer Einvernahme zugegeben hat, die 15 Millionen Euro bezahlt zu haben, um die Verstaatlichung einer von der Strabag betriebenen Autobahngesellschaft abzuwenden.

Das OLG wörtlich: „Nach der auf (…) Dokumenten beruhenden Verdachtslage ergeben sich als mögliche Adressaten einer Bestechung (…) Istvan Csillag (ehemaliger Wirtschaftsminister Ungarns, Anm. der Redaktion) sowie die damaligen Regierungsparteien MSZP und SZDSZ.“

Mit anderen Worten: Haselsteiner soll nach Ansicht des OLG Wien einen Minister und zwei Parteien mit privaten Vorteilen bedacht haben, um eine Entscheidung in seinem Sinne zu erwirken

Genau das sei aber nicht strafbar, so die überraschende Ansicht des Oberlandesgerichts. Denn: Haselsteiner habe ja nicht bestochen, um einen Auftrag zu bekommen, sondern um den Entzug eines bereits erteilten Auftrags durch eine neue Regierung zu verhindern. Dies sei legitim.

Wer also Geld an ausländische Parteien oder Minister bezahlt, um die Regierung von einem Verstaatlichungsvorhaben abzuhalten, strebe damit keinen „unbilligen Vorteil“ an, sondern versuche bloß, finanziellen Schaden von seinem Unternehmen abzuwenden.

Dass dabei die demokratischen Entscheidungsprozesse in einer Demokratie unterwandert werden, spielt offenbar keine Rolle.

Der OECD-Korruptionsexperte Mark Pieth hat den OLG-Beschluss gelesen und hält ihn für „juristisch unhaltbar“. Nur Zahlungen für Gegenleistungen, „auf die man unzweifelhaft Anspruch hat“, seien straflos. Pieth fragt: „Seit wann hat man darauf Anspruch, im Ausland Autobahnen zu bauen?“ Auch politisch sei der Fall interessant: Österreich sei „Weltmeister im Einstellen von Korruptionsermittlungen“.

Haselsteiners Lobbyisten, so wird im OLG-Beschluss gemutmaßt, sollen nicht nur für das Autobahnprojekt Druck gemacht haben, sondern auch für ein Krankenhausprojekt rund 5 Prozent Schmiergeld „im Verhältnis 2:2:1“ an Budapester Parteien gezahlt haben. Diese hätten bereits zugestimmt, „dass das Geld über den Verein direkt in die Parteien fließt“.

Weiters soll die Wettbewerbsbehörde bestochen worden sein, um eine Kartellstrafe gegen die Strabag zu drücken.

Haselsteiner wird sich dennoch keinem Gericht stellen müssen. Denn die Kontenöffnungen bei seinen Lobbyisten haben zwar Zahlungsflüsse an Briefkastenfirmen auf Zypern und den Seychellen offenbart.

Aber, so das OLG wörtlich: „Wenngleich diese Überweisungen klassisch dem kriminellen Muster zur Verschleierung von tatsächlichen Empfängern von Zahlungen entsprechen, sind die Ermittlungen daher nunmehr an einem Punkt angelangt, der nach eigener Einschätzung der ermittelnden Beamten eine weitere Nachvollziehbarkeit des Geldflusses nicht erwarten lässt.“

Mit anderen Worten: Die Justiz hat zwar eine Spur, doch sie endet dort, wo sie nicht mehr hinschauen zu können glaubt.

Fassen wir zusammen: Die Justiz bekam von einem Whistleblower belastende Mails von zwei Lobbyisten, die von Haselsteiner 15 Millionen kassierten und nicht erklären müssen, wofür.

Aus internen Unterlagen dieser Lobbyisten geht hervor, dass Parteien und Politiker in Ungarn über den Umweg von liberalen Stiftungen und vorgelagerten Vereinen dazu gebracht werden sollten, politische Entscheidungen im Sinne der Strabag zu treffen.

Es gab offenbar Überweisungen, die laut Gericht „klassisch dem kriminellen Muster entsprechen“, aber irgendwo auf den Seychellen versumpften.

Und es gibt eine Wiener Korruptionsstaatsanwaltschaft, die weiter ermitteln will, aber das nicht darf, weil die Bestechung zur Verhinderung einer Verstaatlichung nicht strafbar ist.

So stellt sich das Verfahren gegen Hans Peter Haselsteiner dar. Er ist strafrechtlich gesehen ein unschuldiger Mann.

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ist nun ziemlich nervös. Ein Staatsanwalt fragt: „Droht uns im Fall Grasser ein ähnliches Schicksal? Auch hier mühen wir uns ja, ein Geflecht von Briefkastenfirmen zu entwirren. Wir können nur hoffen, dass wir dabei nicht gestoppt werden.“

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