Christenmorde in Syrien unterstützt vom Westen … „Brandherd Syrien“ – Kongress der Gesellschaft für Internationale Friedenspolitik, ehm. Oberstleutnant Jochen Scholz, Schwester Hatune Dogan; Journalist Aktham Suliman; Vital Burger, Kevork Almassian; Maram Susli, Dr. Tim Anderson;

Finanzmarkt- und Konzernmacht-Zeitalter der Plutokratie unterstützt von der Mediakratie in den Lobbykraturen der Geld-regiert-Regierungen in Europa, Innsbruck am 29.10.2016

Liebe® Blogleser_in,

Bewusstheit, Liebe und Friede sei mit uns allen und ein gesundes sinnerfülltes Leben wünsch ich ebenfalls.

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„Brandherd Syrien“ – Kongress der Gesellschaft für Internationale Friedenspolitik

Dieser Bericht erschien zuerst auf Sezession im Netz.

In diesen Tagen naht die heiße Phase der von allen Kriegsparteien in Syrien als »entscheidend« für den künftigen Kriegsverlauf angesehenen Schlacht um die Metropole Aleppo. Auf der einen Seite kämpfen die Streitkräfte der regulären syrischen Armee mit ihren Verbündeten bei russischer Luftunterstützung, während auf der Gegenseite ein Konglomerat aus sunnitisch-dschihadistischen Banden mit Waffen aus dem Westen und Finanziers aus den Golfstaaten zum Angriff übergehen möchte.

Aleppo ist also Schauplatz eines seit 2011 immer weiter eskalierenden Krieges, der Syrien zum »Brandherd« werden ließ. Die Lage ist dabei für Beobachter kaum noch zu überschauen, weder militärisch noch politisch oder strategisch. Wer mischt mit, wie wird desinformiert, wie geht es weiter mit Syrien? Eine Tagung der »Gesellschaft für Internationale Friedenspolitik e. V.« (GIF), die in Bad Sooden-Allendorf stattfand, ging am 22. und 23. Oktober genau diesen (und vielen weiteren) Fragen auf den Grund. Die Veranstaltung, die mit etwa 150 Gästen gut besucht war, zeichnete sich insgesamt durch ein hohes Niveau der Vorträge aus, wobei es einige besonders verdienen, hervorgehoben zu werden.

Schwester Hatune Dogan

Die Nonne aus einem nordrhein-westfälischen Kloster wurde 1970 in der Südosttürkei – unweit der syrischen Grenze – in eine christlich-aramäische Großfamilie geboren; 1985 erfolgte aufgrund Morddrohungen sunnitischer Nachbarn die Flucht nach Deutschland. Ihr Weg führte in einen syrisch-orthodoxen Orden, sie machte mehrere Ausbildungen, studierte Theologie und Geschichte und engagierte sich in der Armenhilfe in Indien; 2010 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz. Ihre 2003 gegründete, karitative »Hatune Foundation« verfügt heute über 5000 ehrenamtliche Helfer, die sich insbesondere um verfolgte Christen, konkret: notleidende Mädchen und Frauen, im Nahen Osten kümmern.

Dementsprechend referierte Schwester Hatune über »Die Lage der Christen in Syrien und im Irak«. Ihr mit viel Leidenschaft vorgetragener Beitrag machte klar: Die Lage ist katastrophaler als angenommen. Massenvergewaltigungen, Entführungen, Morde sind an der Tagesordnung. Schwester Hatune bemängelt die fehlende europäische Beschäftigung mit diesem Elend, denn gerade »aus christlicher Sicht darf man nicht schweigen, was im Nahen Osten passiert«, so ihr Plädoyer. Statt dessen schaue die westliche Welt weg und stütze konsequent die falschen Kräfte.

Grundsätzlich stark zu vernehmen waren ihre aus eigenem Erleben genährten Vorbehalte gegenüber dem sunnitischen Islam. Die Nonne aus Warburg verwies wiederholt auf Suren, die von gläubigen Muslimen als Tötungsbefehle gegen Minderheiten (Christen, Alawiten, Aleviten, Schiiten usw. usf.) verstanden werden. Ihre zugespitzte These »Mohammed war ISIS!« begründete sie mit einem kurzen Streifzug durch die historische (salafistische) Christenverfolgung im Nahen und Mittleren Osten. Heute, wo mit dem »Islamischen Staat« und vergleichbaren Terrorstrukturen wie der Nusra-Front eine neue Dimension antichristlicher Gewalt erreicht wurde, müsse endlich etwas getan werden.

Unverständlich für sie ist dabei die Gleichgültigkeit der Christen Europas angesichts des sukzessiven Genozids an christlichen Minderheiten, ebenso unverständlich die europäische und insbesondere die bundesdeutsche Flüchtlingspolitik: »Europa hat die Wölfe hereingelassen und die Schafe vor der Tür stehen lassen«, so ihr enttäuschtes Fazit.

Foto von Schwester Hatune Dogan
Schwester Hatune Dogan. Bild: Heinz Knotek (Synonym)/TrinosophieBlog

Aktham Suliman

Der 1970 geborene Journalist Aktham Suliman ist bekannt aus einigen Talkshows: Er war es, der den führenden arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira 2012 verließ, da er die tendenziöse und unverantwortliche Syrien-Berichterstattung nicht mittragen wollte. Der studierte Politikwissenschaftler, der in Damaskus geboren wurde und derzeit in Berlin lebt, sprang für die deutsche Syrienexpertin Karin Leukefeld ein, die aus unbekannten Gründen der Tagung fernblieb. Sein Vortrag »Krieg und Chaos. Eine arabische Sicht« zeichnete sich durch Sachverstand und gekonnt gesetzte Ironie gleichermaßen aus.

Suliman betonte die sozioökonomischen Ursachen des Syrienkonflikts und relativierte insofern die rein religiös orientierte Kritik seiner Vorrednerin: »Im Krieg geht es nicht um Religion, sondern um Interessen.« Wie diese Interessen seitens der letzten verbliebenen Weltmacht USA und ihrer Verbündeter eingesetzt werden, um in Syrien und den Nachbarländern hegemonial zu agieren, machte er anhand zahlreicher Beispiele vom 11. September bis in die Gegenwart deutlich.

Ob der Krieg nach Europa komme, sei keine hypothetische Frage mehr. Der Krieg sei längst in Brüssel, Paris oder auch in Chemnitz angekommen; nur sei die Front eben einstweilen noch ruhig. Die salafistische Gefahr, die nun auch den Westen bedroht, wurde vorher dabei gekonnt eingesetzt, um das stabile syrische Gefüge zu zerstören. Die sogenannte Freie Syrische Armee (FSA) – Lieblingsthema der westlichen Politik und ihrer Presse – sei dabei nicht nur heute ein Phantom, sondern war es von Beginn an. Der langjährige Al-Dschasira-Korrespondent gab zu: »Wir haben die FSA erfunden!«

Ohnehin sei die Macht der Medien im Ringen um den Nahen Osten unvorstellbar verwerflich; man müsse sich nur die unterschiedliche Wahrnehmung in Europa bezüglich zweier derzeit beginnender Operationen vergegenwärtigen: Im irakischen Mossul, wo US-Kräfte die lokalen Verbände gegen den dschihadistischen IS stützen, handle es sich um eine »Befreiung« der Millionenstadt, während die Befreiung Aleppos von anderen, dem IS aber verwandten dschihadistischen Allianzen als brutale »Belagerung« durch Assad und Putin verkauft werde. Wie so oft entscheiden also die westlichen Kräfte je nach Interesse vor Ort, ob eine Islamistenmiliz »gut« oder »böse« sei.

Foto von Aktham Suliman
Aktham Suliman. Bild: Heinz Knotek (Synonym)/TrinosophieBlog

Vital Burger

Der dritte Referent in diesem Samstagsblock war Vital Burger. Der Vizepräsident der schweizerischen Wirtschaftskammer sprach in seiner Rolle als Vorsitzender des »Freundeskreises Schweiz–Iran« über die iranische Sicht auf den Syrienkrieg. Sein visueller Rundgang durch die Vielfalt des Landes gewährte einen ersten Einblick in die Geschichte und Gegenwart 7000 Jahre persischer/iranischer Kultur.

Burger ging kundig auf die Interessen der einzelnen Akteure im Syrienkrieg ein und betonte insbesondere die zunehmende Aktivität der Volksrepublik China, die nicht nur ökonomische Interessen vertrete, sondern der es überdies an einer Eliminierung der sunnitisch-uigurischen Terroristen gelegen sei, die in Syrien für Angst und Schrecken sorgen und womöglich eines Tages in ihre Heimat in Westchina zurückkehren könnten, wo sie eine erhebliche Gefahr darstellen würden.

Zur Rolle des Iran vermißte man indes einige präzise Fragestellungen: Burger verwies zwar auf die Bedeutung der Mittelmeeranbindung für Teheran, stellte unterschiedliche Transitstrecken vor, und hob die geostrategische Lage Syriens als einen Aspekt der iranischen Syrien-Solidarität hervor (neben der schiitischen Perspektive und dem Blockdenken bezüglich Saudi-Arabien/Arabistan).

Indes wäre es gerade interessant gewesen, zu erfahren, welche Widersprüche in der iranischen Politik angesichts der Intervention in Syrien auftreten: Immerhin sterben zahlreiche iranische Freiwillige auf dem Schlachtfeld und auch im iranisch-theokratischen Establishment gibt es durchaus vereinzelten Widerspruch zur Rettungsaktion für einen dezidiert säkularen Herrscher. Gewiß: Das sind Minderheitenpositionen, aber auch über diese Antagonismen innerhalb des Iran zu berichten wäre aufschlußreich gewesen.

Foto von Vital Burger
Vital Burger. Bild: Heinz Knotek (Synonym)/TrinosophieBlog

Diskussion Schwester Hatune, Suliman, Burger

Im Anschluß an Vital Burger gab es eine offene Diskussionsrunde mit den drei Referenten, moderiert vom GIF-Mitglied Oberstleutnant a. D. Jochen Scholz. Neben einigen Wortmeldungen aus dem Auditorium meldete sich mit Dr. Salem El-Hamid ein Referent des Folgetags. Der Generalsekretär der Deutsch-Syrischen Gesellschaft hob hervor, daß die Darstellung eines Religionskriegs nicht zulässig sei. Das Zusammenleben aller Religionen und Konfessionen habe in Syrien in den letzten Jahrzehnten funktioniert; Syrien sei schließlich wie ein Mosaik, bei dem jeder einzelne Bestandtteil zum großen Ganzen zählt. Erst die von außen gestützte Radikalisierung der (sunnitisch-wahabitischen) Sektierer habe zur religiösen Prägung des Konflikts geführt.

An Schwester Hatune richtete Scholz die Frage, wer denn den Christenmord im Nahen Osten decke – es seien schlechterdings nominell »christliche« Staaten des Westens, die die Region destabilisierten und für die Eskalation der Lage sorgten. Eine Frontstellung Christentum versus Islam würde daher die wahren Frontverläufe verschleiern. Dieser Ansicht sekundierte ein Teilnehmer, der das Feindbild Islam als »Köder« zur Ablenkung bezeichnete. Immerhin sei die Syrisch-Arabische Armee (SAA) das Musterbeispiel für Solidarität jenseits sektiererischer Linien: Sunniten, Alawiten, Drusen, Christen, Schiiten oder auch Atheisten kämpfen gemeinsam für die Zukunft Syriens in einem säkularen Nationalstaat, der allen Syrern dieselben Möglichkeiten bieten solle.

Deutlich wurde hier auch eine wichtige Konfliktlinie innerhalb der (heterogen zusammengesetzten) Tagungsteilnehmer, denn es ging immer wieder um die Frage: Wird hier Religion mißbraucht oder ist Religion der Motor des Konflikts? Einig war man sich weitgehend darin, daß die neokonservativ-kulturalistischen Deutungsmuster à la Samuel Huntington zunehmen. Auf der Strecke bleibt dabei die entscheidende Analyse sozioökonomischer und geopolitischer Zusammenhänge. Ein dogmatisches Verständnis des syrischen Krieges als »Religionskrieg« mache es aber unmöglich, die entsprechenden Hintergründe faßbar zu machen. Man konzentriere sich auf fundamentalistische Hardliner des IS und verkenne – geopolitisch – langfristigere Pläne der USA eines »Neuen Mittleren Ostens« oder Hegemoniebestrebungen der Golfstaaten wie auch der neoosmanisch agierenden Türkei, während man – geoökonomisch – die wirtschaftlichen Interessen der beteiligten Mächte hinter dem Schleier der Religion belasse.

Das wird nicht zuletzt in der komplizierten Schlacht um Aleppo deutlich – eine Stadt, die im übrigen mehrheitlich sunnitisch und Assad-loyal zugleich ist. Mit dieser Wiege der menschlichen Zivilisation beschäftigte man sich Sonntag in einem herausragenden Beitrag des syrischen Analysten Kevork Almassian.

Der Krieg in Syrien eskaliert auf jeder Ebene: Wer mischt mit, wie wird desinformiert, wie geht es weiter mit Syrien? Nach dem ersten folgt nun der zweite und abschließende Teil des Berichts zur Tagung der »Gesellschaft für Internationale Friedenspolitik e. V.« (GIF) am 22. und 23. Oktober:

Kevork Almassian

Der 1987 geborene Kevork Almassian stammt selbst aus der umkämpften Metropole Aleppo. Seine Eltern besaßen dort ein Ladengeschäft, das den Bomben der »Rebellen« zum Opfer fiel. Er stammt aus einer christlich-armenischen Familie, die seit Generationen in Syrien lebt. Nach einem Studium der Internationalen Beziehungen an der University of Kalamoon (Syrien) wechselte er zu einem Vertiefungsstudiengang in den Libanon. Nach seinem Abschluß in »Middle Eastern Politics« ging er nach Deutschland, wo er als Analyst und Projektkoordinator arbeitet, zudem ist er Nahost-Experte für das von Manuel Ochsenreiter geleitete »German Center for Eurasian Studies«. Sein Vortragsthema »Die geopolitischen Gründe hinter dem neo-osmanischen Projekt der Türkei in Syrien« ergab sich gewissermaßen durch den Zwang der Verhältnisse.

In Nord-Aleppo, also der ländlich geprägten Gegend im Norden der Großstadt, rücken derzeit türkische Soldaten mit syrischen Islamisten gegen kurdische Separatisten und den Islamischen Staat vor, während in Süd-Aleppo und in der Stadt Aleppo selbst die syrische Armee gegen – ehedem ebenfalls von der Türkei gesponserte – Dschihadisten kämpft. Die komplizierte Situation besonders in Nord-Aleppo konnte von Almassian anschaulich erklärt werden. Den Türken geht es dabei vor allem um die Verhinderung einer zusammenhängenden Kurdenregion, weniger um einen totalen Sieg über den IS, mit dem man bis vor kurzem Ölgeschäfte abwickelte. Es kam so zur bizarren Situation, daß syrisches Öl, das aufgrund der Sanktionen gegen Damaskus nicht direkt importiert werden darf, vom IS in die Türkei gelangte und von dort an westliche Staaten weiterverkauft wurde. Sanktionen gegen Syrien also, die dem Terrorismus direkt zugute kommen.

Almassian ging präzise auf die einzelnen Interessen der Türkei ein. Er unterschied die strategischen Vorgehensweisen der Soft und Hard penetration, stellte türkische Bündnispartner vor und analysierte die Bedeutung der Handelsmetropole für imperiale Ambitionen Ankaras. Als ironische Begleitmusik zum Vortrag meldete die arabische Nachrichtenseite Al-Masdar, daß Erdogan just an ebendiesem 23. Oktober verkündete, Aleppo (und Mossul) stehe dem türkischen Volk zu. Die Millionenstadt Aleppo sei indes einstweilen nicht in türkischer Reichweite. Denn Rußland als Schutzmacht Syriens werde nicht zulassen, daß die Türkei ihre »Euphrat-Schutzschild«-Kampagne, die sich gegen Kurdenmilizen und den IS richtet, auf syrische Regierungsgebiete ausweite. Dennoch bleibe die Situation mehr als angespannt, da innerhalb weniger Kilometer die Herrschaftsgebiete des IS, Türkei-finanzierter Dschihadisten, syrischer Armee und kurdischer Separatisten aneinander grenzen. Die Fronten bleiben volatil, Änderungen sind täglich zu erwarten.

Foto von Kevork Almassian
Kevork Almassian. Bild: Heinz Knotek (Synonym)/TrinosophieBlog

Maram Susli

Nach Almassian sprach mit Maram Susli (Damaskus/Sydney) eine junge Frau, die in einigen westlichen Medien als ultimatives Feindbild fungiert, wenn es um den syrischen Krieg geht. Sie wird wahlweise als »Assad-Fangirl« oder gar als »Antisemitin« diffamiert. Der Grund für diesen Haß auf die Journalistin, deren Spitzname »Partisangirl« lautet, liegt darin begründet, daß die Expertin mehrerer arabischer Fernsehsender kein Blatt vor den Mund nimmt und nicht selten polemisch und harsch auf westliche oder israelische Expansionspolitik reagiert. Zur »Migrationskrise aus syrischer Sicht« war sie geladen, und es war denn auch eine syrische Sicht, keine »assadistische«. Denn ganz unpassend zum Label als »Assad-Propagandistin« hatte Suslis (sunnitische) Familie nach der Machtübernahme der Baath-Regierung das Land verlassen: Die Familie galt aufgrund ihres Landbesitzes als »bourgeois« und unzuverlässig. Das hindert Maram Susli freilich nicht, einen dezidierten Standpunkt bezüglich der Legitimität der »Rebellion« einzunehmen.

Ihr Einstieg regte zum Nachdenken an: »Aus syrischer Perspektive begann die Flüchtlingskrise, als Europäer illegal nach Syrien einreisten« und Terrorstrukturen unterstützten. Angesichts Tausender europäischer Islamisten unterschiedlicher Couleur, die seit 2011 nach Syrien sickerten und allmählich wieder zurück nach Europa strömen, ist es in der Tat hervorhebenswert, daß der Terror zuerst aus Europas Problemstadtteilen nach Syrien wanderte, bevor er nun den Westen heimsucht. Das werde, so Susli, nicht zuletzt von europäischen Rechtspopulisten vergessen. Sie zitierte eine UKIP-Verlautbarung, wonach »die« Syrer nach einem »guten Leben in Europa« streben würden. Nein, meinte Susli, die meisten Syrer hatten bereits ein gutes Leben, bevor westliche und Golf-Staaten das Land mit Krieg überzogen. Sie wies in diesem Zuge ebenfalls darauf hin, daß nach unterschiedlichen Schätzungen rund 80 Prozent der Flüchtlinge in Europa gar nicht aus Syrien stammen, sondern u. a. aus dem Sudan, Afghanistan, Pakistan oder Libyen.

Susli griff die These bellizistischer Westmedien auf, die propagierten, man müsse »Assad wegbomben«, um die Flüchtlingskrise zu lösen. Ihre Frage in Richtung von BILD und Co.: Wenn das Gros der syrischen Flüchtlinge in die von Assad gehaltenen Gebiete flüchtete (sieben Millionen), um sich in Sicherheit vor unterschiedlichen Terrormilizen islamistischer und dschihadistischer Färbung zu bringen: Wie löse man die Flüchtlingskrise, indem man nun diese Schutzbastion (die sich von Damaskus über Tartous bis Latakia streckt) bombardiere? Wie helfe man den sieben Millionen Flüchtlingen, wenn man sie erneut mit Krieg heimsuche?

Die Referentin, die in wenigen Tagen auch in Linz sprechen wird, hob zudem die Rolle Syriens vor 2011 hervor. Millionen Palästinenser und Irakis wurden aufgenommen und gänzlich integriert in den Arbeitsmarkt, in das Bildungs- und auch Gesundheitssystem, erhielten allerdings keine syrische Staatsbürgerschaft. Da Identität zum Wesenskern eines jeden Menschen zähle und die nationalkulturelle Identität ein wesentlicher Baustein der Persönlichkeit sei, war und ist es der Standpunkt des syrischen Staates, daß die Menschen, die nach Syrien flüchteten, zwar gleichberechtigt leben können, aber weiterhin sehen sollten, daß Palästina oder der Irak ihr Heimatland bleiben, in das sie eines Tages zurückkehren würden. Sie empfahl dieses identitäre Verständnis von Flucht und Aufnahmebereitschaft auch Europa.

Foto von Maram Susli
Maram Susli. Bild: Heinz Knotek (Synonym)/TrinosophieBlog

Dr. Tim Anderson

Der dritte Referent dieses thematischen Blocks war der in Sydney lehrende Politikwissenschaftler Tim Anderson. Sein Vortrag orientierte sich am jüngst ins Deutsche übertragenen Werk Der Schmutzige Krieg gegen Syrien. Andersons Ziel ist die Offenlegung der »Desinformationskampagne der USA und der Golfmonarchien im Krieg gegen Syrien«. Entsprechend dieser Prämisse nahm er sich einzelner »Höhepunkte« des Syrienkrieges an. 2011, so Anderson, habe – den westlichen Mythen nach – ein friedlicher Aufstand gegen eine Despotie im südsyrischen Daraa begonnen, der brutal niedergeschlagen wurde, woraufhin syrische Soldaten, die das Leid der geschundenen Bevölkerung nicht mehr ertrugen, die Seiten wechselten und die »Freie Syrische Armee« gründeten. So sei der Bürgerkrieg ins Rollen gekommen, weil das Regime zu keinen Zugeständnissen bereit gewesen sei. Anderson betonte: Nichts davon sei wahr. Der Aufstand in Daraa sei von Anbeginn von sunnitischen Extremisten geführt worden, Vermittlungsangebote wurden ausgeschlagen, Sicherheitskräfte von Insurgenten getötet. Doch die Golfmedien und ihre Kollegen im Westen waren ganz im »Arabischen Frühling« gefangen und vermittelten den Nachrichtenkonsumenten, hier sei ein weiterer Sturz eines Tyrannen durch das Volk im Gange.

Der Bürgerkrieg nahm seinen Lauf, der Westen und die Golfstaaten heizten islamistische Gruppen an, die Rede von einer »humanitären Intervention« wurde lanciert. Dafür mußten unterschiedliche Mythen herhalten, darunter Giftgaseinsätze, Faßbombenmassaker oder die Behauptung, Assad führe einen Krieg gegen sein eigenes Volk. Anderson betonte, daß Assad – nach Umfragen aus West und Ost, nach Mitteilungen von Geheimdiensten und Spitzeln – bei der Mehrzahl der Syrer beliebt sei. Nur haben diese Menschen keine Lobby in Berlin und Washington, während die Mär vom »Schlächter Bashar« wider besseres Wissen über alle Kanäle läuft, um die Anti-Assad-Grundstimmung der westlichen Bevölkerung unter Kontrolle zu halten, damit weitere Schritte gegen Syrien (Sanktionenverlängerung, Rußland-Schelte usw.) geboten erscheinen. Anderson griff sich einige besonders prominente Greuelmärchen über syrische Verbrechen heraus und wies (wie im Buch Schritt für Schritt und quellengesättigt nachvollziehbar!) nach, daß das Schema (leicht vereinfacht dargestellt) so ablaufe: US-Kräfte und Islamisten behaupten eine schreckliche Tat des Regimes, der Medienblock verbreitet es global, nach ein paar Wochen kommt die Wahrheit heraus, aber nun blockieren die Medien die Richtigstellung, weshalb bei den Bevölkerungen das Ursprungsbild gefestigt bleibe. Anderson wies demgegenüber – durchaus in Übereinstimmung mit der Referentin vom Vortag, Schwester Hatune – auf die »Genocide mentality« der sunnitisch-dschihadistischen Regierungsgegner hin, und zwar von »moderater« FSA bis hin zum IS.

Andersons Fazit lautet wie folgt: Desinformation gegen Syrien ist nötig, um die »eigene« (westliche) Legitimität in diesem internationalen Stellvertreterkonflikt zu wahren. Würde man jetzt die Genozidmentalität der Opposition einräumen, würde man den Mythos der friedlichen Erhebung gegen einen Tyrannen fallen lassen müssen. Fällt aber dieser Mythos, fällt der US-Plan eines Neuen Mittleren Ostens! Und für dieses hegemoniale Projekt ist man offenbar bereit, Hunderttausende Tote, Millionen Flüchtlinge und endlose humanitäre Katastrophen in Kauf zu nehmen.

Foto von Dr. Tim Anderson
Dr. Tim Anderson. Bild: Heinz Knotek (Synonym)/TrinosophieBlog

Diskussion Almassian, Susli, Anderson

Der Einstieg in die lebhafte Diskussion gelang dem Moderator, Oberstleutnant a. D. Jochen Scholz, mit seiner Bemerkung, man dürfe nicht vergessen, daß die Syrer schon eine Hochkultur hatten, als die Germanen noch vorzivilisatorisch lebten. Das werde im Westen zu oft vergessen.

Diskutiert wurde hernach im einzelnen:

  • die peinliche Rolle vermeintlich linker, kriegskritischer Medien im Einklang mit der bürgerlichen Mainstreampresse
  • die personellen Überschneidungen zwischen NGOs wie Human Rights Watch und westlich-hegemonialen politischen Strukturen, etwa dem State Department
  • die Rolle des Aleppo-Ringens in diesem Krieg (Almassian: Assad will, anders als die Islamisten, keine »Apokalypse«, daher könne er nicht all in gehen, da er noch Männer braucht, die das Syrien von morgen bauen werden)
  • die Funktion der Al-Qaida-nahen »NGO« der Weißhelme, die bekanntermaßen von den USA und Großbritannien finanziert wurden
  • die Position Israels: Susli verwies in ihrer Antwort auf einen Fragesteller, daß Israel mit seiner islamistenfreundlichen Politik in Syrien Verschiedenes erreichen möchte: dauerhafte Sicherung der syrischen (aber israelisch besetzten) Golanhöhen, Balkanisierung Syriens, Unterstützung kurdischer Separatisten, dauerhafte Schwächung der Achse Beirut-Damaskus-Teheran
  • die Bedeutung der Sanktionen gegen das syrische Volk (Anderson: einzige positive Ausnahme im Westen ist Tschechien)
  • die Rolle der Moslembruderschaft in der Türkei, in Syrien, in Ägypten
  • die Heuchelei des Westens, wonach US-Angriffe auf Zivilisten ständig als bedauerliche, fehlerhafte »Einzelfälle« relativiert werden, während syrisch-russische Bombardements pauschal als Verbrechen dargestellt werden, selbst wenn sie sich nachweislich gegen Terroristenstrukturen richten.
Foto der Podiumsdiskussion
Bild: Heinz Knotek (Synonym)/TrinosophieBlog

Nachmittags referierten u. a. noch Dr. Salem El-Hamid und William Engdahl. El-Hamid, der kein gutes Haar an der destruktiven Flüchtlingspolitik der Bundesregierung ließ, veröffentlicht in diesen Tagen seine deutsch-syrische Lebensgeschichte, während Engdahl zuvor die Heartland-Theorie sowie die Geschichte der US-Hegemonie und ihr zuarbeitender Denkfabriken wiedergab. Er hob zudem die Rolle der Öl-Konzerne hervor, die eng verschränkt mit der US-Politik agieren würden. Aufschlußreich waren auch seine Ausführungen zum Projekt Neue Seidenstraße und der Shanghai Cooperation Organisation (SCO). Man darf gespannt sein, was Rußland, China und weitere Staaten auf dem Weg zu einer neuen multipolaren Weltordnung leisten werden. Die USA sieht Engdahl jedenfalls am Anfang vom Ende: »Amerika ist ein Hegemon im Untergang.«

Die Gesellschaft für Internationale Friedenspolitik bereitet eine DVD der Veranstaltung vor.

2017 soll ein weiterer Kongreß stattfinden, der sich am Niveau der diesjährigen Tagung zu orientieren hat.


Über den Autor

Portrait von Benedikt KaiserBenedikt Kaiser, Jahrgang 1987, studierte in Chemnitz Politikwissenschaft mit europaspezifischer Ausrichtung (M. A.). Sein Forschungsschwerpunkt gilt den Faschismus- und Totalitarismus-Studien sowie der politischen und ökonomischen Lage in der Levante; universitär beschäftigte er sich u. a. mit der Geschichte der Zeitschrift Criticón, deren Lauf die Sezession in gewissem Sinne fortsetzt.

Kaiser unterstützt die redaktionelle Arbeit der Sezession, publiziert regelmäßig in der österreichischen Quartalsschrift Neue Ordnung und arbeitet als Verlagslektor.

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https://deutsch.rt.com/international/42519-jochen-scholz-uber-geopolitische-ursachen/

Jochen Scholz über geopolitische Ursachen des Krieges in Syrien

Der ehemalige Referent im Verteidigungsministerium, Jochen Scholz, erläutert RT-Reporter Stefan Dyck die Hintergründe des Syrien-Kriegs.

Der ehemalige Referent im Verteidigungsministerium, Jochen Scholz, erläutert RT-Reporter Stefan Dyck die Hintergründe des Syrien-Kriegs.
Jochen Scholz, ehemaliger Referent im Verteidigungsministerium, äußert sich im Gespräch mit RT Deutsch-Reporter Stefan Dyck zu den Ursachen des Syrien-Kriegs. Das Gespräch fand am Rande des Kongresses „Brandherd Syrien“ bei Kassel statt.

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Aus dem per ÖVP-Amtsmissbräuche offenkundig verfassungswidrig agrar-ausgeraubten Tirol, vom friedlichen Widerstand, Klaus Schreiner

Don´t be part of the problem! Be part of the solution. Sei dabei! Gemeinsam sind wir stark und verändern unsere Welt! Wir sind die 99 %! 

“Wer behauptet, man braucht keine Privatsphäre, weil man nichts zu verbergen hat, kann gleich sagen man braucht keine Redefreiheit weil man nichts zu sagen hat.“ Edward Snowden

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PDF-Downloadmöglichkeit eines wichtigen sehr informativen Artikels über den amerikanischen Militärisch-industriellen-parlamentarischen-Medien Komplex – ein Handout für Interessierte Menschen, die um die wirtschaftlichen, militärischen, geopolitischen, geheimdienstlichen, politischen Zusammenhänge der US-Kriegsführungen samt US-Kriegspropaganda mehr Bescheid wissen wollen :

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VIDEO: Der militärisch-industrielle Komplex, das kriegsdürstende Hydra Ungeheuer! Die Hauptursache der imperialen US-Kriege und der failed states made by US und der Kriegsflüchtlingsströme.

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Hier noch eine kurzes Video zur Erklärung der Grafik Gewaltspirale der US-Kriege

https://www.youtube.com/watch?v=1PnxD9Z7DBs

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