TTIP – Reportage im Ersten: Konzerne klagen – Wir zahlen!!! Wie Schiedsgerichte den Rechtsstaat und die Demokratie aushebeln. 3sat

Finanzmarkt- und Konzernmacht-Zeitalter der Plutokratie unterstützt von der Mediakratie in den Lobbykraturen der Geld-regiert-Regierungen in Europa, Innsbruck am 20.02.2016

Liebe® Blogleser_in,

Bewusstheit, Liebe und Friede sei mit uns allen und ein gesundes sinnerfülltes Leben wünsch ich ebenfalls. 

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Ob Justitia damit einverstanden wäre, wenn Deutschland wegen des Atomausstiegs 4,7 Milliarden Euro Schadensersatz an Vattenfall zahlen müsste?
Konzerne klagen – Wir zahlen
Wie Schiedsgerichte den Rechtsstaat aushebeln
 
Öffentlich, Unabhängig und an die Auslegung des Gesetes gebunden: Das sind die drei elementaren Grundsätze der Justiz. Doch wie lange noch? Private Schiedsgerichte sind auf dem Vormarsch. Sie tagen oft geheim, sie sind mit privat wirtschaftenden Anwälten als Richtern besetzt und sie können sich aussuchen welche Rechtsnormen sie anwenden. Ein Skandal, so sehen es Verfassungsexperten wie Prof. Siegfried Bross, ein ehemaliger Bundesrichter: „Schiedsgerichte stehen mit der Verfassung in Widerspruch.“
Doch was sind diese Schiedsgerichte? Erfunden wurden sie im Rahmen internationaler Verträge, um die Auslandsinvestitionen einer Firma vor der staatlichen Willkür zu schützen.
Schutz vor Willkür in Schwellenländern
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Spanien kürzte die Subventionen für Solarkraftwerke. Derzeit klagen 20 Konzerne auf Schadensersatz.
Gerade undemokratische Entwicklungs- und Schwellenländer haben ein Rechtssystem, das ausländische Firmen nicht schützen kann. Doch inzwischen sind Schiedsgerichte auch in Europa und Nordamerika eine Art Schattenjustiz im Namen des Geldes, vorbei an rechtsstaatlichen Grundsätzen und oft dem Wohl der Allgemeinheit entgegengesetzt – sagen die Kritiker.
Beispiel: Investorenschutz vs. Gesundheitsschutz

Das kanadisch Parlament verbot im Juni 1997 einen Zusatzstoff für Benzin, der im Verdacht steht, die Gesundheit und das Nervensystem von Menschen zu schädigen. Die US-Firma Afton Chemical verklagte daraufhin den kanadischen Staat auf 251 Millionen Dollar Entschädigung für die „indirekte Enteignung“. Grundlage war der Vertrag über das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta). Dort ist festgeschrieben, dass die Investoren vor einem privaten Schiedsgericht klagen können, wenn ihre Investitionen beeinträchtigt werden. In einem Vergleich einigten sich Kanada und die Firma auf eine Entschädigung von 13 Millionen Dollar. Das Gesetz über das Verbot des Benzinzusatzstoffes wurde auch aufgehoben.

300 Mio. Dollar Schadenersatz für nichts?
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Zwei Fischer haben mit ihrer Bürgerinitiative den Bau eines Steinbruchs durch ein amerikanisches Unternehmen verhindert.
Kanada ist in Sachen Schiedsgerichte leidgeprüft: Mitte März 2015 wurde der Staat von einem Schiedsgericht zu der Zahlung von 300 Millionen Dollar Schadenersatz verurteilt. Der US-Bergbaukonzern Bilcon hatte seit den 1940er Jahren viele Schürfrechte in Kanada inne. 2002 wollte er einen neuen Abbaustandort auf Nova Scotia mitten in einem idyllischen Naturschutzgebiet erschließen. Ein Steinbruch für Basalt samt Hafenterminal zum Abtransport waren geplant. Der unmittelbare Anlass der Klage bestand in einer negativen Umweltverträglichkeitsprüfung.

 

 

Besonders empörend fanden die Kanadier, dass von dem Schiedsgericht die Ansprüche der Firma auf entgangenen Gewinn berücksichtigt wurden, aber die Eingaben Bevölkerung von Nova Scotia keine Rolle spielten. Sie hatten darauf verwiesen, dass Bergbau und Hafen erhebliche Einbußen bei Fischfang und Tourismus brächten. Kanada musste 300 Millionen Dollar Schadenersatz zahlen, obwohl das Unternehmen noch keinen Cent in die Entwicklung des Projekts gesteckt hatte.

Auch Tabakkonzerne klagen gerne
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Die Australischen Zigarettenpackungen tragen abschreckende Bilder. Philip Morris klagte dagegen vor einem Schiedsgericht.

Berühmt sind auch die Klagen aus dem Jahr 2011 von Philip Morris gegen Australien in Sachen Nichtraucherschutz. Der Tabakkonzern verlangte mehreren Milliarden Dollar, da die australische Regierung angeordnet hatte, dass Zigaretten nur noch in Packungen mit Warnhinweisen und ohne Markenlogo verkauft werden dürfen. Das Verfahren scheiterte aus formalen Gründen. Auch Uruguay wurde von der Zigarettenindustrie verklagt, weil es Warnhinweise auf Packungen hatte drucken lassen. Erreicht wurde, dass die Warnhinweise nun deutlich kleiner ausfallen als geplant.

 

Auch Deutschland wurde schon vor dem Weltbank-Schiedsgericht in Washington verklagt. Der Stromerzeuger Vattenfall erreichte mit dem Verfahren das die Umweltauflagen der Hamburger schwarz-grünen Regierung gelockert wurden.

4,7 Mrd. Euro Schadenersatz für Atomausstieg
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Der Atomausstieg könnte noch teurer werden. 4,7 Milliarden Euro will Vattenfall von Deutschland.

In Sachen Atomausstieg ist ein weiteres Verfahren von Vattenfall anhängig. Es geht um eine Forderung von 4,7 Milliarden Euro wegen des Atomausstiegs. Die Firma „Lone Pine Resources“ verklagte wiederum Kanada auf 250 Millionen Dollar Schadenersatz, weil die kanadische Provinz Québec ein Fracking-Moratorium erlassen hatte. Das in Frankreich ansässige Unternehmen „Veolia“ verklagte den Ägyptischen Staat, weil dieser 2011 den Mindestlohn für Arbeitnehmer erhöht hatte auf 72 Euro – monatlich versteht sich.

 

 

Weil die spanische Regierung unter dem Druck der Sparvorgaben der EU die Subventionen für Solarkraftwerke kürzte, klagen derzeit allein 20 Konzerne gegen das ohnehin krisengeschüttelte Land. Auch deutsche Firmen sind dabei. Und auch solche, die noch investierten, als die Subventionen bereits schrittweise gekürzt waren. Für José‑Maria Beneyto, Rechtsprofessor und Abgeordneter der Regierungspartei Partido Popular, ist der Fall klar: „Es gibt Firmen, die nur deshalb in Spanien investiert haben, um jetzt gegen uns zu klagen. Das ganze System ist pervertiert.“

Abhängig, intransparent und teuer?

Ein weiteres Problem an diesen Verfahren: Nicht Richter führen die Verhandlungen, sondern normale Anwälte fungieren in der Rolle des Richters. Es kann zulässig sein, dass ein und dieselbe Person in einem Verfahren als Schiedsrichter fungiert und in anderen Verfahren parallel als Anwalt einer Partei. Interessenkonflikte sind da vorprogrammiert. Anrufen kann das Schiedsgericht nur die Wirtschaft; Staaten sind nicht klagebefugt und die Verhandlungen sind in der überwiegenden Zahl nichtöffentlich und damit intransparent. Gegen Schiedsgerichtsentscheidungen ist keine Berufung möglich, obwohl sie „nur“ private Institutionen sind.

 

Die Auswahl der Normen und Gesetze, an die sich die Schiedsgerichte halten, obliegt – vereinfacht gesagt – dem Gericht. Ein Umstand der die Rechtssicherheit der Beklagten erheblich einschränkt. Bei einem durchschnittlichen Stundensatz von 1000 Dollar pro Schiedsrichter sind die Verfahren auch keineswegs kostengünstig.

Geschäftsmodell Schiedsgericht?
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„Gewinner der Schiedsgerichte sind die großen internationalen Konzerne“, sagt der Juraprofessor Gus van Harten.
Längst ist aus dem Verfahren vor den „Gerichten“ ein Geschäftsmodell geworden. „Es ist eine Goldgrube für die Justizindustrie, die um diese Abkommen herum wächst“, sagt Gus van Harten, kanadischer Rechtswissenschaftler aus Toronto, „und die Öffentlichkeit muss zahlen.“ Die Zahl der Klagen von Konzernen gegen Staaten ist seit Anfang der 1990er Jahre von null auf über 600 Fälle angestiegen – Tendenz steigend. Die Anwälte verdienen tausende Euro pro Stunde, die Kanzleien scheffeln bis zu 30 Millionen Euro pro Klage. Sogar Hedgefonds und Versicherer investieren in diesen Wachstumsmarkt der Schiedsgeichtsverfahren. Burford, Amerikas größter Prozess-Finanzierer konnte seinen Gewinn 2011 verneunfachen. Beim britischen Wettbewerber Juridica stieg der Gewinn um 578 Prozent.

 

Die Chefin der zur Weltbank gehörende Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) in Washington, Meg Kinnear, wies in der Zeitschrift „Capital“ jüngst alle Vorwürfe zurück: „Es gibt eine Menge falscher Vorstellungen, was wir hier eigentlich machen. Das Ganze ist sehr aufwändig und fair“, sagte Kinnear dem Interview. Die Kritik, die Schiedsgerichte seien „eine Veranstaltung, um Geld zu machen“, sei ungerechtfertigt. Keines der Gerichte entscheide darüber, ob „eine bestimmte Politik gut oder schlecht ist“.

Ein Verfahren kostet durchschnittlich 8 Mio. Euro
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Bernd Lange, Gegner der ausufernden Verfahren vor Schiedsgerichten

Anderer Meinung ist der deutsche Europaabgeordneter der SPD, Bernd Lange: „Ich finde, wenn man sich die Entwicklung der letzten Jahre anguckt, (…) dass das im Grunde genommen Geschäftsmodell für Anwaltskanzleien geworden ist.“ Lange ist auch Vorsitzender des Ausschusses für Internationalen Handel und Kenner der Materie: „Das machen die (Kanzleien oder Firmen) ganz offen, dass sie auf Länder zugehen, aktiv Prozesse anzetteln und Kunden akquirieren, quasi auch die Vorfinanzierung von Prozessen mitanpacken, weil das ein lukratives Geschäft geworden ist. Wenn man sich die Fälle anguckt, dann sind es nur Großkonzerne, die versuchen dort Gewinne zu erzielen. Ein durchschnittliches Verfahren kostet acht Millionen, die Anwaltskanzleien haben Stundensätze von 1000 Euro.“

ICC, ICSID, SCC?

Auch in dem Umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP sind Schiedsgerichte vorgesehen, allerdings (soweit das zu ersehen ist) in veränderter Form. Neben dem Washingtoner ICSID existieren noch eine Reihe weiterer Schiedsgerichte, zum Beispiel angegliedert an die Handelskammer Stockholm (SCC) und an die Internationale Handelskammer (ICC) in Paris. Welche Institution für TTIP urteilen wird, steht noch nicht fest.

Viele Experten sehen die Schiedsgerichte als große Gefahr. Kein anderes Land hat in so vielen Verträgen private Schiedsgerichte zugelassen wie Deutschland. Mit welchen Folgen? Das Fragt der Film „Konzerne klagen – Wir zahlen“, den Sie am Freitag, 19. Februar 2016, 20.15 Uhr Sehen können.

Autor Michael Wech geht in der Dokumentation konkreten Fällen nach und stellt fest: Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt ist rund um die Schiedsgerichtsverfahren eine boomende, private Justizindustrie entstanden. Schiedsgerichte sind längst zu einem Geschäftsmodell geworden, bei dem die Konzerne die Gewinner sind – und souveräne Staaten und deren Bürger die Verlierer.

Petra Pinzle: „Der Unfreihandel – Die heimliche Herrschaft von Konzernen und Kanzleien“ Rowohlt (288 Seiten, 12,99 Euro)

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http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/02/20/ttip-wird-klage-welle-gegen-staaten-in-europa-ausloesen/

TTIP wird Klage-Welle gegen Staaten in Europa auslösen

Staaten erkennen Risiken immer erst, wenn sie verklagt werden – und dann ist es meist zu spät, um das Unheil abzuwenden: Der Investorenschutz im TTIP wird nach Einschätzung von Pia Eberhardt von Corporate Europe Observatory zu enormen Kosten für die europäischen Steuerzahler führen. Es handelt sich um einen Einbahnstraßen-Gerechtigkeit zugunsten der internationalen Konzerne. 

Iustitia im Amtsgericht Hannover. (Foto: dpa)

Iustitia im Amtsgericht Hannover. (Foto: dpa)

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Frau Eberhardt, die aktuellen Daten der UNCTAD zeigen: Im Jahr 1995 gab es gerade einmal drei Investor-Staat-Klagen. Allein 2015 sind 70 neue Klagen eingereicht worden, so viele wie nie zuvor. Insgesamt wissen wir von fast 700 Klagen weltweit. Das ist ein großer Sprung. Spielt die zunehmende Internationalisierung der Unternehmen für diese Entwicklung eine wichtige Rolle oder sind die Unternehmen einfach nur mutiger geworden?

Pia Eberhardt: Im Wesentlichen gibt es für den Anstieg der Klagen zwei Erklärungen. Erstens ist das System in der Unternehmenswelt bekannter geworden. Sie wissen, dass sich damit von Umweltgesetzen bis zu gesundheitspolitischen Maßnahmen so ziemlich alles angreifen lässt. Und, dass das System finanziell lukrativ ist. Zweitens sind Investor-Staat-Klagen mittlerweile ein eigenes Geschäftsfeld geworden. Kanzleien, SchiedsrichterInnen und Prozessfinanzierer verdienen damit sehr viel Geld und heizen die Maschine weiter an, indem sie Unternehmen ermuntern, zu klagen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Teilweise werden bei internationalen Schiedsgerichten schon heute Schadensersatzforderungen in Milliardenhöhe gewährt. TransCanada hat beispielsweise nach dem Nein der US-Regierung zum Pipeline-Projekt Keystone XL eine Klage mit einer Forderung in Höhe von 15 Milliarden Dollar angekündigt. Wie kommen solch hohe Summen zusammen?

Pia Eberhardt: TransCanada hat bisher nur etwa 2,4 Milliarden US-Dollar tatsächlich investiert. Der Rest sind verlorene zukünftige Gewinne, für die der Konzern entschädigt werden möchte. Das ist in Investor-Staat-Klagen üblich – und oft sprechen Schiedsgerichte tatsächlich Schadenersatz für solche entgangenen, hypothetisch in der Zukunft erwirtschafteten Gewinne zu. Auf Basis des aktuellen EU-Vorschlags wäre das ebenfalls möglich.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die EU hat statt dem heiß debattierten Investorenschutz-Mechanismus ISDS nun das “Investment Court System“ vorgeschlagen. Lassen sich damit solche Klagen verhindern?

Pia Eberhart (l.) und Peter Fuchs von Powershift. (Foto: DMN)

Pia Eberhart (l.) und Peter Fuchs von Powershift. (Foto: DWN)

Pia Eberhardt: Nein. Klagen wie die von Vattenfall gegen Umweltauflagen beim Kohlekraftwerk in Moorburg, die des Tabakkonzerns Philip Morris gegen Nichtraucherschutzgesetze in Uruguay oder die angekündigte TransCanada Klage gegen die USA wären auf Basis des EU-Vorschlags genauso möglich. Der Grund dafür ist, dass der Vorschlag genau dieselben Investorenrechte enthält, auf die sich diese Konzerne auch in anderen Verträgen berufen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Schwächen des EU-Vorschlags zum eigenen Investorenschutz-Mechanismus?

Pia Eberhardt: Besonders gefährlich finde ich an dem Vorschlag, dass er mit Begriffen operiert, in die Menschen viel Vertrauen haben, also zum Beispiel mit Gerichten, Richtern, Unabhängigkeit. Hinter diesem Geschwafel von Rechtsstaatlichkeit verbirgt sich aber eben ein System, das eine der mächtigsten Akteursgruppen in unserer Gesellschaft – ausländische Investoren – aus der bestehenden Rechtsordnung herausnimmt, ihnen mehr Rechte gibt als allen anderen in unserer Gesellschaft, die sie vor einem für sie eigens eingerichteten Rechtssystem einklagen und weltweit vollstrecken können.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Gibt es auch positive Aspekte?

Pia Eberhardt: Positiv am EU-Vorschlag ist, dass die Verfahren transparenter werden, dass es einen Berufungsmechanismus geben wird und die Ernennung der Schiedsrichter verbessert wird. Das heißt, das Prozedere der Investor-Staat-Klagen wird verbessert. An den Gefahren für die Demokratie, für Politik im öffentlichen Interesse und öffentliche Haushalte ändert sich dadurch aber rein gar nichts. Die Klagen werden trotzdem kommen, sie werden sich gegen Umweltgesetze & Co. richten und zu hohen Schadenersatzzahlungen führen, die im Rahmen bestehender Rechtssysteme kaum vorstellbar wären.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wieso lässt sich die EU überhaupt darauf ein, das mit TTIP ein entsprechender, ganz spezifischer Investorenschutz vereinbart wird?

Pia Eberhardt: Die Generaldirektion Handel in der EU-Kommission und die Wirtschaftsministerien der Mitgliedstaaten der EU, die in dieser Sache federführend sind, vertreten im Wesentlichen die Interessen ihrer großen Unternehmen. Deren Spielraum im Ausland wird durch die Klagerechte massiv ausgeweitet. Es spielt aber auch eine Rolle, dass die Risiken des Systems weiterhin unterschätzt werden. In der Regel verstehen Staaten die Risiken erst, wenn sie verklagt werden – dann ist es aber zu spät.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie stark sind denn deutsche bzw. europäische Unternehmen bei internationalen Klagen vor Schiedsgerichten bisher vertreten?

Die Zahl der öffentlich gewordenen Fälle von Investor-Staat-Klagen ist in den vergangenen Jahren explodiert. (Grafik: Corporate Europe Observatory)

Die Zahl der öffentlich gewordenen Fälle von Investor-Staat-Klagen ist in den vergangenen Jahren explodiert. (Grafik: Corporate Europe Observatory)

Pia Eberhardt: Deutsche und europäische Unternehmen sind bei Investor-Staat-Klagen ganz vorne dabei. Nur amerikanische, niederländische und britische Investoren klagen häufiger als deutsche. Nimmt man Investoren aus allen EU-Staaten zusammen, so haben sie weltweit die meisten Investor-Staat-Klagen eingereicht. Übrigens verklagen sie so auch manchmal ihre eigenen Regierungen, indem sie ihre Investition clever über eine Briefkastenfirma oder andere Konstruktionen im Ausland strukturieren. So haben zum Beispiel die rumänischen Micula-Brüder die rumänische Regierung über eine Konstruktion in Schweden verklagt – und zwar deshalb, weil die rumänische Regierungen Subventionen zurückgenommen hat, wozu sie wiederum von der EU verpflichtet wurde. Die EU-Kommission hat mehrmals erfolglos in die Klage interveniert – Rumänien hat trotzdem verloren, obwohl es einfach nur EU-Recht umgesetzt hat. Eine von vielen Klagen, die die Perversion des Systems zeigt – die europäische Unternehmen genauso nutzen wie andere.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: 15 Personen sollen im Vorschlag der EU zum Investorenschutz zukünftig als Schiedsrichter in Verfahren zur Verfügung stehen, jeweils drei werden pro Fall aus diesen ausgewählt. Die EU spricht von absoluter Unabhängigkeit, die so gewährt sei. Können Sie das bestätigen?

Pia Eberhardt: Nein. Die Schiedsrichter werden weiterhin mit lukrativen 3.000 US-Dollar am Tag bezahlt. In einem System, in dem nur eine Seite klagen kann, nämlich der Investor, ist das ein großer Anreiz, zugunsten des Investors zu entscheiden. Denn das bedeutet mehr Verfahren, mehr Einkommen und Macht in der Zukunft. Auch der deutsche Richterbund hat unter anderem deshalb Bedenken an der Unabhängigkeit der so genannten Richter geäußert – und klargestellt, dass es sich beim EU-Vorschlag eigentlich nicht um ein Gericht, sondern um ein permanentes Schiedsgericht handelt.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie wahrscheinlich ist es Ihrer Meinung nach, dass Unternehmen eher von solchen Schiedsgerichten profitieren als Staaten?

Pia Eberhardt: Staaten können in dem System nur verlieren. Sie bekommen nur Pflichten auferlegt – können aber Investoren nicht verklagen, wenn sie beispielsweise Menschenrechtsverletzungen begehen oder die Umwelt verpesten. Gewinnen können tatsächlich nur Investoren. Denn nur sie bekommen weitreichende, einklagbare Rechte.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: In Osteuropa gibt es Investitionsabkommen mit den USA, die extrem investorenfreundlich ausgestaltet sind. Wäre ein reformierter Investitionsschutz im TTIP, der diese Abkommen ersetzen würde, nicht eine Verbesserung?

Pia Eberhardt: Die bestehenden neun existierenden bilateralen Investitionsabkommen osteuropäischer Staaten mit den USA können einseitig aufgekündigt werden. Wenn es mit diesen Verträgen Probleme gibt, gehören sie gekündigt – oder neu verhandelt. Stattdessen missbraucht die Kommission diese Abkommen, um eine massive Ausweitung des Investitionsschutzes zu legitimieren. Statt neun Staaten könnten unter TTIP alle 28 Staaten direkt verklagt werden. Statt ein Prozent der US-Investitionen in der EU wären 100 Prozent abgedeckt. Und über 50.000 Unternehmen könnten gegen die EU und ihre Mitgliedstaaten klagen – verglichen mit 4.500 heute. TTIP bedeutet also nichts anderes als viel größere Klage- und finanzielle Risiken für viel mehr EU-Mitgliedstaaten.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sind die Schiedsgerichte, die es heute gibt, und das Investment Court System, das uns eventuell mit TTIP droht, am Ende lukrativer als erfolgreiche Lobbyarbeit?

Pia Eberhardt: Beides greift ineinander. Die Schiedsgerichte eignen sich ja auch als Lobbyinstrument – Konzerne nutzen schon heute Klagedrohungen, um Politik zu bekämpfen. Und TTIP enthält mit der regulatorischen Kooperation noch weitere Kapitel, die Unternehmen mehr Waffen in der politischen Auseinandersetzung an die Hand geben. TTIP stärkt die Macht von Unternehmen in politischen Auseinandersetzungen um Regulierungen, die letztendlich alle betreffen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Langfristig ist ein internationales Schiedsgericht geplant, das für alle Konzerne und Länder zuständig ist. Was halten Sie von dieser Idee?

Pia Eberhardt: Gar nichts. Letztendlich wäre das ein Gerichtshof, zu dem nur Konzerne und reiche Privatpersonen Zugang hätten, auf Basis eines materiellen Rechts, das allein ihre Eigentumsrechte und Gewinnerwartungen schützt. Aber gibt es nicht auch noch andere schützenswerte gesellschaftliche Interessen? In Zeiten einer drohenden globalen Klimakatastrophe und drohenden weiteren Finanzkrisen ist die Ausweitung eines Systems, das Lösungsansätze dieser Probleme vereitelt, weil dadurch Unternehmensgewinne geschmälert würden, völliger Wahnsinn.

Pia Eberhardt ist die Mitautorin der aktuellen Studie „Investitionsschutz in TTIP: Die EU-Kommission lässt gefährliche Konzernklagerechte als ISDS-Zombie weiterleben“. Pia Eberhardt arbeitet für die NGO Corporate Europe Observatory.

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Aus dem per ÖVP-Amtsmissbräuche offenkundig verfassungswidrig agrar-ausgeraubten Tirol, vom friedlichen Widerstand, Klaus Schreiner

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“Wer behauptet, man braucht keine Privatsphäre, weil man nichts zu verbergen hat, kann gleich sagen man braucht keine Redefreiheit weil man selbst nichts zu sagen hat.” Edward Snowden.

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