Artikel der Monatszeitschrift die Krähe mit dem Titel:Black Box Königswarte Die österreichische Abhörstation Königswarte ist Teil des weltumspannenden Spionagenetzwerks des amerikanischen Geheimdienstes NSA. Aber warum eigentlich und was passiert mit den abgehörten Daten? … Klaus Schreiner

Textliche Übernahme eines Artikels aus der neuen Monatszeitschrift die Krähe, auf jeder Feder ein Auge. 2. Ausgabe Jänner 2023.

Black Box Königswarte
Die österreichische Abhörstation Königswarte ist Teil des weltumspannenden Spionagenetzwerks des amerikanischen Geheimdienstes NSA. Aber warum eigentlich und was passiert mit den abgehörten Daten?
Mit einem lauten Wumms platzt ein roter Farbbeutel auf der riesigen Satellitenschüssel. Vom linken Bildrand des Videos sieht man sofort einen zweiten Farbbeutel in dieselbe Richtung fliegen und wieder mit einem Wumms platzen. Als wäre es eine einstudierte Choreografie öffnet sich sofort ein kleines Fenster im Gebäude hinter der Sat-Schüssel und ein Mann schreit heraus. „Hearn´s sofort auf, sonst kummt die Polizei!“ „Ja, soll sie kommen“, antwortet Klaus Schreiner ruhig und fährt unbeirrt mit seiner Aktion fort. Er hängt Plakate an den Zaun, beendet die Aufnahme und stellt das Video nachher ins Internet. Die Polizei ist ihm egal, rechtliche Konsequenzen sind im egal, das Geld, das ihn das alles kosten wird, egal.

Das Einzige, was für den heute 53-jährigen Tiroler an diesem Nationalfeiertag im Jahr 2020 zählt, ist öffentliche Aufmerksamkeit für sein Anliegen. Er ist überzeugt davon, dass die Abhörstation Königswarte, die dem österreichischen Bundesheer gehört und vom Heeresnachrichtenamt (HNA) betrieben wird, Daten an die USA liefert, die das Imperium für den „Krieg gegen den Terror“ braucht. Der wird laut Whistleblowern der US-Armee inzwischen zu einem großen Teil mit bewaffneten Drohnen geführt. Seit Schreiner vor einigen Jahren für sich diese Feststellung gemacht hat, schreibt er im Stakkato offene Briefe an Medien und Behörden, Minister und leitende Beamte, über 10.000 Seiten, wie er der „Krähe“ erzählt. „Ich bin die größte Nervensäge von ganz Österreich“, sagt er bei einem Telefongespräch. Weil er mit all den Briefen kein Gehör fand, sah er sich zu der Farbbeutel-Aktion bei der Königswarte genötigt, berichtet er.
Bis zu den Enthüllungen des amerikanischen Whistleblowers Edward Snowden im Jahr 2013 waren die Hintergründe der Abhörstation Königswarte wohl den wenigsten bekannt. Sie ist vor allem ein beliebtes Ausflugsziel. Direkt hinter der militärischen Anlage befindet sich ein Aussichtsturm, vom dem aus man die ganze militärische Sperrzone genau betrachten kann. Das sei weltweit einzigartig, so ORF-Journalist Erich Möchel. Er hat viele technische Details zur Königswarte recherchiert.
Auf der Infotafel des Aussichtsturms steht unter anderem geschrieben, dass die Königswarte im Volksmund „Wetterstation“ genannt wird. Dem Bundesheer dürfte der Euphemismus entgegenkommen. Denn sprechen will man über das Thema nicht, obwohl das wegen rechtlicher Fragen zur österreichischen Neutralität dringend geboten wäre. Durch Edward Snowden sah sich das Verteidigungsministerium 2013 gezwungen, Stellung zu beziehen. Snowden, der das weltweite Spionagenetzwerk des amerikanischen Geheimdienstes NSA (National Securtiy Agency) auffliegen ließ, enthüllte damals auch, dass Österreich ein sogenannter TIER-B-Partner ist. Diese kooperieren mit den NSA, werden aber auch selbst ausspioniert. Österreich wird in den Snowden-Dokumenten als 2approved SIGINT-Partner“ bezeichnet. SIGINT steht für „Signal Intelligence“ und ist ein Sammelbegriff für Fernmelde- und elektronische Aufklärung. Im Jahr 2013 hat das großen Wirbel in Österreich ausgelöst.
Die Staatsanwaltschaft Wien begann zu ermitteln. „Geheimer Nachrichtendienst zum Nachteil Österreichs“, „militärischer Nachrichtendienst für einen fremden Staat“ und „verbotene Unterstützung von Parteien bewaffneter Konflikte“, lauteten damals die Verdachtsmomente. Doch die Ermittlungen wurden 2016 eingestellt, weil sich nichts davon erhärtet hätte, teilte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Nina Bussek auf Anfrage der „Krähe“ mit. „Es gäbe den Verdacht, dass es illegale Abhörstationen gibt. Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft drei Standorte untersucht und festgestellt, dass es keine illegalen Abhörstationen gibt“, erklärt Bussek am Telefon. Welche drei Standorte untersucht wurden, darf die Sprecherin nicht bekannt geben.
Verletzung der Neutralität
Auch die Medien begannen damals, Fragen zur Königswarte zu stellen. 1958 wurde die Anlage von den Amerikanern errichtet, um den Ostblock auszuhorchen, wie die Tageszeitung „Der Standard“ berichtete. Seitdem wurde die Anlage beständig erneuert. „Die Presse“ schrieb, dass das Heeresnachrichtenamt mit der NSA im Kalten Krieg einen Vertrag abgeschlossen hat. Nach den Terroranschlägen vom 11. September soll dieser Vertrag erneuert worden sein. Der Inhalt ist geheim. Dennoch räumte das Verteidigungsministerium damals ein, Daten mit der NSA auszutauschen, allerdings keine Daten von Österreich.
Laut dem Verfassungsjuristen Bernd-Christian Funk ist das alles höchst bedenklich in Bezug auf die Neutralität Österreichs. Die Königswarte „ist zwar kein klassischer Militärstützpunkt, aber darauf kommt es nicht an. Es ist entscheidend, inwieweit Österreich hier selbstbestimmt und selbstverantwortlich sein kann. Wenn die USA wesentlicher Nutznießer ist und anschafft, dann wäre das sehr problematisch“ erklärt Funk gegenüber der „Krähe“. Welche Daten sammelt die Königswarte und was passiert mit ihnen?
Als Klaus Schreiner nach seiner Aktion abzieht, passiert einige Tage nichts, bis der Verfassungsschutz vor seiner Tür steht und er schließlich wegen schwerer Sachbeschädigung angeklagt und verurteilt wird. 9.500 Euro Schadenersatz muss er bezahlen, weil er kritische Infrastruktur verunstaltet hat, so das Urteil. Zu seinem Prozess wurde auch eine Beamtin des Heeresnachrichtenamtes als Zeugin geladen. Ihre Aussagen sind in Bezug auf die Tätigkeiten der Königswarte interessant. „die inkriminierte Satellitenschüssel, die eine eigenen Frequenz abdeckte, sei die einzige in Richtung Süden ausgerichtet und empfange militärisch relevante Daten wie beispielsweise von Terrororganisationen, dem IS, IS-zellen und Bewegungen derselben. Die Daten seien für die militärische Sicherheit erforderlich. Unter anderen würden auch Daten abgefangen werden, die an österreichische Truppen im Ausland weitergeleitet werden würden und diese vor allfälligen Anschlägen warnen sollten“, wird die Beamtin in Schreiners Urteil zitiert.
Auf der Webseite des österreichischen Bundesheeres ist zu sehen, in welchen Ländern österreichischen Soldaten stationiert sind. Zahlenmäßig die meisten befinden sich jeweils in Bosnien-Herzegowina (284), im Kosovo (304) und Libanon (172). Einige wenige Soldaten in Zypern, Moldawien und in afrikanischen Ländern stationiert. Laut dem General im Ruhestand, Günther Greindl, der selbst am Golan im Einsatz war, kamen die Informationen über mögliche Bedrohungen beziehungsweise Lageberichte NIE von Österreich. „Also ich habe das immer von der UNO bekommen damals und die kann es nur von den Amerikanern haben“, erklärt Greindl. Im Kosovo würden die Österreicher die Lageberichte wohl von der NATO bekommen, vermutet Greindl. All die anderen Soldaten, die verstreut in Afrika und Zypern stationiert sind, bräuchten nach Einschätzung Greindls wohl keine Lageberichte, weil das unbewaffnete Beobachter seien.
Klaus Schreiner berichtet, dass die Heeresnachrichtenbeamtin auch ausgesagt hätte, dass die abgefangen Date nicht gespeichert und direkt an die Amerikaner weitergeleitet würden. Ein Widerspruch zu ihrer oben zitierten Aussage. Diese wurde nicht protokolliert, aber sie deckt sich mit den offiziellen Stellungsnahmen, die über das Thema „Königswarte“ gemacht werden. In dem Buch „Österreichs Geheimdienste“ von Thomas Riegler zitiert der Autor den ehemaligen Direktor des Bundesamtes für Verfassungsschutzes und Terrorismusbekämpfung Gert-René Polli. Die Königswarte ähnle eher einer Black Box: „Es sind allenfalls die Abfallsprodukte der Kommunikationsüberwachung, die dem österreichischen Dienst zur Verfügung gestellt werden. Eigene Selektoren werden zwar mit eingespeist, es fehlen jedoch die technischen und analytischen Kompetenzen, diese auszuwerten.“ Weder die Bundesregierung noch die Betreiber der Abhöreinrichtung seien darüber informiert, „welche Rohdaten über das System gesammelt und an die NSA weitergeleitet werden, und auch nicht, ob dies gegen österreichisches Recht verstößt.“
Laut Erich Möchel zapft die Königswarte geostationäre Kommunikationssatelliten an. Geostationär heißt, dass diese Satelliten an einem Punkt genau über dem Äquator fixiert sind und sich dort in der Umlaufbahn der Erde mitdrehen. „Wenn die Antennen der Königswarte zu Empfangszwecken verwendet werden, dann können diese Satelittensignale empfangen. Für den Menschen sind diese Signale bestenfalls nur als Rauschen hörbar. Diese Signale müssen demoduliert und wahrscheinlich mit einem Code decodiert werden. Wenn man diesen Code hat, dann kann man bei Sprachverbindungen wirklich mithören, was gesprochen wird“, erklärt Herbert Koblmiller, gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Satellitensysteme und Abhöreinrichtungen. Möchel vermutet, dass von der Königswarte Metadaten abgehört werden. In Entwicklungsländern, wo es kaum Glasfasernetze gibt, findet die Internetkommunikation über Satelliten statt. „Unter Metadaten kann man zu Beispiel verstehen, wer mit wem telefonischen Kontakt oder Datenverkehr hat, auch IP-Adressen“, präzitiert Koblmiller. „Die Krähe“ hat Koblmiller gebeten sich anzusehen, welche Satelliten die Königswarte anpeilen könnte. Für ihn sind das zum Beispiel Satelliten, die über dem Äquator hintereinander liegen und von Afrika über den Nahen Osten, Zentralasien, Russland bis hin zu Indien und Pakistan de facto die gesamte Satellitenkommunikation abdecken (siehe Foto)
Das Abhören und Entschlüsseln der Funksignale ist laut Koblmiller technisch komplex und aufwändig. Die Königswarte ist nach Möchel auch Teil des US-Echolon-Systems, ein weiteres weltumspannendes Spionage-System der NSA, das zum Abhören internationaler Kommunikationssatelliten dient.
Metadaten für den Drohnenkrieg?
„Ich solle durch geheime Signalerfassung Ziele aufspüren. Stationiert war ich in Fort Mead, dem Hauptsitz der NSA. Ich hatte eine Sicherheitsfreigabe für die NSA. Die NSA ist der Geheimdienst, der für geheime Signalerfassung zuständig ist (SIGNIT, Anm.) Mir war klar, dass ich im Ausland bei der elektronischen Überwachung eingesetzt würde, dass ich dazu in die in einer Drohne installierte Technik nutzen würde“, erzählt der Whistleblower Daniel Hale in der Dokumentation „National Bird“ von Sonia Kennebeck. Im Jahr 2016 wagten einige Soldaten, die für das Drohnenmordprogramm der USA gearbeitet hatten, den Schritt in die Öffentlichkeit.
In der Dokumentation sprechen sie über ein System, das sich über internationale Gesetzgebungen hinwegsetzt, um vermeintliche Terroristen auszuschalten und dabei hauptsächlich unschuldige Zivilisten trifft. Seit der Ausrufung des „Krieg gegen den Terror“ nach den Anschlägen vom 11. September ist viel über den Irak- und Afghanistankrieg der USA und seiner Verbündeten berichtet worden. Die außergerichtlichen Ermordung von Verdächtigten durch bewaffnete Drohnen fand dabei weniger Beachtung. Inzwischen gilt es als gesichert, dass die amerikanische Luftwaffenbasis im deutschen Ramstein dein Hauptknotenpunkt ist, über den Drohnenangriffe abgewickelt werden. Aber welche Rolle spielen dabei all die anderen Partner der NSA und vor allem Österreich mit der Königswarte?
Bereits im Jahr 2014 erklärte der ehemalige NSA- und CIA-Chef Michael Hyden: „Wir töten auf Basis von Metadaten“. Lisa Ling und Cian Westmoreland, zwei ehemalige Drohnentechniker, sprachen in diesem Jahr auf einer Konferenz in Berlin über die „Kill Cloud“, wie sie das ausgeklügelte Datensystem des amerikanischen Militärs nennen, das notwendig ist, um die Drohnen mit Daten zu bestücken. „Im Jahr 2009 wurde mir der Nutzen von kommerziellen Kommunikationssatelliten bewusst, die für die Drohnen benutzt werden, wegen der limitierten Bandbreite der militärischen Satelliten“, erzählt Westmoreland in seinem Kurzvortrag. Und Lisa Ling führt weiter aus: „Dieses Unternehmen, diese „Kill Cloud“, wie wir sie nennen, verbindet Sensoren und Waffenplattformen (Drohnen) mit einem global verteilten Netzwerk von Geräten, Software und einer Masse von anderen Knotenpunkten über Satelliten, Kabel und digitale Kommunikationsverbindungen.“ Alle Zweigstellen des amerikanischen Militärs, unterstützende Behörden und Koalitionspartner würden täglich auf dieses Netzwerk zugreifen und es auch bearbeiten bzw. beziehungsweise zu befüllen, meint Ling. „Das ist es, wenn wir von netzwerkbasierter Kriegsführung sprechen. Ein Mittel, um bewaffneten Konflikt zu koordinieren, der auf verteilte Netzwerke angewiesen ist, um ungestraft töten zu können.“ Ist Österreich mit seiner Königswarte auch Teil dieser „Kill Cloud“?
Laut dem Ex-BVT-Chef wissen wir weder, was für Daten die Königswarte sammelt, noch was damit passiert, nach profitieren wir in irgendeiner Weise davon. Es existiert ein Geheimvertrag mit der NSA, der direkt nach dem 11. September erneuert worden sein soll. Nach den Aussagen des Verfassungsjuristen Bernd-Christian Funk sollte das für eine parlamentarische Anfrage und eine juristische Aufarbeitung ausreichen. Wegen des jahrzehntelangen Bruches der Neutralität durch das Betreiben der Königswarte könnte hier zum Beispiel auch ein Impuls von außen, zum Beispiel durch Russland als Signatarmach des österreichischen Staatsvertrages kommen, so die Einschätzung des Verfassungsexperten.
„Die Krähe“ hat auf die Frage, wie das Verteidigungsministerium sicherstellt, dass die Daten der Königswarte nicht für den US-amerikanischen Drohnenkrieg verwendet werden, von seinem Sprecher Michael Bauer folgende Antwort erhalten: „Vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich bedauere, dass ich Details zu Tätigkeiten der Nachrichtendienste des Bundesheeres nicht beantworten kann.“

In einem weiteren Bericht des „Standard“ über eine Demonstration der „Soldaten für Neutralität“ wird Bauer zum Thema mit folgenden Worten zitiert: „Das Bundesheer habe „eine klare und eindeutige Haltung zur Neutralität; diese beruht auf der Verfassung und den Gesetzen.“

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