Fehlendes menschliches Empathiverhalten – und systematische Verantwortungslosigkeit

Finanzmarkt- und Konzernmacht-Zeitalter der Plutokratie unterstützt von der Mediakratie in den Lobbykraturen der Geld-regiert-Regierungen in Europa, Innsbruck, 2014-02-09

Liebe BlogleserIn, 

hier zwei gute Artikel über menschliches Empathieverhalten bzw. fehlendes menschliches Empathieverhalten:

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Angst. Qual. Tod http://www.zeit.de/2014/06/ethik-tiere-rechte

Warum ist Gewalt gegen Tiere erlaubt, wenn sie gegen Menschen verboten ist? Ein Plädoyer für ein Ende des Gemetzels. VON HILAL SEZGIN


Tierversuche mit einem Affen in Guangzhou, Südchina  |  © STR/AFP/Getty Images

Der Makakenaffe saß im Versuchsstuhl, der Experimentator griff nach einer Rosine und warf dabei einen Blick auf den Monitor, der die Hirnströme des Affen wiedergab. Die Neuronen des Affen feuerten, als hätte er selbst nach einer Rosine gegriffen. So haben italienische Forscher 1992 die Spiegelneuronen entdeckt: Sie „spiegeln“ Emotionen und Körperempfinden des einen Lebewesens in abgeschwächter Form bei einem anderen, und das oft sogar artübergreifend. Sie stehen gleichsam für den Ursprung der Empathie. Viele Philosophen und Anthropologen sehen in den Spiegelneuronen die biologische Grundlage der Moral.

Allerdings bliebe wohl zu erforschen, warum die Spiegelneuronen manchmal nicht feuern. Der Affe empfand, als hätte er selbst die Hand nach einer Rosine ausgestreckt. Aber wieso hat der Forscher nicht mitempfunden, wie es ist, in einem Affenstuhl fixiert zu sein?
Für solche Versuche wird die Schädelplatte der Affen geöffnet, werden ihnen Elektroden implantiert, und ein Bolzen wird am Schädel montiert. Meistens lässt man die Affen dursten, damit sie kooperieren, um einen Tropfen Saft zu erhalten. Kurzum, es kommt dem, was man folterähnliche Zustände nennen würde, ziemlich nahe; für die Wissenschaft ist es „Grundlagenforschung“. Und so zeigen uns viele solcher Versuche eben nicht nur, wie sich ein Tier einfühlen, sondern auch, wie sich ein Mensch der Einfühlung verschließen kann.

In munterem Ton berichten Zeitungen und Nachrichtensendungen von den qualvollsten Tierversuchen, die als Indiz für den Fortschritt gelten; unsere Biologiebücher legen stummes Zeugnis davon ab, was man Lebewesen alles angetan hat, um den „Geheimnissen des Lebens“ auf die Spur zu kommen. Gesichtslosen toten Tieren begegnen wir überall, ohne sie meist überhaupt als Tiere wieder(an)zuerkennen: im Supermarkt, bei der Grillparty, auf jedem Buffet. Solche Erfahrungen, Begegnungen und Bilder formen unser Verständnis davon, was Menschen sind, was Tiere sind und wie wir zueinander stehen. Von klein auf lernen wir, dass unsere Interessen mehr zählen als ihre; damit sie unseren Interessen dienen, muten wir ihnen Angst, Qual, Freiheitsverlust, Tod – schlechthin alles zu.

Doch wie sähe die Welt wohl aus der Sicht dieser Anderen aus? In welchem Licht erschiene unsere Gesellschaft, wenn wir sie zum Beispiel aus den Augen unserer Nutztiere betrachten könnten? Aus der Sicht der Hühner- und Putenküken, die mutterlos auf dem Betonboden sitzen und piepen; aus der Sicht der Kuh, der man das Kalb direkt nach der Geburt nimmt, weil der Mensch die Milch für sich abschöpfen will; aus der Sicht der Zuchtsauen, die in Besamungsständen (englisch oft: rape rack, Vergewaltigungsgestell) künstlich besamt werden und nach wenigen Jahren des Besamungs- und Gebärturnus mit Elektroschockern oder Kunststoffpaddeln auf die Transporter getrieben und zum Schlachthof gefahren werden?

Aus Sicht dieser Tiere erwartet sie fast überall, wo sie mit Menschen zusammentreffen, Gewalt.
Es ist eigentlich sonderbar, dass wir sie lange nicht so benannt haben. Wir sprechen von Gewalt gegen Menschen und Gewalt gegen Sachen; aber der Ausdruck „Gewalt gegen Tiere“ ist uns nicht geläufig. Das gewissermaßen außerplanmäßige Zufügen von Schmerz nennen wir Tierquälerei – aber was ist mit all den täglichen Verletzungen und Tötungen, zum Beispiel dem Schlachten? Das Zusammentreiben und physische Niederzwingen von Tieren, das Fixieren von Schweinen und Kühen zwecks Besamung – ist das etwa nicht Gewalt?

Wollen wir eine gewalttätige Gesellschaft sein?

Gewalt liegt definitionsgemäß vor, wo physische Verletzungen oder Schädigungen (willentlich) angerichtet werden. Daraus folgt gemäß einem Eintrag im neuen Metzler-Lexikon Gewalt: „Die Tatsache, dass Tiere leidensfähige Körper haben, dass sie verletzbar sind und sich Schmerzen entziehen wollen und dass ihre je individuellen Leben durch absichtsvolle menschliche Handlungen beendet werden können, erzwingt, Gewaltdefinitionen auch auf Tiere anzuwenden.“

Nun sind es eben nicht vereinzelte Individuen, die bisweilen in solche Gewaltakte gegen Tiere „entgleisen“, sondern wir sind insgesamt eine wesentlich gewalttätigere Gesellschaft, als wir offenbar wahrhaben wollen. Gewalt gegen Tiere ist allgegenwärtig und nicht nur erlaubt, sondern sogar legalisiert und institutionalisiert. Ein riesiger, von uns Bürgern subventionierter Wirtschafts-, Technik- und Wissenschaftsapparat befasst sich allein damit, wie man aus Tieren noch gewinnbringender Nahrungsmittel erzeugen kann. An Universitäten und landwirtschaftlichen Forschungsanstalten sind Menschen damit beschäftigt, auszumessen, wie stark die Skelettschmerzen verzüchteter Masthühner sind, oder Kühen ein Loch in den Bauch zu operieren, damit man ihre Verdauungsvorgänge von außen besser manipulieren kann.

Wollen wir eine solche gewalttätige Gesellschaft sein? In der wir Kindern Bilderbücher über Heile-Welt-Bauernhöfe vorlegen, weil wir ihnen die Wahrheit über die Herkunft ihres Essens nicht zumuten können? In der sogar Thriller- und Actionfilm-gestählte Erwachsene abends den Fernsehsender wechseln, wenn ein schier unerträglicher Bericht über Schweine- oder Putenmast kommt?

Wenn wir uns eingestehen, dass es sich bei unserer Landwirtschaft mit Tieren (und fast jeder weiteren Nutzung von Tieren) um gewaltförmige und gewalttätige Vorgänge handelt, sollten wir uns erinnern: Gewalt muss gerechtfertigt werden. Gewalt erklärt sich nicht von selbst, und sie ist nicht von vornherein erlaubt. Die Rechtfertigungslast liegt nicht auf der Seite derer, die für eine gewaltfreiere Gesellschaft plädieren. Die Rechtfertigungslast liegt bei denjenigen, die an der bisherigen Form einer Gesellschaft, die routinemäßig Gewalt gegen Tiere ausübt, festhalten wollen. Sie müssen erklären, warum dieses Verzüchtendieses Einsperren, dieses Des-Lebens-Berauben, dieses Schlachten moralisch akzeptabel sein soll.
Und „sie“ sind natürlich:
wir alle.

Denn wir profitieren im Kollektiv davon, dass Tiere für alles herangezogen werden, was uns nützlich, wünschenswert oder bequem scheint. Was wir in den Supermärkten sehen, ist schließlich nur das Endprodukt einer langen Kette gewalttätiger Handlungen. Wir wissen von den vielen brachialen Verletzungen, die dem vorausgegangen sind. Warum fühlen wir uns trotzdem nur so diffus verantwortlich? Es gibt eine soziologische Erklärung für dieses Phänomen, und die lautet zum Beispiel bei Harald Welzer: „Eigenverantwortung wird durch lange Handlungsketten, die immer nur partikulare Verantwortlichkeit zulassen, unterminiert, weshalb die meisten Handlungszusammenhänge in modernen Gesellschaften von systematischer Verantwortungslosigkeit beherrscht
sind und umgekehrt ein Gefühl der persönlichen Verantwortung für das, was am Ende einer Handlungskette herauskommt, kaum entwickelt werden kann.“

Doch Freiheit – wahre menschliche Freiheit – liegt nicht darin, möglichst vieles kaufen und konsumieren zu können, ohne sich darüber Gedanken zu machen. Sondern auch darin, sich Verantwortung, die in langen Handlungsketten unsichtbar geworden ist, zurückzuerobern. Wir müssen nicht alles haben und essen und begehren, was Markt und Werbung uns als attraktiv suggerieren. Echte Männer müssen nicht am Grill stehen und Steaks wenden, und Mutterliebe definiert sich nicht über das Austeilen von Schokoteilchen. Erotik besteht nicht darin, dass wir uns mit einem Milcheis in der Badewanne rekeln, und es ist nicht Höhepunkt sommerlicher Ausflüge, in Plastik verschweißten Fleischsalat zu verzehren.

Um eine weniger gewalttätige Gesellschaft ohne all dieses Tierleid zu schaffen, müssen wir daher neue Formen des Produzierens, des Konsumierens, auch des Genießens finden. In manchen Bereichen wirken die Konsequenzen auf den ersten Blick ganz schön radikal. Doch viele Konsequenzen scheinen ja nur so radikal, weil wir ein sehr umfassendes, sehr engmaschiges und sehr grausames System der Tierbenutzung entwickelt haben. Weltweit werden jährlich 65 Milliarden 525 Millionen Tiere geschlachtet. (Versuchstiere, Fische und erjagte Tiere also nicht mit eingerechnet.) Falls es zur Veranschaulichung hilft: In den dreißig größten Kriegen der Menschheit sind insgesamt etwa 600 Millionen Menschen umgekommen. Jemals auf der Erde gelebt haben seit der Steinzeit gut 100 Milliarden Menschen. Wir schlachten in anderthalb Jahren also mehr Tiere, als je Menschen auf der Welt gelebt haben – ein wahres Gemetzel. Erinnern wir uns an die Spiegelneuronen, und machen wir von unserer Fähigkeit zur Empathie Gebrauch. Dort das Gemetzel, hier ein Plädoyer für ein Ende des Gemetzels: Was ist in diesem Zusammenhang radikal?

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Und hier der zweite Artikel zum Thema:

http://www.spiegel.de/kultur/literatur/hilal-sezgin-artgerecht-ist-nur-die-freiheit-a-946030.html

Dürfen wir Rehe aus Tradition jagen? Sind Tierversuche für den medizinischen Fortschritt moralisch vertretbar? Die Journalistin Hilal Sezgin hat ein Buch über diese Fragen geschrieben und begründet philosophisch, warum wir dringend unser Leben ändern müssen.

Manchmal schwappen die Fragen vom anderen Ende der Erde hierher. Ist es in Ordnung – ist so eine Frage, die sich beim Nachrichtenlesen stellt -, wenn vor der australischen Küste Haie getötet werden, um die Sicherheit von Surfern zu erhöhen?

Und wie das so ist mit Fragen – die erste führt zur zweiten und die wieder zur nächsten. Und das alles führt von Australien zum eigenen Frühstückstisch und zu der Frage: Ist der Käse auf dem Brötchen so wichtig, dass er das Leiden der Kühe rechtfertigt, das die Milchproduktion mit sich bringt? Wann ist es in Ordnung, dass Tiere zum Vorteil des Menschen leiden? Immer? Nie? Kommt drauf an? Oder anders gefragt: Welche Rechte haben eigentlich Tiere? Und welche moralischen Pflichten hat der Mensch?

Die Journalistin Hilal Sezgin hat ihr Buch „Artgerecht ist nur die Freiheit“ für alle Menschen geschrieben, die sich manchmal diese Art von Fragen stellen und eine profundere Antwort wollen als das intuitive ungute Gefühl, das sich so beschämend leicht ignorieren lässt, wenn es um die schönen Winterstiefel aus Leder geht oder den schaumigen Latte macchiato im Lieblingscafé. Sezgin hat vor einigen Jahren ihren Job in Frankfurt gekündigt und ist in die Lüneburger Heide gezogen. Mitten aufs Land. Von den Nachbarn hat sie eine kleine Schafherde übernommen. Für die „Berliner Zeitung“ schreibt sie seitdem eine regelmäßige Kolumne über Tierrechtsfragen und ihr Leben mit ihren Tieren.

In der Sackgasse 

„Artgerecht ist nur die Freiheit“ fügt sich in eine Reihe von Büchern, die unser Verhältnis zu Tieren hinterfragen, wie „Zoopolis“, Karen Duves „Anständig essen“ und natürlich Jonathan Safran Foers Buch „Tiere essen“, das vor einigen Jahren zum Bestseller wurde. Sezgins Buch wäre die gleiche Aufmerksamkeit zu gönnen, weil es dort weitermacht, wo Foer aufhört, und unsere Alltagsgewohnheiten hinterfragt. Denn wir essen nicht nur Tiere. Wir quälen sie, töten sie, halten sie in Gefangenschaft, ängstigen sie, ziehen unseren Nutzen aus ihnen. Im Dienste der Grundlagenforschung, der Tradition, der Bequemlichkeit. Wir testen Arzneimittel an ihnen, Lebensmittelzusatzstoffe, Kosmetika und Putzmittel. All das wissen wir im Prinzip und ziehen erstaunlich wenig Konsequenzen daraus. „Irgendwie stecken wir in einer Sackgasse“, schreibt Sezgin, „weil das, was derzeit offenbar legal ist oder am Rande der Legalität als Routine geduldet wird, so gar nicht unseren moralischen Vorstellungen und unserem Bild von einer zivilisierten Gesellschaft entspricht“.

Anders als Foer aber schreibt Sezgin nur am Rande über persönliche Entwicklungen. Sezgin findet ihre Antworten mit Hilfe der Philosophie. Die Autorin argumentiert, dass empfindungsfähige Lebewesen moralische Rechte genießen – ganz gleich, ob sie ein Ich-Bewusstsein haben oder nicht. Sie erkennt eine milde Form des Speziesismus an, der bedeutet, dass wir Menschen anders behandeln als Tiere, weil wir ihnen näher sind – so wie wir auch Mitglieder unserer eigenen Familie anders behandeln als fremde Menschen, weil sie uns näher sind. Aber sie argumentiert sehr logisch durch, warum unsere Beziehung zu Tieren moralisch nicht zu rechtfertigen ist.

Streng in der Logik, sanft im Ton

So klar Sezgins eigene Schlussfolgerung ist, so angenehm unaufdringlich ist dieses Buch. Es ist weder anklagend noch bevormundend. Es ist kein Aufruf zum Medikamenten-Boykott und auch keine Kampfschrift. Es ist einfach ein sehr kluges und sehr nachdenkliches Buch. Es ist zwar streng in seiner Logik, aber sanft im Ton. So schreibt Sezgin etwa, sie sei vor der Recherche für das Buch davon ausgegangen, dass es überzeugende Gründe für die Notwendigkeit medizinischer Tierversuche geben müsse: „Wenn ich mich nur genügend in die Materie vertiefte, würde ich diese guten Gründe finden, die Tierversuche zwar als etwas Tragisches, aber dennoch moralisch Zulässiges, sogar Notwendiges erscheinen ließen. Es kam anders.“ Und so ist dieses Buch das ideale Buch für Leser, die glauben, dass es gute Gründe für alle möglichen Ausnahmen gibt. Und bereit dafür sind, dass es anders kommt.

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Aus dem per ÖVP-Amtsmissbräuche offenkundig verfassungswidrig agrar-ausgeraubten Tirol, vom  friedlichen Widerstand, Klaus Schreiner

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