Lügen für den Krieg – die Rolle der Medien im Krieg! Reporterlegende und Investigativjournalist Seymour Hersh fasst seine Erkenntnisse und Erfahrungen mit Regierungs- und Geheimdienstpropaganda insbesondere zu Kriegszeiten zusammen. Interview Norman Paech & Jens Wernicke

Finanzmarkt- und Konzernmacht-Zeitalter der Plutokratie unterstützt von der Mediakratie in den Lobbykraturen der Geld-regiert-Regierungen in Europa, Innsbruck am 23.04.2016

Liebe® Blogleser_in,

Bewusstheit, Liebe und Friede sei mit uns allen und ein gesundes sinnerfülltes Leben wünsch ich ebenfalls.

Aus dieser Quelle zur weiteren Verbreitung entnommen: http://www.nachdenkseiten.de/?p=33071

Lügen für den Krieg 

Norman Paech

„Lügen auf höchster Ebene bleibt der Modus Operandi der US-Politik, einschließlich geheimer Gefängnisse, Drohnenattacken, Nachteinsätzen von US-Spezialkräften, Umgehens des Dienstweges und Ausschlusses jener, die allenfalls Nein sagen“, fasst Reporterlegende und Investigativjournalist Seymour Hersh seine Erkenntnisse und Erfahrungen mit Regierungs- und Geheimdienstpropaganda insbesondere zu Kriegszeiten zusammen. Und tatsächlich: Betrachtet man sich die Kriege der letzten Zeit, findet sich keiner, der nicht mit – durchaus auch „deutschen“ – Lügen und deren willfähriger Verbreitung durch die Medien begann. Zu solchen „Kriegsbegründungslügen“ sprach Jens Wernicke mit dem emeritierten Professor für Öffentliches Recht und ehemaligem außenpolitischen Sprecher der Linksfraktion im Bundestag Norman Paech, der in einem bemerkenswerten Artikel zum Thema resümiert: „Es gibt berühmte Lügen, die alle zur Begründung eines Krieges erfunden wurden, der sich völkerrechtlich nicht begründen ließ. Das hieß nichts anderes, als der Versuch, ein Kriegsverbrechen mit dem Mantel einer zweifelhaften Rechtfertigung zu umhüllen.“

Herr Paech, Sie haben als emeritierter Professor und „demokratischer Jurist“ in letzter Zeit viel zur Rolle der Medien in Kriegszeiten publiziert. Wie kam es dazu? Woher rührt Ihr Engagement?

Das Völkerrecht, der Schwerpunkt meines beruflichen Interesses, bringt es mit sich, dass von den zahlreichen Themen – von den Menschenrechten über Umweltrecht bis hin zum internationalen Wirtschaftsrecht mit CETA und TTIP – der Krieg das schwierigste, aber entscheidende Feld unserer Existenz ist.

Die Bemühungen, den Krieg wenn schon nicht aus der Gesellschaft zu verbannen, so doch zumindest mit den Mitteln des Rechts einzugrenzen und einzuhegen, zu humanisieren, reichen Jahrhunderte zurück. Erst seit dem 19. Jahrhundert haben sie jedoch zu einem Kodex geführt, auf den wir auch heute noch zurückgreifen in dem Bemühen, den Krieg aus der Geschichte zu streichen. Vergeblich, wie wir uns immer wieder eingestehen müssen, ohne dabei in Resignation zu verfallen.

Und wer sich in unseren Breiten mit dem Krieg auseinandersetzt, hat ihn zum Glück derzeit noch nicht im Land und ist auf die Berichte der Medien angewiesen, um sich über die Zerstörungen, Schicksale und Hintergründe zu informieren. Die Medien sind ein zentraler Faktor in der Gesellschaft bei der Entscheidung über Krieg und Frieden.

Was werfen Sie den Medien denn genau vor?

Ihre Parteinahme für den Krieg! Es hat zwar immer Medien gegeben und gibt sie nach wie vor, die sich klar gegen die aktuellen Kriege ausgesprochen haben, die Lügen ihrer Propaganda aufdecken und die Interessen der Kriegstreiber offenlegen. Nur sind diese leider die Ausnahme und agieren meistens zu spät.

Es sind die großen meinungsmachenden Medien von „Bild“ und „Welt“ über das eiserne Dreieck „SZ“, „FAZ“, „NZZ“ bis hin zu „ZEIT“ und „SPIEGEL“, die sich grundsätzlich auf die Seite hegemonialer Machtpolitik und imperialer Intervention stellen. Sie können sich dabei reichlich aus den Expertisen internationaler Think Tanks bedienen, deren Radius sich allerdings auf den transatlantischen Bogen der NATO-Staaten beschränkt. Selten kommen kritische Stimmen aus der sogenannten Dritten Welt hinzu, es sei denn, sie reihen sich in den nordatlantischen Diskurs ein.

Selbstreferentiell kreisen sie in einem Netzwerk hochangesiedelter Institutionen und Konferenzen, von denen und von deren Wirken die Bürgerinnen und Bürger auch nur wieder über die Medien erfahren, die dort vertreten sind. Diese Parallelgesellschaft des militär-medialen Komplexes ist eng mit den Regierungen verknüpft, von denen sie zumeist auch finanziert wird. Ihre Journalisten sind fest eingebunden in das Herrschaftsmilieu an der Spitze der Gesellschaft, welches sie zuverlässig gegen Kritik beispielsweise aus der Friedensbewegung oder von abweichenden Positionen immunisiert.

Hätten Sie dafür vielleicht zwei, drei konkrete Beispiele parat? Wo wurden etwa Kriegslügen ungeprüft kolportiert?

Nehmen wir den Angriff der NATO auf Jugoslawien im Frühjahr 1999. Diesen ersten Kriegseinsatz deutscher Soldaten nach 1945 begründete die damalige Regierung Schröder/Fischer/Scharping mit einer „humanitären Katastrophe“, die die jugoslawischen Sicherheitskräfte durch ihren Terror gegen die albanische Bevölkerungsmehrheit im Kosovo angerichtet habe. Es gäbe keine andere Möglichkeit, als den Frieden mit militärischen Mitteln durchzusetzen.

Die Medien haben diese Lüge eins zu eins übernommen. Amtliche Lageberichte des Auswärtigen Amtes vom Herbst und Winter 1998 sowie vom März 1999 belegen jedoch eindeutig, dass es vor den am 24. März begonnenen Luftangriffen keine Verfolgung der albanischen Bevölkerung gegeben hat. In den Dokumenten wurde ausdrücklich festgestellt, dass die von der Presse wiederholt gemeldeten „Massaker“ und „Massengräber“ „durch internationale Beobachter bislang nicht bestätigt“ wurden.

Diese Lageberichte des Auswärtigen Amtes hat die „International Association of Lawyers against Nuclear Arms“, kurz IALANA, noch im April 1999 den Medien und der Öffentlichkeit übermittelt. Dennoch blieben diese bei ihrem Glauben an den gerechten Krieg und nahmen bereitwillig die Lüge vom Racak-Massaker im Januar 1999, die US-Präsident Bill Clinton in die Welt gesetzt hatte, sowie den “Hufeisenplan“ von Scharping für bare Münze.

Erst gut ein Jahr später, am 18. März 2000, deckte eine „Panorama“-Sendung die Lügen Scharpings auf. Und es dauerte gut 15 Jahre, bis auch Schröder offen bekannte, dass dieser Krieg ein Verstoß gegen das Völkerrecht war – er muss es von Anfang an gewusst haben. Alle Bemühungen seinerzeit, die Kriegsführung der NATO ebenso wie jene der Serben vom Jugoslawien-Tribunal untersuchen zu lassen, scheiterten jedoch am Widerstand des Tribunals.

Oder nehmen wir die Erzählung der „kuwaitischen“ Krankenschwester vor dem Menschenrechtsausschuss des US-Kongresses im Oktober 1990. Damals hätten irakische Soldaten im Juli 1990 über 300 Babys aus den Brutkästen in Kuwait gerissen und auf den Boden geworfen. Das war wahrscheinlich der heißeste Scoop, den die Werbeagentur Hill & Knowlton jemals landen konnte. Im November konnte die als Schwester getarnte Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA ihre Geschichte vor dem UN-Sicherheitsrat wiederholen, der zwei Tage später mit seiner Resolution 678 die USA zur Intervention ermächtigte. Ich weiß nicht mehr genau, wann genau die Wahrheit schließlich ans Licht kam, die Lüge aber, ungeprüft von der gesamten Presse übernommen, hatte ihre Aufgabe erfüllt.

Und an das Märchen von den Massenvernichtungsmitteln des Saddam Hussein, die US-Außenminister Powell vor dem UN-Sicherheitsrat am 5. Februar 2003 beschwor, erinnert sich wohl ein jeder von uns, nicht aber an das Echo in unserer Presse: Am Tag des Einmarsches in Bagdad, dem 20. März 2003, schrieb die FAZ hierzu:

„Der Irak soll als Feind verschwinden, indem die Amerikaner ihn mit imperialen Mitteln neu gründen. Die Verwerfungen der postkolonialen Zeit werden durch einen neuen demokratischen Kolonialismus zugeschüttet.“

Und Richard Herzinger von der ZEIT prophezeite am 12. Juni 2003 in voller Übereinstimmung: mit diesem Krieg beginne eine ganze „neokolonialistische Epoche“, die erst enden könne, wenn sie weltweit gesiegt habe. Schon am 9. März 2003 hatte die FAZ unter der Überschrift „Wir brauchen das Imperium Americanum“ die Amerikaner begrüßt:

„Irak ist nur der erste Schritt auf einem langen, verantwortungsvollen und vielleicht auch blutigen Weg. Dieser Hegemon kann … nur eine einzige Macht sein: die Vereinigten Staaten … Das Imperium Americanum ist unsere Chance. Eine andere haben wir nicht.“

Und Christian Hacke, ehemaliger Professor an der Bundeswehr-Universität, jetzt Universität Bonn, propagierte ebenfalls die „Pax Americana“:

„Wer von der amerikanischen Hegemonie nichts wissen will, der kann die Hoffnung auf Weltfrieden begraben.“

Alle reden vom Weltfrieden und ich unterstelle niemandem eine Todessehnsucht oder Vorliebe für den Krieg. Aber sie meinen nur den Frieden zu Hause, im eigenen Land. Im neokolonialen Weltimperium herrscht das Diktat der Waffen durch die NATO als kämpfende „Friedensmacht“. Ob Lügen oder Wahrheit: Wichtig ist nur ein Platz auf der obersten Stufe des Imperiums im Kreise der herrschenden Mächte. Dort ist die Sicht über das Imperium am besten.

Ein letztes Beispiel. Am 10. September 2013 verkündete US-Präsident Obama in einer Rede im Fernsehen:

“Assads Regierung hat über 1.000 Menschen mit Gas getötet … Wir wissen, dass das Assad Regime verantwortlich war … Und das ist es, warum ich nach sorgfältigen Beratungen bestimmt habe, dass es im Interesse der Vereinigten Staaten ist, auf den Einsatz chemischer Waffen durch das Assad Regime mit einem gezielten militärischen Schlag zu antworten.”

Stabschef Denis McDonough assistierte in der New York Times:

“Niemand mit dem ich gesprochen habe, zweifelt an den Geheimdienstangaben, die das Assad-Regime mit den Sarinangriffen in Verbindung bringen.”

Obama hatte damit für die Medien den Auftakt zur Legende vom Giftgaseinsatz in Ghouta gegeben, die bis heute die Medien beherrscht.

Bereits im Dezember 2013 und dann noch einmal im April 2014 hat Seymour Hersh diese Geschichte aber nach umfangreichen Recherchen mit ausgedehnten Geheimdienstquellen als Lüge in Frage gestellt. Seine zweifellos für die internationale „Qualitätspresse“ schwer verdauliche Schlussfolgerung lautete:

„Lügen auf höchster Ebene bleibt der Modus Operandi der US-Politik, einschließlich geheimer Gefängnisse, Drohnenattacken, Nachteinsätzen von US-Spezialkräften, Umgehens des Dienstweges und Ausschlusses jener, die allenfalls Nein sagen.“

Als dann im Oktober 2015 zwei türkische Abgeordnete des Nationalparlaments Dokumente und Material aus einer staatsanwaltlichen Untersuchung in Adana gegen einen mit Sarin aufgegriffenen Händler veröffentlichten und alle Vorwürfe von Hersh bestätigten, blieb auch diese Meldung ohne mediales Echo.

Wo waren und sind in all solchen Fällen eigentlich die investigativen Kräfte, auf die unsere große Presse so stolz ist? Haben die „Panama-Papiere“ sie total absorbiert?


„Die Presseagentur AFP berichtete am 21. Februar, bewaffnete Islamisten hätten in Derna den Hafen und ein nahe gelegenes Armeedepot gestürmt, Soldaten und Zivilisten als Geiseln genommen und zu erschießen gedroht, falls die libysche Armee sich nicht aus der Stadt zurückziehe. Türkische Bauarbeiter berichteten der britischen BBC, sie hätten mitansehen müssen, wie etwa 80 Arbeiter ihrer Firma aus dem Tschad von Aufständischen unter der Beschuldigung, Söldner zu sein, mit Äxten niedergemetzelt wurden. Die Armee ging mit Maschinengewehren gegen die Rebellen vor, unter denen bald ebenfalls zahlreiche Tote zu beklagen waren. Doch die Schreckensmeldungen, Gaddafi greife friedliche Demonstranten aus der Luft an, seien weder von der UNO, noch vom Pentagon, nicht mal von westlichen Botschaften in Tripolis bestätigt worden, so Mutz. Auch die Bundesregierung erklärte auf Anfrage, es lägen ihr keine Beweise für Bombardierungen vor. Ali Zeidan, der lange im Münchner Exil lebte und nun einer der führenden Köpfe der Übergangsregierung ist, soll die Zahl von 6000 Toten lanciert haben. Er und Mansour Saif al-Nasr, bis unlängst Geschäftsmann in den USA, sollen die neuen starken Männer Libyens sein. Über das schlichte Geschichtsbild von al-Nasr wusste „Focus Online“ zu berichten: Gaddafi sei insofern schlimmer als Hitler, als dieser wenigstens nicht die Leute im eigenen Land getötet habe.“

Daniela Dahn: „Störfaktor Gaddafi“

„Bis heute gilt es in westlichen Kreisen der Politik und Medien als erwiesen, dass der Einsatz des Gases am 21. August 2013 in Ghouta von der syrischen Armee auf Befehl von Assad erfolgte. Daran hatte Präsident Obama am 10. September 2013 in einer Rede im Fernsehen keinen Zweifel gelassen und für die Medien den Auftakt gegeben: “Assads Regierung hat über 1000 Menschen mit Gas getötet… Wir wissen, dass das Assad Regime verantwortlich war…Und das ist es, warum ich nach sorgfältigen Beratungen bestimmt habe, dass es im Interesse der Vereinigten Staaten ist, auf den Einsatz chemischer Waffen durch das Assad Regime mit einem gezielten militärischen Schlag zu antworten.” (…) Doch diese Aussagen waren falsch, wie der US-amerikanische Journalist Seymour Hersh schon am 8. Dezember 2013 in einem langen Artikel im “London Review of Books” unter dem Titel “Wessen Sarin?” (“Whose Sarin?”) nachweisen konnte. Hersh, einer profiliertesten investigativen Journalisten und Pulitzer Preisträger, war dadurch bekannt geworden, dass er seinerzeit das Kriegsverbrechen der US-Amerikaner in Mylai, wo US-Truppen im März 1968 504 Dorfbewohner ermordeten, bekannt gemacht hat.“

Norman Paech: „Sarin in Syrien“


In der Frankfurter Rundschau und der Berliner Zeitung vom 14. Januar 2011 war unter dem Titel „Syrien und die Linken. Damals wie heute“ ja etwa zu lesen: „Sechs linke Bundestagsabgeordnete verbrüdern sich öffentlich mit dem Massenmörder Assad – eine Fortsetzung ihres antisemitischen Treibens. Die Linkspartei muss sie endlich vertreiben.“ Damit zielte man offenbar auch auf Sie und Ihre Position. Sind Sie also … Massenmörderfreund und Antisemit? Wie bewerten Sie diesen Text und ähnliche seiner Art?

2011 waren die Linkspartei und ihre Repräsentanten noch weitgehend Freiwild und so mancher bekam Schaum vor dem Mund, wenn er oder sie über linke Themen und Personal zu schreiben hatte.

Ich nehme zwar nicht an, dass sich die Aggression heute bei vielen gegeben hat, aber der Ton ihrer Abneigung hat sich zumindest gemäßigt. Prüfen Sie einmal, was Frankfurter Rundschau und BZ vor 2011 zu der jahrzehntelangen engen Zusammenarbeit des Westens mit Vater und Sohn Assad und vor allem mit dem saudischen Königshaus und dem Scheich von Katar, den beiden Stabilitätsankern im Mittleren Osten geschrieben haben.

Was sie so aufgeregt hat, war unsere Warnung vor einer militärischen Intervention in Syrien nach dem katastrophalen Vorbild der Kriege in Libyen, Irak und Afghanistan. Wir haben uns keine Illusion über die schweren Menschenrechtsverletzungen der Assad-Herrschaft gemacht. Die Folter in den Gefängnissen war ebenso bekannt wie die Rendition Flights der USA, mit denen sie ihre Gefangenen aus Guantanamo in diese Gefängnisse verfrachteten, um sie dort foltern zu lassen.

Der Antisemitismus-Vorwurf ist allmählich zur billigen Münze geworden, da eralle trifft, die substantielle Kritik an der israelischen Besatzungspolitik üben. Damals entzündete er sich an unserer Beteiligung an der Free Gaza-Flottille, die versuchte, die völkerrechtswidrige Blockade des Gaza-Streifens mit zivilen Schiffen und Hilfsgütern für die Eingeschlossenen zu durchbrechen.

Unsere Aktion war weder antisemitisch noch rechtswidrig. Im Gegenteil, das gewaltsame Aufbringen der Schiffe in internationalen Gewässern durch die israelische Armee mit 10 Toten auf der Mavi Marmara, ihre Entführung in den Hafen Ashdod und die Beschlagnahme aller Güter – nicht eine einzige Waffe wurde gefunden –, das alles wäre ein Fall für den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Doch ist die israelische Kriegsführung dort ebenso tabu wie vor deutschen Gerichten. Unsere Strafanzeige nach dem deutschen Völkerstrafrecht wurde nach knapp fünfjähriger Prüfung durch die Bundesanwaltschaft zurückgewiesen.

Worauf zielen also diese Vorwürfe? Natürlich sollen sie die Kritiker zum Schweigen bringen, sie offenbaren allerdings nichts anderes als eine missglückte Aufarbeitung der deutschen Geschichte.

Und können Sie erklären, wie diese Parteinahme der Medien für spezifische nationale Interessen zustande kommt? Haben sich die Journalisten „verschworen“, einer herrschenden Argumentation schlicht untergeordnet? Was geschieht hier warum?

Mit Verschwörungstheorien kommen wir auch hier nicht weiter. Die Unterwerfung unter einen herrschenden Konsens hat offensichtlich andere Mechanismen. Sie entsteht in den hierarchischen Strukturen der Medien, mit den Existenzängsten und Karrierezwängen in einer Medienlandschaft, die sich immer weiter monopolisiert. Sie hat aber auch mit Feigheit und Opportunismus zu tun.

Die Präsenz der Redaktionsspitzen in den entscheidenden Institutionen der herrschenden Ideologie und ihr symbiotisches Verhältnis zu den Mandarinen der Macht ist die Grundlage für die „Parteinahme für spezifische nationale Interessen“, wie Sie es nennen, und bedarf keiner Verschwörung – das ist ihr falsches Leben in einer falschen journalistischen Existenz.

Diesen ist inzwischen vollkommen verloren gegangen, wenn es ihnen denn je vermittelt worden ist, was Heinrich Heine als das Leben seiner journalistischen Arbeit in Paris bezeichnete:

„Wenn wir es dahin bringen, dass die große Menge die Gegenwart versteht, so lassen sich die Völker nicht mehr von den Lohnschreibern der Aristokratie zu Hass und Krieg verhetzen … Dieser Wirksamkeit bleibt mein Leben gewidmet, es ist mein Leben.“

Nun könnte man ja glauben, dieses Phänomen spitze sich aktuell zu. Immerhin ist, wie verschiedene Studien ergeben, der Vertrauensverlust der Bevölkerung in „ihre“ Medien inzwischen immens…

Zu Recht. Die Verbindung von Krieg und Lüge ist ebenso real wie das Misstrauen der Bevölkerung berechtigt ist. Nie ist die Wahrheit mehr gefährdet als in Zeiten des Krieges, was sich in dem Gemeinplatz „Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst“ widerspiegelt.

Und wo die Lüge nicht mehr ausreicht und ihre Wirkung verfehlt, das Vertrauen dahin ist, wird zur Diffamierung und Feinderklärung gegriffen. Der Vorwurf des Antisemitismus war nie so scharf und wütend wie in diesen Zeiten, in denen die Brutalität und Kriminalität der israelischen Besatzungspolitik besonders klar und unverhüllt hervortritt. Es bleibt dann allerdings nicht bei diesem Vorwurf. Die Beispiele häufen sich, in denen versucht wird – in letzter Zeit immer häufiger und erfolgreicher –, den Kritikern das Forum ihrer Kritik und den Raum für ihre Kommunikation zu nehmen. Ein Tiefpunkt der politischen Kultur in unserer Gesellschaft.

Man könnte einwenden, dass der Palästinakonflikt ein besonders sensibles Feld der Kritik auf Grund unserer noch immer nicht ausreichend aufgearbeiteten Geschichte ist. Doch blicken wir auf andere Kriegsszenarien, die Ukraine, Irak, Syrien oder Libyen, so haben auch dort Politik und Medien eindeutige Hass- und Feindbilder aufgebaut, um sie zu allfälligem Abschuss freizugeben. Ob Putin, Saddam Hussein, Assad oder Gaddafi, sie rangieren kurz unter dem Teufelsrang eines Hitler oder Stalin – so wie Milosevic bis zu seinem Tod. Sie dienen als mediale Müllplätze, auf denen sie allen journalistischen Überschuss abladen können, in dem man sowohl Lüge, Denunziation und Propaganda der eigenen Werte und Interessen als auch Wahrheit und Information finden kann.

Die Verwirrung der Bevölkerung beruht dabei nicht nur auf dem Durcheinander dieses Angebots, in dem sich niemand mehr zurechtfinden und die Lüge von Wahrheit und Halbwahrheit trennen kann. Die Verwirrung entsteht auch dadurch, dass jahrelang auf diese Personen als Garanten der Stabilität gebaut wurde, die den Interessen des Westens willfährig gedient haben. Nun werden sie fallen gelassen und ihr Land für einen Regime Change dem Krieg ausgeliefert. Wer sollte da nicht das Vertrauen in die Medien verlieren, wenn diese den Kriegskurs propagieren und ihre eigenen Zweifel hin und wieder im Feuilleton unterbringen.

Sehen wir es anders herum: Der Vertrauensverlust zeugt von dem Rest kritischen Vermögens, welches sich die Öffentlichkeit trotz dieser Medien erhalten hat. Sie informiert sich zunehmend aus dem Internet und emanzipiert sich von dem Verantwortungsgerede, in dem sie trotz des moralisierenden Medienaufwands doch nur den Aufruf zu weiterem militärischen Aufmarsch erkennt. Die Tatsache, dass die Bevölkerung nach wie vor in ihrer überwiegenden Mehrheit die Auslandseinsätze der Bundeswehr ablehnt, ist die positive Seite des „Vertrauensverlusts“. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sie sich eines Tages – nicht zu spät – in Politik und Medien wird durchsetzen können.

Hätten Sie denn Anregungen für andere, Ideen, was aktuell sinnvoll zu tun wäre, um der herrschenden Propaganda und den Verleumdungen gegen Friedensbewegte besser begegnen zu können? Wenn Sie gefragt würden: Was rieten Sie?

Das schärfste Schwert gegen die Lüge ist ihre Aufdeckung und Konfrontation mit der Wahrheit. Deshalb ist die Durchbrechung der Geheimhaltung, die Verletzung des politischen Arkanums, das Whistleblowing in Fragen von Krieg und Frieden das wirksamste Mittel im Dienste des Friedens.

In den Debatten von Regierung und Parlament fehlt es nicht an Forderungen nach Transparenz und Offenheit. Nur scheinen sie ebenso zum System der Fälschung, Lüge und Geheimhaltung zu gehören wie etwa das Parlamentarische Kontrollgremium Teil der Geheimdienste ist, die es kontrollieren soll.

Die Wahrheit, die Kritik und die Verbreitung sind gefährlich, oft mit dem Einbruch der Karriere, dem Verlust des Berufs und sogar mit Exil und Gefängnis bedroht. Doch sind sie das Einzige, das ich gegen den kriegstreibenden Konsens raten könnte.

Noch ein letztes Wort?

Weitermachen!

Vielen Dank für das Gespräch.


Norman Paech, geboren 1938 in Bremerhaven, ist ein emeritierter deutscher Hochschullehrer und Politiker. Er ist Mitglied der „Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen“ (VDJ), der „Freundschaftsgesellschaft Vietnam-BRD“, im Wissenschaftlichen Beirat der „International Association of Lawyers against Nuclear Armement“ (IALANA) und „International Physicians for the Prevention of Nuclear War“ (IPPNW), bei Attac sowie im Auschwitz Komitee. Zuletzt erschien von ihm „Völkerrecht und Machtpolitik in den internationalen Beziehungen“ im VSA-Verlag.


Weiterschauen:

WDR: Geschichte der Kriegslügen der US-Präsidenten

arte: Die wahre Geschichte des Golfkrieges

WDR: Es begann mit einer Lüge: Deutschlands Weg in den Kosovo-Krieg


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“Wer behauptet, man braucht keine Privatsphäre, weil man nichts zu verbergen hat, kann gleich sagen man braucht keine Redefreiheit weil man selbst nichts zu sagen hat.” Edward Snowden.

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