Durch Werbeschaltungen sind Politik und Medien tief miteinander verstrickt! Sehr tief! – Dossier.at hat die Inseratenaffäre untersucht. Dossier: Im Netz der Gratiszeitung – Wer steckt hinter „Heute”? Eine ausführlich recherchierte investigative Berichterstattung. Bravo.

Finanzmarkt- und Konzernmacht-Zeitalter der Plutokratie unterstützt von der Mediakratie in den Lobbykraturen der Geld-regiert-Regierungen in Europa, Innsbruck 2014-11-23

Liebe® Blogleser_in,

Bewusstheit, Liebe und Friede sei mit uns allen und ein gesundes sinnerfülltes Leben wünsch ich ebenfalls.

Aus dieser Quelle zur weiteren Verbreitung entnommen: http://www.dossier.at

Dossier: Im Netz der Gratiszeitung – Wer steckt hinter „Heute”?

Die öffentliche Hand leistet einen massiven Beitrag zum Erfolg der österreichischen Gratiszeitung „Heute”. Wer profitiert ist unklar, die Hinterleute sind in einem Netz aus Treuhändern und Privatstiftungen versteckt. Dossier hat die Gründung von „Heute” untersucht. Mehr unter: http://www.dossier.at

Dossier: Gründungsjahre der Gratiszeitung

Dossier-Recherchen zeigen, dass ein von Werner Faymann initiiertes und mit Inseraten stark gefördertes Wohnmagazin in den Gründungsjahren mit der Gratiszeitung „Heute” verbunden war.

Durch Werbeschaltungen sind Politik und Medien tief miteinander verstrickt – Dossier hat die Inseratenaffäre untersucht.

Anzeigenverlauf politische Parteien vs. Ministerien 2006 – 2009

Vergleich Deutschland – Österreich: Ausgaben für Inserate der Bundesregierungen 2010
Die besten Anzeigenkunden in „Heute“ (Gesamt, Zeitraum 2004 bis 2011)
Anzahl der Seiten
Kosten
Das Verhältnis der Anzeigen nach Sektoren
(überarbeitet; siehe Errata: Fehler #1)
Reichweitenentwicklung der Gratistageszeitung „Heute“
Quellen: VRM & Media Analyse
Ausgewählte Anzeigenverläufe
Wiener Linien
Wohnservice Wien
Stadt Wien
Hofer
Werbeausgaben der MA 50
MA50 Quelle: Budget der Stadt Wien (1998-2012)
Anzeigenverlauf des Bundeskanzleramtes in „Heute“
Quelle: Dossier-Erheb

Im Netz der Gratiszeitung

Eine Zeitung begeht ihr Jubiläum. Am 6. September 2014 wird Heute zehn Jahre alt. Ihre Macher haben allen Grund zu feiern. Heute ist die erfolgreichste Gratistageszeitung des Landes. In einer Zeit, in der die Auflagen der Konkurrenz stagnieren oder zurückgehen und manche Zeitungen sogar eingestellt werden, gelingt es Heute zu wachsen. Seit 2010 ist Heute die meistgelesene Zeitung Wiens. Österreichweit liegt das Gratisblatt laut Media-Analyse hinter dem größten Kleinformat des Landes, der Kronen Zeitung, auf Platz 2.

Quellen: VRM & Media Analyse

Der rasante Aufstieg spiegelt sich auch in den Kennzahlen des Unternehmens hinterHeute wider, der AHVV Verlags GmbH. Schon im zweiten Geschäftsjahr (2005)bilanziert die Firma AHVV positiv. Über die vergangenen zehn Jahre können sich die Gesellschafter rund 38,5 Millionen an Gewinnen ausschütten. Eine Erfolgsgeschichte.

Doch da ist mehr. Noch bevor die erste Ausgabe am 6. September 2004 zur Entnahme in den roten Boxen aufliegt, helfen bis heute unbekannte Hintermänner bei der Gründung nach. Knoten für Knoten knüpfen sie ein Netz aus Treuhändern und Privatstiftungen, um ihre Identitäten zu verschleiern. So kommt es, dass in der Republik Österreich Millionen Euro öffentliche Gelder in Form von Inseraten und Medienkooperationen an eine Gratiszeitung fließen und nach wie vor unklar ist, wer letztlich profitiert.

Willkommen in der Welt von Heute, einer Welt der Widersprüche. Einer Welt, in der ehemalige Mitarbeiter aus Angst nur unter dem Mantel der Anonymität reden wollen. Einer Welt, in der Heute-Herausgeberin Eva Dichand wiederholt mit Klagen droht, wenn Journalistinnen und Journalisten über Verbindungen zur Politik recherchieren.

Bereits vor Veröffentlichung des ersten DOSSIERs zu den Inseratenschaltungen der Stadt Wien und stadteigener Unternehmen in Heute erhielt die Redaktion Post von Eva Dichand.

„Sollten Sie unwahre Behauptungen publizieren wie etwa: eine Nähe zur SPÖ/Finanzierung durch SPÖ oder SPÖ nahe Personen/ Gesellschaften (…) werden wir das sofort klagen! Diese Behauptungen sind einfach FALSCH!“

Eva Dichand, E-Mail vom 26. April 2012

„Sollten Sie dies oder ähnliches behaupten, oder auch nur suggerieren, kommt das einer dezidiert gewollten Rufschädigung gleich und wir werden rechtliche Schritte ergreifen. (…) Das Unternehmen wurde und wird stark von Dr. Eva Dichand als Herausgeberin geprägt. Eine besondere Nähe kann man ihr wohl kaum unterstellen.“

Eva Dichand, E-Mail vom 29. August 2014

„Eine Nähe zur SPÖ“, wie Eva Dichand schreibt, ist gerade wegen der involvierten Personen offensichtlich: Wolfgang Jansky etwa, Dichands Partner in der Heute-Geschäftsführung, war vor seinem Job ein Jahrzehnt lang Pressesprecher des einstigen SPÖ-Wohnbaustadtrats und heutigen Bundeskanzlers Werner Faymann. Oder Günther Havranek, von Beruf Steuerberater und Treuhänder und ein Heute-Stiftungsrat, der laut Firmenbuch jahrelang indirekt auch als Eigentümer an der Zeitung beteiligt war. Havranek genießt in der SPÖ so viel Vertrauen, dass er im Jahr 2010 zur Sanierung der Parteifinanzen gerufen wird. Im Heute-Netz spielt er eine zentrale Rolle. Mehrmals hatte Havranek – auch bei Gericht unter Wahrheitspflicht – ausgesagt, er halte Anteile an der Gratiszeitung „im eigenen Namen, auf eigene Rechnung“. Einer von vielen Widersprüchen: Denn 2012 wurde publik, dass Havranek nur der Treuhänder für eine Stiftung, die Eva Dichand gegründet hatte, war.

„Eine Finanzierung durch die SPÖ“, die Eva Dichand stets abstreitet, ist – zumindest indirekt – nicht zu überblättern: Wie DOSSIER-Erhebungen sämtlicher Anzeigen der Jahre 2004 bis 2014 in Heute zeigen, ist die bis Ende 2010 von der SPÖ allein regierte Stadt Wien gemeinsam mit ihren Unternehmen der größte Anzeigenkunde der Gratiszeitung. Insgesamt schalteten sie – ohne mögliche Rabatte – Anzeigen  im Wert von rund 41,5 Millionen Euro in Heute. In den vergangenen zehn Jahren inserierten öffentliche Stellen bzw. Unternehmen um sogar rund 84 Millionen in der Gratiszeitung. Dabei handelt es sich um Steuergeld oder um Kapital aus öffentlichen Unternehmen, die in vielen Fällen mit Steuergeld subventioniert werden.

Ein undurchsichtiges Netz aus Treuhändern, satte Geldflüsse, Klagsdrohungen – was steckt dahinter? Seit Jahren versuchen Journalistinnen und Journalisten, die Geheimnisse hinter der Heute-Gründung zu lüften. Sogar in Deutschland sind die Besitzverhältnisse Thema. Im August 2011 schreibt etwa die Süddeutsche Zeitung: „Es ist bislang keinem Rechercheur gelungen, die Personen, die da auf offener Bühne spielen, durch die Tapetentüren zu begleiten, um zu sehen, wer da eigentlich im Hinterzimmer beieinanderhockt. Irgendeiner verdient immer.“ Nur wer?

DOSSIER hat die Gründung der Gratiszeitung untersucht und sich auf die Suche nach den Hintermännern gemacht. Bevor Sie ins Netz der Gratiszeitung eintauchen, eine Warnung und ein Tipp: Die Causa ist so brisant wie komplex; das Firmengeflecht augenscheinlich zur Verwirrung geschaffen. Manche Fragen bleiben unbeantwortet. Um den Lesefluss zu erleichtern, hat DOSSIER die wichtigsten Akteure in einem Glossarverankert. Mit der Funktion „Quellen anzeigen“ können Sie Einsicht in die Originaldokumente nehmen. Unter Daten legen wir die Methodik unserer Erhebungen und die Rohdaten offen.

Wen DOSSIER im Netz der Gratiszeitung gefunden hat und auf welche Geheimnisse wir noch gestoßen sind, lesen Sie in diesen Geschichten:

 

Das Jahr der Zeitung

Vor zehn Jahren war alles anders. Werner Faymann war noch nicht Bundeskanzler der Republik, sondern Stadtrat für Wohnen und Wohnbau in der Bundeshauptstadt Wien. Josef Ostermayer war nicht Bundesminister für Kunst und Kultur, sondern Faymanns Büroleiter. Und Wolfgang Jansky war nicht Geschäftsführer der aufstrebendsten Zeitung des Landes, sondern Faymanns Pressesprecher.

2004 arbeiten die drei Männer noch im Wiener Rathaus und machen gemeinsam Zeitung. SPÖ-Wohnbaustadtrat Werner Faymann initiiert Anfang des Jahres ein Magazin, das sich an Mieterinnen und Mieter der Wiener Gemeindewohnungen richten soll, Die Stadt – Das Wohnmagazin für Wien. Herausgeberin ist eine Stiftung, die Urbania Privatstiftung. Sie wird später im Netz der Gratiszeitung eine wichtige Rolle spielen. Die Wiener Städtische Versicherung hatte die Urbania bereits im Jahr 2000 gegründet, seit Oktober 2003 sitzen Faymanns Büroleiter Josef Ostermayer und der SPÖ-nahe Steuerberater und Treuhänder Günther Havranek im Stiftungsrat der Urbania.

Im Februar 2004 erscheint das Wohnmagazin zum ersten Mal, die Auflage beträgt 300.000 Stück. Die Zeitschrift wird zu großen Teilen von Krone-Journalisten gemacht, das Nachrichtenmagazin profil beschreibt es gar als „Krone Bunt für Gemeindebauten“. Inhaltlich ist das Wohnmagazin voller Lob für den Stadtrat. So verfasst etwa Krone-Journalist Michael Pommer den Artikel „Abenteuer Spielplatz“, in dem Werner Faymann zu seinem Engagement für Spielplätze in Wiener Wohnanlagen zu Wort kommt. Drei Jahre später schreibt Pommer wieder über Faymann. 2007 ist er für den redaktionellen Teil der Inseratenstrecke „Unsere Bahn“ in der Kronen Zeitung zuständig – jene Werbekampagne, die noch bis Ende 2013 Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen gegen den nunmehrigen Bundeskanzler Werner Faymann und seine rechte Hand, Josef Ostermayer, war.

Aber zurück ins Jahr 2004. Nur sechs Wochen nach Start des Wohnmagazins Die Stadterhöht Werner Faymann das Werbebudget der Magistratsabteilung 50 („Wohnbauförderung“). Am 22. März 2004 beantragt die MA 50 1,2 Millionen Euro für die Informationskampagne „Zukunft der Wohnbauförderung“. Das Ziel: „Die Wiener Bevölkerung über die Aufgaben der Wohnbauförderung und ihre positiven Effekte“ mittels „Einschaltungen in verschiedenen Tages- und Wochenzeitungen sowie Monatsmagazinen“ zu informieren. „Für Inserate und PR-Einschaltungen sowie die Belegung elektronischer Medien mit diesem Thema ist ein Betrag von insgesamt 792.000 Euro notwendig“, heißt es in dem Antrag. Schwerpunktmäßig soll die Kampagne in den Monaten „August bis Oktober 2004“ stattfinden. Im Vergleich zum Vorjahr steigen 2004 die Ausgaben der MA 50 für „Laufende Informationen über den geförderten Wohnbau“ um rund das Sechsfache, auf knapp 2,5 Millionen Euro. Rosige Zeiten für das Wohnmagazin – und den Wiener Zeitungsmarkt überhaupt.

Nach der Zeitung ist vor der Zeitung

Doch auf Wiens Zeitungsmarkt passiert etwas Kurioses. Nur eine Woche, nachdem Faymann knapp 800.000 Euro für Inseratenschaltungen beantragt hat, muss Wiens erste Gratistageszeitung zusperren. Am 31. März 2004 erscheint der U-Express das letzte Mal. Obwohl die Zeitung wirtschaftlich erfolgreich läuft, verschwindet sie. Für Insider kommt die Einstellung von Wiens erster Gratiszeitung nicht überraschend. DerU-Express hatte seinen Zweck erfüllt: Der Markt für Gratistageszeitungen wurde drei Jahre lang dicht gehalten.

2001 war Wiens erste Gratiszeitung von der Mediaprint gestartet worden. Schnell musste es damals gehen, Konkurrenz aus Skandinavien sondierte bereits den Wiener Markt. Das SPÖ-regierte Rathaus packte mit an. Der stellvertretende Leiter des Presse- und Informationsdienstes (PID) der Stadt Wien, Rudolf Mathias, baute in seiner Karenz die U-Express-Redaktion auf. Die Geschäfte leitete mit Josef Kalina ebenfalls ein SPÖ-Mann – zwischen 2007 und 2008 wird Kalina SPÖ-Bundesgeschäftsführer sein. Bei der Gründung hatten die Mediaprint-Eigentümer aber vereinbart, U-Express nach drei Jahren einzustellen. So passiert es Ende März 2004. Die Zeitung ist weg, doch die Macher wissen: Gratiszeitung funktioniert!

Wie ein ehemaliger Mitarbeiter des U-Express DOSSIER berichtet, wird ihm noch vor dem Aus gesagt, er solle sich keinen neuen Job suchen. Denn bald ginge es weiter; und bald geht es weiter. Es beginnt eine Zeit, über die involvierte Akteure bis heute nicht offen sprechen. Die Vorbereitungen laufen an, im Verborgenen wird an einer neuen Gratiszeitung gebastelt. Wie die Namen der Hinterleute ist alles: streng geheim.

Das Verhältnis 74 zu 26

„Schon die Frage nach den Hintermännern einer Zeitung klingt seltsam“, schreibt dieSüddeutsche Zeitung im August 2011. Noch seltsamer wird sie, wenn man sich die Geschichte der Gratistageszeitung Heute ansieht: Knoten für Knoten wird über Jahre ein Netz aus Treuhändern und Privatstiftungen geknüpft, das einen Zweck erfüllt – den Blick hinter die Kulissen unmöglich zu machen. Den Blick auf jene, die bei der Gründung ihre Finger im Spiel hatten, der Zeitung zu ihrem rasanten Erfolg verhalfen und auf jene, die damals wie heute profitieren.

Anfang September 2014 sieht im Firmenbuch alles recht einfach aus: Heute wird von der AHVV Verlags GmbH herausgegeben. Die AHVV gehört zu 100 Prozent derUltimate Media Beteiligungs- und Management GmbH. Dahinter stehen zwei Stiftungen. Auf diese kommt es an.

Die Pluto Privatstiftung hält 74 Prozent der Anteile an Heute. Stifter der Pluto sind Eva Dichand und ihr Bruder, die Begünstigten die ehelichen Nachkommen von Eva und Christoph Dichand, dem Herausgeber der Kronen Zeitung. Laut Stiftungsurkunde kann von Eva Dichand ein Familienbeirat eingerichtet werden, der dem Vorstand Weisungen hinsichtlich der von der „Stiftung verwalteten Beteiligungen“ geben kann.

Die restlichen 26 Prozent der Heute-Anteile sind im Eigentum der Periodika Privatstiftung. Im Vergleich zur Pluto scheint sie unbedeutender. Wie derGesellschaftsvertrag der AHVV Verlags GmbH zeigt, ist dem aber nicht so. Schon am Tag der Gründung wurde festgelegt, dass mindestens 75 Prozent der Stimmen in der Gesellschafterversammlung nötig sind, um wesentliche Geschäftsentscheidungen treffen zu können – wie zum Beispiel die „Teilung und Verpfändung von Geschäftsanteilen“; ein Umstand, der die 26 Prozent der Periodika erheblich aufwertet.

Die politische Brisanz steckt in der Periodika. Ihr sitzt Wolfang Jansky vor, Werner Faymanns einstiger Weggefährte. Auch der SPÖ-nahe Steuerberater und Treuhänder Günther Havranek ist im Stiftungsrat der Periodika vertreten. Weitere Mitglieder sind der Vizepräsident der SPÖ-nahen Mietervereinigung, Marjan Pavusek und Katja Deutsch. Deutsch löste im Juli 2014 Eva-Maria Stackl ab, Prokuristin der Vienna Insurance Group (früher Wiener Städtische Versicherung) und einstige Lebensgefährtin von Wiens Bürgermeister, Michael Häupl.

Im Gegensatz zur Pluto bleiben die Profiteure in der Stiftungsurkunde der Periodika unbestimmt. Stiftungszweck ist die „Förderung der Allgemeinheit durch die Herausgabe und den Vertrieb von periodisch erscheinenden und sonstigen Druckwerken“, begünstigt ist „die Allgemeinheit“. Fragen nach dem Zweck und den konkreten Begünstigten beantwortet Heute-Geschäftsführer Wolfgang Jansky in einer E-Mail vom 30. Juni 2011 so:

„Die Begünstigten der Periodika Privatstiftung sind auch bei oberflächlicher Recherche seit sieben Jahren im Firmenbuch ersichtlich: soziale Organisationen wie ,der weiße Ring‘ bzw. ,Rettet den Stephansdom‘.“

Der Geschäftsführer liegt falsch. Einzig im Fall der Auflösung der Stiftung bekämen die beiden von ihm angeführten Organisationen etwas – das in der Stiftung verbliebene Vermögen. Was mit den Gewinnen in Millionenhöhe, die bisher an die Periodika ausgeschüttet wurden, passierte, bleibt offen. Jansky sollte es aber wissen. Seit der Gründung der Periodika im September 2004 sitzt er ihr vor. Im Netz der Gratiszeitung ist niemand so verstrickt wie der Heute-Geschäftsführer. Fast niemand.

Der Jansky-Havranek-Deal

Wäre da nicht Günther Havranek. Der SPÖ-nahe Steuerberater und Treuhänder ist Janskys Kompagnon in der Periodika. Gemeinsam sitzen die Zwei laut Firmenbuch in einer weiteren Stiftung, die einst Anteile an Heute hielt, der Urbania Privatstiftung. Zur Erinnerung: Auf Initiative von Wohnbaustadtrat Werner Faymann hatten Wiens Gemeindebaumieter seit Februar 2004 ein neues Magazin in die Wohnungen geliefert bekommen: Die Stadt – Das Wohnmagazin für Wien. Herausgeberin: die Urbania Privatstiftung. Josef Ostermayer, des Stadtrats rechte Hand, saß der Urbania damals vor und verhalf ihr – wie DOSSIER-Recherchen zeigen – zu Geld, viel Geld in Form von Inseraten.

Laut Firmenbuch sind das Wohnmagazin und die Gratiszeitung Heute von September 2005 bis November 2006 über ein zwischengeschaltetes Unternehmen miteinander verbunden. In diesem Zeitraum besitzen sowohl die Periodika als auch die Urbania Anteile an Heute. Dann passiert Kurioses: Die Urbania übergibt ihre Anteile an die Periodika, Jansky und Havranek verkaufen an Jansky und Havranek.

Am 14.11.2006 gehen die Anteile an der Fidelis von der Urbania an die Periodika.

Ein Vorgang, der weder Wolfang Jansky noch Eva Dichand in Erinnerung sein dürfte. Gemeinsam schreiben sie in einer Stellungnahme:

„Es gibt nur zwei Eigentümer: Pluto Privatstiftung/Stifter Dr. Eva Dichand und Periodika Privatstiftung. Daher ist die Behauptung, die Urbania Privatstiftung hätte irgendwann Anteile an Heute / AHVV gehalten FALSCH.“

Die Antwort hat einen weiteren Haken: Weder die Pluto noch die Periodika Privatstiftung existieren am 1. Juni 2004, dem Tag, an dem die Firma hinter Heute, die AHVV, gegründet wird. Die Stiftungsurkunde der Periodika wird am 29. September 2004 niedergeschrieben, jene der Pluto überhaupt erst am 19. Dezember 2005. Die einzige Stiftung, die im Netz der Gratiszeitung schon im Juni 2004 besteht, heißt:Urbania Privatstiftung.

Während zentrale Akteure die Fakten verdrehen oder wie Günther Havranek gar nichts dazu sagen, gibt es im Firmengeflecht eine Konstante: das Verhältnis 74 zu 26. Nach diesem sind die Anteile an der Gratistageszeitung heute verteilt. Schon am Tag der Gründung spielt es eine Rolle. Zurück in die Vergangenheit. Zurück zum 1. Juni 2004.

Der 1. Juni 2004

An diesem Tag treffen sich vier Personen in den Räumen der KPMG Wirtschafts- und Steuerberatungskanzlei. Ein Notar, ein Treuhänder, Wolfgang Jansky und Paul Slatin, ein Geschäftsmann, der an diesem Tag noch 100-Prozent der Anteile an einer Firma besitzt, die nur auf dem Papier existiert – eine sogenannte „GmbH-Hülle“ –, der Slatin Handels GmbH.

Paul Slatin macht drei Dinge:

  1. Er benennt die Firma „Slatin Handels GmbH“ in „AHVV Verlags GmbH“ um.
  2. Er ändert den Unternehmenszweck: von „Handel mit Waren aller Art“ auf „Herausgabe von periodischen Druckwerken“, also einen Verlag.
  3. Und er ändert die Mehrheitsbeschlussfähigkeit der Gesellschaft: von 100% auf 75%.

Für Paul Slatin ergibt es keinen Sinn, zu diesem Zeitpunkt eine Mehrheitsbeschlussfähigkeit von 75 Prozent aufzusetzen – er ist der alleinige Eigentümer der AHVV. Nun kommt der Treuhänder ins Spiel. Sein Name ist Gerhard Nidetzky, ein SPÖ-naher Treuhänder, dessen Karriere einst in der Kanzlei von Ex-Finanzminister Hannes Androsch (SPÖ) begonnen hat. Nidetzkys Firma, die ALTA Wirtschaftstreuhandgesellschaft, übernimmt für 16.000 Euro sämtliche Anteile an der AHVV. Paul Slatin scheidet als Gesellschafter aus, fortan spielt er im Netz der Gratiszeitung keine Rolle mehr.

Der vierte Mann

Wer steckt hinter dem Treuhänder und der AHVV? Es müssen zumindest zwei Personen sein – im Verhältnis 74 zu 26. Nur so macht die Beschlussfähigkeit, die der Geschäftsmann Paul Slatin noch vor seinem Abgang niedergeschrieben hat, Sinn. Weil es sich um ein Treuhandverhältnis handelt, sind die Personen nicht im Firmenbuch ersichtlich, einzig Nidetzkys ALTA scheint dort als alleinige Eigentümerin auf. Es gibt sie: die Hintermänner.

Die Spur führt weiter, zur vierten Person, die an jenem 1. Juni 2004, dem Gründungstag, noch im Raum ist – Wolfgang Jansky. Jansky wird an diesem Tag Geschäftsführer der AHVV Verlags GmbH. Erst am Tag zuvor ist sein Dienstverhältnis im Wiener Rathaus ausgelaufen. Zehn Jahre lang war Jansky Pressesprecher von Wohnbaustadtrat Werner Faymann (SPÖ). Die Karrieren der beiden sind eng miteinander verbunden. Schon in ihrer Jugend hatten sie sich kennengelernt, engagierten sich Anfang der 1980er-Jahre bei den Wiener Jungsozialisten und der SPÖ-Bezirksorganisation Liesing. Als Faymann 1988 Geschäftsführer der Mietervereinigung wird, einer SPÖ-nahen Interessenvertretung, die sich für die Rechte von Mieterinnen und Mieter einsetzt, wird Jansky sein Mitarbeiter. Faymann und Jansky sind auch privat gut befreundet.

Bei der Mietervereinigung trifft das Duo einen weiteren Weggefährten, der bald im Netz der Gratiszeitung auftauchen wird: Josef Ostermayer, seit 2013 Bundesminister und damals leitender Jurist der Mietervereinigung. Als Helmut Zilk 1994 das Bürgermeisteramt an Michael Häupl (beide SPÖ) übergibt, wechselt das Trio geschlossen ins Wiener Rathaus: Faymann wird Wohnbaustadtrat, Ostermayer sein Bürochef und Jansky Pressesprecher.

Noch einmal zurück zum 1. Juni 2004. Jansky ist Geschäftsführer jener Firma, die bald Österreichs erfolgreichste Zeitung herausgeben wird. Und Jansky kann sich auf Inserate aus den Ressorts des Stadtrats freuen – bereits im März hat sein Chef Werner Faymann792.000 Euro für den Zeitraum August bis Oktober 2004 bereitstellen lassen. Ein Zufall, dass Heute just in dieser Zeit, am 6. September 2004, zum ersten Mal erscheint?

Im Juli 2004 berichten Zeitungen erstmals über einen Nachfolger des U-Express, Wiens erster Gratistageszeitung. Sie bringen die Urbania Privatstiftung ins Spiel. Josef Ostermayer, er sitzt dem Stiftungsrat der Urbania vor, dementiert sofort. Doch welche Stiftung soll es sonst sein? Weder Eva Dichands Pluto Privatstiftung noch die Periodika existieren zu dieser Zeit. Auch heute lässt Josef Ostermayer, der inzwischen Bundesminister für Kunst und Kultur geworden ist, dementieren: „Die Urbania Privatstiftung war während der Tätigkeit von Dr. Josef Ostermayer als ihrem Vorstandsvorsitzenden zu keinem Zeitpunkt an ‚Heute‘ beteiligt“, schreibt des Ministers Pressesprecher Nedeljko Bilalic Ende August 2014 in einer E-Mail.

Kurz nachdem am 6. September 2004 die erste Heute-Ausgabe aufliegt, entsteht die Periodika Privatstiftung. Im Vorstand sitzen: Wolfgang Jansky und Günther Havranek. Ein halbes Jahr später übernimmt die Periodika alle AHVV-Anteile für 16.000 Euro von Nidetzkys ALTA. Genau eine Woche nach dem Start der Gratiszeitung erklärt Josef Ostermayer dem Stifter der Urbania, der Wiener Städtischen Versicherung, seinen Rücktritt als Vorstandsvorsitzender. Im Oktober 2004 wird dieser im Firmenbuch vollzogen. Drei Monate später wird eine neue Firma gegründet, die Fidelis Medien und Zeitschriftenverlags GmbH; das Wohnmagazin und die Gratiszeitung sind bald miteinander verbunden – die Fidelis-Connection entsteht.

Die Fidelis-Connection

Ein Inserat ist wie ein Geldschein. Beides ist bedrucktes Papier, beides repräsentiert einen Wert. Im Netz der Gratiszeitung geht dieser in die Millionen. Bei Inseratengeldern handelt es sich zu erheblichen Teilen um Steuergeld oder um Kapital aus öffentlichen Unternehmen, die zumeist mit Steuergeld subventioniert werden. Während private Firmen genau planen, in welchen Medien sie wie viele Anzeigen schalten, sind Vertreter öffentlicher Stellen bei der Verteilung freizügiger – wie freizügig es zugehen kann, zeigt sich in der Fidelis-Verbindung: Zwischen Februar 2004 und September 2005 fließen Inserate im Wert von rund eineinhalb Millionen Euro von stadteigenen Unternehmen, die im Einflussbereich des einstigen SPÖ-Wohnbaustadtrats und heutigen Bundeskanzlers Werner Faymann standen, an ein Magazin, das er kurz zuvor gestartet hatte. Besorgt hatte die Inserate: Josef Ostermayer, des Stadtrats rechte Hand. Dazu aber gleich.

Zur Erinnerung: 2004 ist das Jahr der Neuerscheinungen, das Jahr der Zeitung. Seit Februar wird Gemeindebaumietern ein neues Heft in die Wohnungen geliefert, Die Stadt – Das Wohnmagazin für Wien. Ab September 2004 bekommt die Bundeshauptstadt mitHeute auch einen Ersatz für den Ende März eingestellten U-Express, Wiens erste Gratistageszeitung. Im Netz der Gratiszeitung entsteht zwei Tage vor Weihnachten 2004 ein neues Unternehmen, das bald zum Bindeglied in der Firmenkonstruktion wird: die Fidelis Medien- und Zeitschriftenverlags GmbH. Eigentümer der Fidelis sind einmal mehr die Urbania Privatstiftung (49%), Herausgeberin von Die Stadt, und Günther Havranek (51%), der SPÖ-nahe Treuhänder im Heute-Netz.

Im Februar 2005 übernimmt die Fidelis das Magazin Die Stadt. Erstmals betritt Eva Dichand offiziell das Parkett der heimischen Verlagsszene. Im Hintergrund scheint sie schon früher ihre Finger im Spiel gehabt zu haben. Ihr Name taucht in einer internen Kontaktliste des Wohnmagazins, die DOSSIER vorliegt, auf. Darin gibt Dichand noch eine E-Mail-Adresse eines anderen Arbeitgebers an, der Unternehmens-Invest AG (UIAG), einer Firma, die sich an mittelständischen Unternehmen im In- und Ausland beteiligt. In der Kontaktliste finden sich noch: die Namen von etlichen Krone-Journalistinnen und Journalisten; von Mitarbeitern des Stadtratbüros – so auch jener von Werner Faymanns Büroleiter, Josef Ostermayer.

Eva Dichand, seit 2002 mit Krone-Herausgeber Christoph Dichand verheiratet, leitet also seit Anfang 2005 offiziell die Agenden des Gemeindebaumagazins. Sie ist die Geschäftsführerin der Fidelis. Dem Wohnmagazin verpasst Eva Dichand einen Relaunch und einen neuen Namen, es heißt künftig Unsere Stadt. Gedruckt wird weiter bei Goldmann Druck in Tulln, den Vertrieb erledigt wie zuvor die feibra GmbH. Patricia Wallentin, die für das grafische Konzept von Heute verantwortlich zeichnet, scheint auch im Impressum des Gemeindebaumagazins als Layouterin auf. Im Blattinneren bekommt ihr Mann Tassilo Wallentin, ein Rechtsanwalt, der sich im September 2004 den Namen „Heute – Aktuell in den Tag“ schützen hat lassen, die Kolumne „Recht behalten“. Sie erscheint auf derselben Seite wie Eva Dichands Kolumne„Hinterfragt“.

Eineinhalb Millionen in 14 Ausgaben

Dichands Start ist ein fliegender. Das Branchenmagazin Der österreichische Journalistkürt sie bald zur „Medienmanagerin des Jahres 2005“. Es läuft prima für die Quereinsteigerin. Dichand kann sich über die wirtschaftliche Lage des Verlags und über Anzeigen freuen. Wie DOSSIER-Erhebungen zeigen, spülen Inserate von stadteigenen Firmen, die dem Ressort von Wohnbaustadtrat Werner Faymann nachgeordnet sind, dem Wohnmagazin ein kleines Vermögen in die Kassen: Von der ersten Ausgabe im Februar 2004 bis inklusive September 2005 schalten das Wohnservice Wien 68 Seiten, die Unternehmen von Wiener Wohnen 56, die Gesiba 32 und die Stadt Wien rund sieben Seiten Werbung in dem Magazin.

Top-Anzeigenkunden im Wohnmagazin (Die Stadt/Unsere Stadt), Februar 2004 bis September 2005

Der Preis pro Seite beträgt genau 10.000 Euro, ohne Steuern und Werbeabgaben. Legt man diesen Preis ohne Rabatte um, heißt das: Aus Firmen, die Werner Faymann unterstellt sind, fließen in 14 Ausgaben rund eineinhalb Million Euro in das Wohnmagazin. Möglich gemacht hatte das zu großen Teilen Josef Ostermayer. Während er im Büro des Stadtrats arbeitet und ab Mai 2004 den wohnfonds_wien (früher: Wiener Bodenbereitstellungs- und Stadterneuerungsfonds) leitet, besorgt er als Vorstandsvorsitzender der Urbania Privatstiftung (von Oktober 2003 bis Oktober 2004) Inserate für ein privates Magazin, in Millionenhöhe. Wie Insider von Wiener Wohnen, die ihre Namen nicht im Internet lesen wollen, DOSSIER berichteten, soll die rechte Hand des Stadtrats – ähnlich wie Jahre später bei den Staatsbetrieben ÖBB und ASFINAG – bei den Unternehmen von Wiener Wohnen vorstellig geworden sein.

„Die Anzeigen waren natürlich dafür gedacht, das Magazin zu finanzieren“, erklärt Elvira Franta, Sprecherin von Josef Ostermayer auf eine entsprechende Anfrage im Jahr 2012. Ostermayer hatte 2012 das Amt des Staatssekretärs für Medien im Bundeskanzleramt inne. „Dass Staatssekretär Ostermayer bei den von Ihnen genannten Unternehmen war, kann er nach acht Jahren noch definitiv bestätigen. Als Vorstandsvorsitzender der Urbania hat er Leistungsverträge mit diesen Unternehmen abgeschlossen. Darin waren gewisse Mengen an Leistungen enthalten: etwa der Vertrieb oder die Mutationen für Gemeinde- bzw. Genossenschaftswohnungen.“

Bei einem der stadteigenen Unternehmen dürften die Vertragsverhandlungen besonders leicht ausgefallen sein – „der Stadt Wien – Wiener Wohnen Hausbetreuungs GmbH“ (heute: Wiener Wohnen Haus- & Außenbetreuungs GmbH). Diese schaltete ganze Inseratenstrecken im Wohnmagazin, Gegenwert: mehrere hunderttausend Euro. Nachdem die damalige ÖVP-FPÖ-Regierung das Hausbesorgergesetz abgeschafft hatte, wurde die Hausbetreuungs GmbH 2002 gegründet, um in Wiens Gemeindebauten als Hausmeisterersatz etwa die Reinigung der Stiegenhäuser zu übernehmen. Am 1. Jänner 2004 wird Herbert Jansky einer der Geschäftsführer.

Herbert ist der um zwei Jahre jüngere Bruder von Wolfgang Jansky, Werner Faymanns ehemaligem Pressesprecher, der ab 1. Juni 2004 die Geschäfte der AHVV Verlags GmbH, dem Verlag hinter Heute, führen wird. Wie Wolfgangs ist auch Herbert Janskys Karriere eng mit Werner Faymann verknüpft. In einem Artikel, der Anfang 2009 im Monatsmagazin Datum erscheint, wird Herbert Jansky von mehreren SPÖ-Mandataren hinter vorgehaltener Hand als „Faymanns Dobermann”, der Mann fürs Grobe beschrieben. Kurz nach Erscheinen der Datum-Geschichte „Wiener Gras” muss Herbert Jansky trotz seiner guten Kontakte den Sessel räumen: Datum hatte Missmanagement und Parteibuch- wie Vetternwirtschaft – Herbert Jansky hatte etwa seinem Schwager Aufträge zugeschanzt – aufgedeckt.

Fidelis als Drehscheibe?

Zurück ins Netz der Gratiszeitung. Ende März 2005 geht es dort an anderer Stelle weiter. Der SPÖ-nahe Treuhänder Gerhard Nidetzky übergibt alle Anteile an der AHVV Verlags GmbH an die Periodika Privatstiftung. Für die nächsten sechs Monate gehörtHeute zu 100 Prozent der Periodika – bis im September 2005 das Verhältnis 74 zu 26wieder auftaucht: Die Fidelis übernimmt 74 Prozent an der AHVV und ist sowohl an dem Wohnmagazin als auch an Heute beteiligt. Die Periodika Privatstiftung hält die restlichen 26 Prozent. Fortan ist Eva Dichand nicht nur Chefin des Wohnmagazins. Bis zum heutigen Tag leitet sie gemeinsam mit dem Faymann-Vertrauten Wolfgang Jansky die Geschäfte der Gratiszeitung.

Doch warum wurde diese Konstruktion gewählt? Warum braucht es die Treuhänder und Privatstiftungen? Warum verschmelzen das Wohnmagazin und die Gratiszeitung miteinander? Kann es sein, dass Gelder, die zuvor durch Anzeigen im Wohnmagazin lukriert worden sind, von der Urbania über die Fidelis an Heute weitergeflossen sind? Eva Dichand streitet das in einer Stellungnahme am 26. April 2012 ab: „Es gab keine wirtschaftliche Verflechtung zwischen ‚Unsere Stadt‘, die von Fidelis Medien GmbH herausgegeben wurde und ,Heute‘, das von der AHVV herausgegeben wird.“ Auch Josef Ostermayer schreibt in einer E-Mail Ende August 2014:

„Die Einnahmen der Urbania Privatstiftung wurden ausschließlich kostendeckend für den Druck, den Vertrieb  und die Redaktion des Servicemagazins ,Die Stadt‘, die mit einer Auflage von 300.000 Stück Mieterinnen und Mietern in Gemeindewohnungen und geförderten Wohnungen zur Verfügung gestellt wurde, verwendet.“

Die nächsten 14 Monate sind das Wohnmagazin und Heute über die Fidelis verbunden, bis im November 2006 die Urbania ihren Anteil gänzlich an die Periodika weitergibt. Nichts leichter als das: Da wie dort sitzen Wolfgang Jansky und Günther Havranek im Vorstand. Das Wohnmagazin erscheint danach nur noch einmal, im Dezember 2006 – obwohl es voller Inserate war und wirtschaftlich ein Erfolg gewesen sein muss. Warum dann die Einstellung? „Weil ich als Person nicht Kapazität für zwei Projekte hatte“, erklärt Eva Dichand im April 2012 knapp.

Wenige Tage nachdem das Wohnmagazin im Dezember 2006 zum letzten Mal erscheint, wechselt Werner Faymann vom Wiener Rathaus in die Bundesregierung. Am 11. Jänner 2007 wird der Wohnbaustadtrat zum Verkehrsminister unter SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Josef Ostermayer wird des Ministers Kabinettschef. Rund zwei Wochen als Verkehrsminister im Amt – und das nächste Inseraten-Projekt ist auf Schiene: Gemeinsam mit der Kronen Zeitung läuft die Anzeigenserie „Unsere Bahn“ an. Ihren Start verkündet die Krone am 26. Jänner 2007 sogar auf der Titelseite.

Im Zwei-Wochen-Takt erscheinen doppelseitige Anzeigen, die als „Reportagen“ ausgewiesen sind. Für die Serie werden die ÖBB schließlich 500.000 Euro bezahlen müssen. Dafür greift Krone-Mann Michael Pommer in die Tasten; jener Journalist, der schon beim Wohnmagazin „Stadt-Reporter“ war und über Werner Faymann und das „Abenteuer Spielplatz“ geschrieben hatte – Berichte, die ähnlich wie bei der ÖBB-Serie Schleichwerbung sind. Vier Jahre später werden es die ÖBB-Inserate sein, die im Fokus staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen stehen. Die Beschuldigten des Verfahrens mit der Geschäftszahl 037 32 St 41/11x: Werner Faymann und Josef Ostermayer.

Das Hans-Dichand-Gerücht

Erst Jahre später wird bekannt, dass die Fidelis eigentlich ein Treuhandvehikel von Eva Dichands Pluto Privatstiftung ist. Im Mai 2012 legen die Heute-Herausgeberin und ihr Geschäftspartner Wolfgang Jansky offen, wer ab diesem Zeitpunkt hinter Heute steht. Sie kommen damit einer Änderung des Mediengesetzes zuvor, die am 1. Juli 2012 in Kraft tritt: Seither müssen – wie in modernen westlichen Demokratien längst üblich – auch Medien in der Republik Österreich melden, wer ihre „direkten oder indirekten“ Eigentümer, oder im Fall von Stiftungen, wer „die Begünstigten der Stiftung“ sind. Was im Netz der Gratiszeitung nicht verhindert, dass zwei zentrale Stiftungen – die Urbania und die Periodika – als Begünstigte „die Allgemeinheit” führen. 

Bei ihrem Schritt zu mehr Transparenz stützen sich die Heute-Macher auf Ermittlungen der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB). Eine Prüferin der BWB hatte zuvor aufgrund einer anonymen Anzeige untersucht, ob ein weiteres Mitglied der Familie Dichand an der Gratiszeitung beteiligt und somit ein meldepflichtiger Medienzusammenschluss nach dem Kartellrecht vorgelegen sein könnte. Hartnäckig hatte sich das Gerücht gehalten, hinter Heute könne der 2010 verstorbene Gründer der Kronen Zeitung, Hans Dichand, stehen.

Hans Dichand, Eva Dichands Schwiegervater, hatte einst selbst Gratiszeitung gemacht. Als einer der Mediaprint-Partner war Dichand Miteigentümer von Wiens erster Gratiszeitung, dem U-Express. Im Gegensatz zu seinen Partnern, der deutschen WAZ-Gruppe (heute: Funke-Mediengruppe) und der Raiffeisen Niederösterreich/Wien, wollte Hans Dichand den U-Express damals weiterführen. Doch Dichand zieht den Kürzeren. Wie beim Start vereinbart, wird die Gratiszeitung am 31. März 2004 eingestellt.

Im Alleingang eine Nachfolgerin auf den Markt zu bringen bleibt Hans Dichand Zeit seines Lebens verwehrt. Die Spekulationen, der Krone-Gründer könne hinter Heutestehen, verstummen dennoch nicht. Christian Nienhaus, bis Anfang 2014 Geschäftsführer der Funke-Mediengruppe, erklärt in einem Interview im Juni 2011, warum:

„Es gibt natürlich Ähnlichkeiten zwischen ,Heute‘ und der ,Kronen Zeitung‘, die darauf hindeuten: wie die Zeitung gemacht ist und die Journalisten, die einmal für die ,Krone‘, dann für ,Heute‘ schreiben. Wenn jemand nachweisen kann, dass Dichand Senior daran beteiligt war, würden wir den goldenen Recherchepreis verleihen. Das wäre ein Grund gewesen, um Herrn Dichand aus der ,Kronen Zeitung‘ auszuschließen, weil es die vertragliche Verpflichtung gibt, dass man nicht an einem Konkurrenzmedium beteiligt sein darf.“

Nein, nicht Hans Dichand steckte dahinter, urteilt jedenfalls die Mitarbeiterin der BWB im Mai 2012. Es lag kein Zusammenschluss zwischen Heute und der „Gruppe Dichand“, wie sie es in einem Fax nennt, vor. Die Prüferin bescheinigt: „Vielmehr ist die Fidelis seit Dezember 2005 treuhändisch für die Pluto Privatstiftung tätig.“ Die „wahren Eigentümer von AHVV“, der Firma hinter Heute, seien somit seit 2005 die beiden Stiftungen Pluto und Periodika. Doch auch hier zeigt sich bei genauerem Hinsehen ein weiterer Widerspruch: Die Stiftungsurkunde der Pluto Privatstiftung wird erst am 19. Dezember 2005 aufgesetzt. Die Fidelis war aber laut Firmenbuch schon seit September 2005 an Heute beteiligt – es fehlen drei Monate.

Inserate machen den Ton

„Inserieren heißt nicht, Zeitungen und Journalisten zu kaufen.“

Josef Ostermayer, parlamentarischer Untersuchungsausschuss, Oktober 2012

Im Sommer 2008 platzt die große Koalition. Der Auslöser: Ein Brief, den Werner Faymann an Hans Dichand, den damaligen Herausgeber der Kronen Zeitung schreibt. Verkehrsminister Faymann lenkt darin auf die EU-kritische Linie der größten Tageszeitung des Landes ein. Noch-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) unterschreibt neben Faymann. Kurze Zeit später gibt er den Vorsitz ab. Werner Faymann wird SPÖ-Chef und führt die Partei in den Nationalratswahlkampf 2008.

Im Wahlkampf wird Faymanns enge Beziehung zu Österreichs Boulevard politisches Thema. In der Causa „Inserate“ taucht ein Vorwurf auf, der lange nicht zu beweisen war: Politikerinnen und Politiker würden versuchen, über Inseratengelder Einfluss auf die Einstellung von Zeitungsmachern oder gar auf die Berichterstattung zu nehmen. Können sich Politiker tatsächlich das Wohlwollen einer Zeitung erkaufen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Anzahl geschalteter Inserate und der Berichterstattung?

Heute-Schlagzeile, Seiten 10 und 11, 3.10.2006

Heute-Schlagzeile, Seite 4, 7.11.2007

Heute-Schlagzeile, Seite 1, 17.6.2008

Der Frage nach einer Wechselwirkung zwischen Anzeigenvolumina und Berichterstattung in österreichischen Tageszeitungen gingen die Politologen Günther Lengauer und Lore Hayek von der Universität Innsbruck wissenschaftlich nach. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie 2012 im Sammelband „Erfolgreich wahlkämpfen“. Zu Beginn ihrer Arbeit hätten die Forscher nicht damit gerechnet, „dass wir tatsächlich signifikante Ergebnisse erhalten, weil wir davon ausgegangen sind, dass das in österreichischen Zeitungen nicht möglich ist“, sagt Hayek. Doch sie wurden fündig.

 

Bewertungs- und Anzeigenverhältnis in Heute, „Erfolgreich wahlkämpfen“, Seite 179

Hayek und ihr Kollege stellten in den Boulevardzeitungen Heute und Österreich einen wissenschaftlich eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Inseratenvolumen und positiver Berichterstattung fest. In Heute etwa inserierten die SPÖ und die FPÖ im Vergleich zu anderen Parteien im Wahlkampf 2008 am meisten. Über die Spitzenkandidaten der beiden Parteien wurde überdurchschnittlich gut berichtet.Heute-Herausgeberin Eva Dichand schreibt dazu in einer E-Mail:

„Ihre Behauptung hinsichtlich Inserate beeinflussen Inhalte…SPÖ und FPÖ wären verstärkt vorgekommen, ist insofern FALSCH, da die Redaktion von Heute überhaupt keine Schnittstelle zur Verkaufsabteilung hat – außer die technische Produktion. Alleine die unterschiedlichen parteipolitischen Inhalte von FPÖ und SPÖ, die angeblich in Heute verstärkt vorgekommen sind, führen Ihre Behauptung ad absurdum, da diese gegensätzlicher nicht sein könnten. Im Übrigen war im Nationalratswahlkampf 2008 die ÖVP von den politischen Parteien der größte Werbekunde in Heute.“

Die DOSSIER-Erhebung sämtlicher Anzeigen in der Wien-Ausgabe von Heute zeigt ein anderes Bild. In den sechs Wochen vor der Nationalratswahl am Ende September 2008 zählte DOSSIER 15,88 Seiten Inserate der SPÖ, 13,5 Seiten der FPÖ und 6,75 Seiten der ÖVP. Das BZÖ schaltete im selben Zeitraum vier, die Grünen nicht ganz eine Seite.

 

Der Abgang des Chefredakteurs

Das Jahr 2011, sieben Jahre Heute. Im März wechselt erstmals der Chefredakteur der Gratiszeitung. Nach Differenzen mit der Geschäftsführung nutzt Richard Schmitt sein Rückkehrrecht und geht zu einem früheren Arbeitgeber zurück, der Kronen Zeitung. Wolfgang Ainetter folgt Schmitt nach. Ainetter leitete zuvor das Ressort „Nachrichten” beim deutschen Boulevardriesen Bild. Nach nur acht Monaten verkündet auch er seinen Abgang. Offiziell heißt es: Inhaltliche Differenzen zwischen ihm, dem Chefredakteur, und der Geschäftsführung beim Layout und der Kennzeichnung von Inseraten. Aber war das alles? Ainetters Ausscheiden fällt in eine Zeit, in der Medien gerade über „Faymanns falsche Freunde” berichten. Ein Abgang in sechs Schritten. Die Fortsetzung folgt unter der Chronologie. 

Quelle: parlament.gv.at

  1. September 2011

Faymann goes Facebook

Bundeskanzler Werner Faymann ist fortan im sozialen Netz aktiv. Sein Profil geht auf Facebook online. In der parlamentarischen Anfragebeantwortung 9535/AB wird Faymann später die Kosten für „die Nutzung von Sozialen Netzwerken” des Bundeskanzleramts (BKA) auflisten: insgesamt 100.828 Euro.

Quelle: www.facebook.com/bundeskanzlerfaymann

  1. Oktober 2011

Das 1. Posting

Am Nationalfeiertag erscheint des Kanzlers erstes Facebook-Posting: „Herzlich Willkommen auf meiner Facebook-Seite! Ich freue mich sehr auf den Dialog mit Ihnen und bin gespannt auf die Erfahrungen in diesem für mich neuen Medium.“

Quelle: Heute vom 7.11.2011

  1. November 2011

Kanzler rettet Handy, Profil boomt

Heute-Schlagzeile, Seite 8: „Marie (13): ‚Der Kanzler holte mein Handy aus dem Kanal.‘“ Folgendes hatte sich zugetragen: Werner Faymann spaziert mit seiner Gattin, der Wiener Abgeordneten Martina Ludwig-Faymann, am Piratenspielplatz in seinem Heimatbezirk Wien-Liesing vorbei, als das Handy der 13-jährigen Marie in den Kanal fällt. Der Kanzler ist zur Stelle, bastelt ein Netz und fischt das Telefon heraus. „Glück für Faymann“, schließt der Heute-Text: „Jetzt boomt endlich auch sein neues Facebook-Profil. Die Handy-Aktion hat ihm mehr ,Freunde‘ eingebracht als der Kampf um den Euro.“

Quelle: www.datum.at

  1. November 2011

Des Kanzlers falsche Freunde

Das Monatsmagazin Datum berichtet, dass des Kanzlers Facebook-Freunde sogenannte „Marionettenprofile“ haben und ausschließlich Kommentare voller Lob posten. Das jedenfalls vermutet Judith Denkmayr, Geschäftsführerin der Social-Media-Agentur „Digital Affairs” gegenüber dem Magazin: „Entweder es handelt sich dabei um Personen, die ausschließlich wegen des Kanzlers auf Facebook sind oder eben um so genannte Sock Puppets, die eingesetzt werden, um im Sinne der Plattformbetreiber zu agieren. Ich finde auch die Sprache dieser Kommentare, die Schreibweise, den Ausdruck verdächtig ähnlich.“

 

  1. OKTOBER 2011

Das 1. Posting

Faymann goes Facebook

Das 1. Posting

Kanzler rettet Handy, Profil boomt

Des Kanzlers falsche Freunde

„Heute” deckt auf

Der Chefredakteur geht

Reicht der Einfluss der SPÖ bis in die Heute-Redaktion? Wurde eine für den SPÖ-Parteivorsitzenden brisante Geschichte abgedreht? Bis heute will Wolfgang Ainetter, der heute die Redaktion der Nachrichtenillustrierten News leitet, kein Interview zu den Ereignissen des 23. November 2011 geben.

Am 7. Februar 2012 gab Heute-Herausgeberin Eva Dichand dem Branchenmagazinmedianet ein Interview.

medianet: Es gab Gerüchte, der nun abgesetzte Wolfgang Ainetter hätte zu SPÖ-kritisch agiert?

Dichand: Das stimmt nicht. Da wird uns jahrelang vorgeworfen, wir sind zu SPÖ-nah, dann schreibt man was SPÖ-Kritisches, das passt auch nicht. Man muss sich mal entscheiden, in welches Eck man uns stellt. Heute wurde uns zu Bild-ähnlich. Wir möchten uns qualitativ aber ganz deutlich davon abgrenzen.

Ainetters Reaktion folgte prompt: „Ich lege Wert auf folgende Feststellung“, schrieb er tags darauf online unter das Interview: „Die einvernehmliche Trennung kam auf meine Initiative zusammen. Grund: Unabhängiger, kritischer Journalismus wäre aus meiner Sicht nicht mehr möglich gewesen. Bei den Gesprächen mit der Geschäftsführung ging es nie um die Frage der Qualität, sondern immer um die Frage von politischer und ökonomischer Einflussnahme auf die Redaktion. Dafür gibt es Zeugen.“

 

Rätselhafte Millionen

2011, Jahr sieben im Netz der Gratiszeitung. Heute ist Marktführerin in Wien, österreichweit wird sie bald nur noch hinter der Kronen Zeitung auf Platz zwei liegen. Der Aufstieg der Gratiszeitung ist in Österreichs Zeitungsmarkt bespiellos. Die Jahresabschlüsse belegen den Erfolg: Bereits im zweiten Geschäftsjahr (2005) bilanziert die AHVV Verlags GmbH, die Firma hinter Heute, mit 454.771,96 Euro positiv. Insgesamt schütten sich die Gesellschafter der AHVV seit der Gründung Gewinne von rund 38,5 Millionen Euro aus; davon alleine im Jahr 2011 32,4 Millionen. Hier gehen die Widersprüche im Netz der Gratiszeitung weiter: Wer sich die Zahlen näher ansieht, stößt auf rätselhafte Geldflüsse.

Geschäftsverlauf der AHVV Verlags GmbH 2004 bis 2012

So erhält die AHVV im Jahr 2011 einen „Gesellschafterzuschuss über 30 Mio. Euro“, wie es in der Bilanz der Firma heißt. Im selben Geschäftsjahr zahlen sich die Gesellschafter fast exakt dieselbe Summe, nämlich 32,4 Millionen Euro, wieder aus – „im Ausmaß der Beteiligungsverhältnisse“. Heute-Herausgeberin und Geschäftsführerin Eva Dichand gibt Ende August 2014 dazu gegenüber DOSSIER keine Erklärung ab. Ihr Kollege in der Geschäftsführung, Wolfgang Jansky, stellte im Jahr 2011 bereits klar:

„ (…) zu aktuellen, aber auch historischen, strategischen Entscheidungen des Verlages, damit verbundenen Kosten, sowie wirtschaftlichen Fragen geben wir, wie jedes andere Unternehmen, keine Informationen nach außen.“

Bilanzexpertinnen und -experten, die DOSSIER dazu befragte, reagierten erstaunt. „Das ist unüblich“, sagt eine; „erstaunlich“ nennt es ein anderer. Richtig einen Reim können sie sich auf den Vorgang nicht machen. Das Unternehmen, die AHVV Verlags GmbH, steht wirtschaftlich gut da. In den Jahresberichten wird die wirtschaftliche Lage „in jeder Hinsicht als zufriedenstellend“ beschrieben, Schulden bei Kreditinstituten finden sich in den Bilanzen keine, auch die Konten sind prall gefüllt – um einen Zuschuss, der das Unternehmen stützen soll, kann es sich nicht handeln.

Was steckt dann dahinter? Eine mögliche Erklärung: eine Kapitalverteilung. Würde ein Gesellschafter Geld in das Unternehmen einlegen, entstünde daraus ein Bilanzgewinn über denselben Betrag – sofern das Unternehmen, wie im Fall von Heute, keine Verluste schreibt. Dieser Bilanzgewinn könnte in weiterer Folge an alle Gesellschafter ausgeschüttet werden. Das hieße: Das Kapital fließt von einem Gesellschafter, der das Geld einlegt, zu anderen – „im Ausmaß der Beteiligungsverhältnisse“. Im Netz der Gratiszeitung taucht das Verhältnis von 74 zu 26 wieder auf.

Zur Erinnerung: Schon bei der Gründung der Gratiszeitung am 1. Juni 2004 müssen zumindest zwei Personen im Verhältnis 74 zu 26 hinter dem damaligen Treuhänder, dem SPÖ-nahen Steuerberater Gerhard Nidetzky, gestanden sein. Im Frühjahr 2005 übernimmt die Periodika Privatstiftung alle Anteile an Heute. Ein halbes Jahr später beteiligt sich die Fidelis Medien- und Zeitschriftenverlags GmbH zu 74 Prozent an Heute,die Fidelis-Connection entsteht. Nun halten zwei Stiftungen die Anteile: Die Periodika Privatstiftung ist unmittelbar zu 26 Prozent an der Gratiszeitung beteiligt. Die Urbania Privatstiftung hält indirekt – über die Fidelis – 37,74 Prozent. Am 14. November 2006 überträgt die Urbania ihre Anteile an die Periodika, der Jansky-Havranek-Deal wird vollzogen. Von November 2006 bis Mai 2012 sieht das Netz so aus:

Heute-Firmenkonstruktion zwischen November 2006 und Mai 2012

Im relevanten Geschäftsjahr, dem Jahr 2011, in dem die AHVV-Gesellschafter rund 30 Millionen Euro ins Unternehmen schießen und sich diese gleich wieder auszahlen, hält die Fidelis laut Firmenbuch 74 Prozent der Anteile, die restlichen 26 besitzt die Periodika. Ein Jahr später wird bekannt und von der Bundeswettbewerbsbehördebescheinigt, dass der eigentlich im Firmenbuch ersichtliche Eigentümer der Fidelis, Günther Havranek, seit Dezember 2005 die Anteile treuhändisch hält. Treugeberin istHeute-Herausgeberin Eva Dichand. Sollte es sich also tatsächlich um eine Kapitalverteilung handeln, stellt sich die Frage: Fließt das Geld von Eva Dichand an die Periodika Privatstiftung oder umgekehrt? Eine spannende Frage – nur jene, die sie beantworten könnten, schweigen.

 

DOSSIER-Erhebung: Inserate politischer Parteien, Heute-Wien-Ausgabe, 15.8.2008 – 29.9.2008

Doch in der politischen Meinungsbildung geht es in erster Linie nicht um Inserate. Wie eine Wähler-Befragung der Austrian National Election Study (AUTNES) nach der Nationalratswahl 2008 zeigt, kommt es beim Einfluss auf die Wahlentscheidung allen voran auf redaktionelle Inhalte an. Inserate in der politischen Werbung haben nur begrenzte Wirkung – lediglich 15 Prozent der Wählerinnen und Wähler beurteilten Inserate als eine wichtige politische Informationsquelle. Ganz anders sieht es bei redaktioneller Berichterstattung aus. Rund 72 Prozent der Befragten erachten Zeitungsberichte als entscheidungsrelevant. Ein Inserat ist eben leicht als Werbung auszumachen, redaktionelle Berichte vermitteln hingegen den Eindruck von journalistischer Unabhängigkeit. Über Faymann wurde in Heute während des Wahlkampfs 2008 positiv berichtet, während die SPÖ bester Werbekunde der Gratiszeitung war. Laut Eva Dichand stehe das allerdings in keinerlei Zusammenhang. Die Innsbrucker Politologen Lengauer und Hayek ziehen ein anderes Resümee:

„Tatsächlich gibt es einen punktuellen nachweisbaren Zusammenhang zwischen Anzeigenvolumen und Tonalität in der Berichterstattung, natürlich konterkariert oder auch unterstützt von anderen begleitenden Faktoren, wie Seilschaften oder Bindungen auf vielerlei Ebenen (…).“

Am Ende geht die Wahl für Werner Faymann gut aus: Am 28. September 2008 fährt der SPÖ-Bundesparteivorsitzende mit 29,3 Prozent der Stimmen zwar das bis dahin schlechteste Ergebnis in der Geschichte der Partei ein, zum Bundeskanzler reicht es trotzdem. Faymanns Inserate bleiben politisches Thema. Bald zeigt sich der Faymann-Effekt in den Anzeigenkurven der Gratiszeitung Heute.

 

Gute Geschäfte, bessere Verbindungen

  1. September 2014, 01:46 Uhr. Eva Dichand twittert ein Foto. Wenige Stunden zuvor hat die Heute-Geschäftsführerin zum „Fest des Jahres“ geladen. Der Anlass: das zehnjährige Jubiläum der Gratiszeitung. Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Society ist ihrer Einladung ins Untere Belvedere in Wien gefolgt. Der Bundeskanzler, sieben Ministerinnen und Minister, drei Landeshauptleute, die Chefs der politischen Opposition und ein Kardinal. „Fast ein Staatsakt”, nennt es die APA in einer Meldung. Offen werden die Verbindungen zwischen der Heute-Chefetage und Österreichs Politik zur Schau getragen. Was der Öffentlichkeit nicht gesagt wird: In den vergangenen zehn Jahren inserierten öffentliche Stellen bzw. Unternehmen um rund 84 Millionen Euro in der Gratiszeitung. Dabei handelt es sich um Steuergeld oder um Kapital aus öffentlichen Unternehmen, die in vielen Fällen mit Steuergeld subventioniert werden. Gute Geschäfte. Was den Leserinnen und Lesern noch verschwiegen wird, sind die besseren Verbindungen im Hintergrund. Im Netz der Gratiszeitungbleiben diese oft im Verborgenen – wie auch jene zu Martina Ludwig-Faymann, SPÖ-Abgeordnete im Wiener Landtag und Ehefrau von SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann.

Die Gattin des Kanzlers

Wie DOSSIER-Recherchen zeigen, taucht des Kanzlers Gattin schon im Jahr 2007 im Netz der Gratiszeitung auf. Zu dieser Zeit soll sie beim Launch des Gratis-Wochenendmagazins LiVE mitgearbeitet haben, wie ehemalige Heute-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter DOSSIER erzählen. Auf DOSSIER-Anfrage streitet das Ludwig-Faymann ab. „Ich war zu keinem Zeitpunkt bei ‚Heute’ beschäftigt“, es seien nie Unvereinbarkeiten vorgelegen, schreibt die SPÖ-Landtagsabgeordnete in einer E-Mail. Da es in diesem Fall aber nicht um die Gratiszeitung, sondern um ein mit Heute eng verwandtes Medienprodukt, das Wochenendmagazin LiVE geht, fragt DOSSIER nach:

„Nach den uns vorliegenden Informationen waren Sie beim Launch des Wochenmagazins ‚LiVE’ für die FF Zeitschriftenverlags GmbH mit der damaligen Geschäftsanschrift Heiligenstädter Straße 52 tätig. Die FF gehörte laut Firmenbuch damals der AHVV Verlags GmbH, also dem Verlag hinter ‚Heute’. FF-GeschäftsführerInnen waren Eva Dichand und Wolfgang Jansky.

  • Welches Arbeitsverhältnis hatten Sie mit der FF Zeitschriftenverlags GmbH (zB. Werkvertrag,…)?
  • Wie hoch waren die Einkünfte, die Sie für Ihre Tätigkeit für die FF Zeitschriftenverlags GmbH erhielten?”

Das war am 1. September 2014, eine Antwort der Abgeordneten steht bis heute aus. 2011 berichtete die Stadtzeitung Falter über einen anderen Job von Martina Ludwig-Faymann. Dem Artikel zufolge packte sie beim Relaunch von Fair Wohnen, dem Mitgliedermagazin der „Mietervereinigung Österreichs“, einer SPÖ-nahen Interessenvertretung für Mieterschutz und Mietrecht, mit an. Fair Wohnen wurde damals wie heute von der QMM Quality Multi Media GmbH produziert; einer Firma, die der Periodika Privatstiftung und damit einer Heute-Eigentümerin gehört.

Aber kurz zurück zum Wochenendmagazin. LiVE startet am 16. März 2007 und liegt der werktags erscheinenden Gratiszeitung Heute fortan am Freitag bei. Herausgegeben wird LiVE von der FF Zeitschriftenverlags GmbH. Zwischen Dezember 2006 und Jänner 2008 ist die AHVV Verlags GmbH, der Verlag hinter Heute, einzige Eigentümerin. Sie hatte die Anteile von einer alten Bekannten im Firmennetz übernommen: der Urbania Privatstiftung – jener Stiftung, die einst auch über die Fidelis-ConnectionEigentümerin der Gratiszeitung Heute war; jener Stiftung, die einst das von Werner Faymann initiierte Wohnmagazin Die Stadt herausgegeben hatte; jenes Magazin, für das Faymanns rechte Hand, Josef Ostermayer, einst Inserate in Millionenhöhe besorgt hatte; jenes Magazin, das im selben Monat, in dem sich die AHVV an der FF beteiligt, dem Dezember 2006, zum letzten Mal erscheint.

Auf Du und Du im Café Demel

Besonders engmaschig ist das Netz zwischen SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann undHeute-Geschäftsführerin Eva Dichand. Gemeinsam mit anderen gründen der damalige Wiener Wohnbaustadtrat Faymann und die Noch-Investmentbankerin im Frühjahr 2004 den Rotary Club „Wien-Stephansplatz“, Clubnummer 65.254. Die Mitglieder sind per Du und treffen sich jeweils mittwochs um 13 Uhr in den Räumen des Café Demel – einst Sitz von Udo Prokschs „Club 45“. Andere Rotarier nennen den Club „Wien-Stephansplatz“: „Ehrgeizler-Loge“. 2006 wird auch Josef Ostermayer als Mitglied aufgenommen.

Die Medienszene betritt Eva Dichand erstmals offiziell im Februar 2005 – als Herausgeberin des von Werner Faymann initiierten Gratismagazins Die Stadt. Ein toller Start für Dichands Medienkarriere: Im September desselben Jahres übernimmt sie die Geschäftsführung der AHVV Verlags GmbH, dem Verlag hinter Heute. Neun Jahre später ist Dichand Geschäftsführerin und Herausgeberin der größten Zeitung Wiens und der zweitgrößten des Landes. Auch für Werner Faymann geht es steil bergauf, seit 2008 regiert er die Republik. Dichands Karriere begleitet er freundschaftlich. So fährt Faymann am 1. Juli 2009, mittlerweile Bundeskanzler, in den 19. Wiener Gemeindebezirk, um der Heute-Geschäftsführung – seinem alten Bekannten und Weggefährten Wolfgang Jansky und seiner rotarischen Freundin Eva Dichand – zur neuen Redaktion zu gratulieren. Gemeinsam mit Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) durchschneidet Faymann das rote Band und eröffnet den Newsroom. Wenige Stunden später begeht er sein erstes Kanzlerfest. Doch die Verbindungen im Netz der Gratiszeitung sind noch enger und reichen noch weiter zurück als ins Jahr 2004 und zur Gründung des Rotary-Clubs „Wien-Stephansplatz“. Viel weiter.

Heute-Co-Geschäftsführer Wolfgang Jansky und Bundeskanzler Werner Faymann kennen sich bereits seit ihrer Jugend: Faymann und Jansky engagieren sich Anfang der 80er-Jahre gemeinsam bei den Wiener Jungsozialisten und später bei der SPÖ-Bezirksorganisation Wien-Liesing. Dort treffen sie auf Mitstreiter, auf langjährige Weggefährten: Christian Deutsch etwa, seit 2001 SPÖ-Abgeordneter zum Wiener Landtag und Mitglied des Gemeinderates und Doris Bures, ehemals Verkehrsministerin (2008 bis 2014) und seit 2. September 2014 Präsidentin des österreichischen Nationalrats.

Bures ist die ehemalige Lebensgefährtin des Heute-Geschäftsführers Wolfgang Jansky. Gemeinsam haben sie eine Tochter. Auf eine andere private Beziehung des Geschäftsführers war DOSSIER bei seinen Recherchen im Jahr 2012 im Staatssekretariat von Josef Ostermayer gestoßen: Elvira Franta. Franta war damals Ostermayers Pressesprecherin, heute arbeitet sie im Wiener Rathaus. 2012 bestätigte sie DOSSIER, dass Josef Ostermayer im Jahr 2004, dem Jahr der Zeitung, für das Wohnmagazin Die Stadt Inserate beschafft hatte. Zehn Jahre später stoßen sie gemeinsam im Unteren Belvedere auf den Erfolg der Gratiszeitung Heute an.

Staatsaffäre Inserate

Update am 12.09.2014:

Die Ermittlungen gegen Werner Faymann, Josef Ostermayer, Doris Bures und Nikolaus Berlakovich wurden allesamt im Herbst 2013 eingestellt. Am 6. November 2013 kündigte die Staatsanwaltschaft Wien an, die Begründung für die Einstellung der Ermittlungen gegen Faymann und Ostermayer zu veröffentlichen – bis heute ist dasnicht passiert.

Die Republik hat ein Problem. Gegen vier von 18 Mitgliedern der Bundesregierung ermittelt die Staatsanwaltschaft. Obwohl die Verfahren unabhängig voneinander laufen, haben alle vier Fälle etwas gemeinsam: Es geht um die Vergabe von Inseraten und den Verdacht der Untreue.

leer
leer
leer
leer
leer
leer
leer
leer
leer
leer
leer
leer
leer
leer
leer
leer
leer
leer

Ob die betroffenen Regierungsmitglieder gegen das Gesetz verstoßen haben, muss die Justiz klären. Dass die „Inseratenaffäre“ von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) das Potenzial zur Staatsaffäre hat, steht seit dem vorzeitigen Ende des Untersuchungsausschusses für viele außer Zweifel. Im Oktober 2012 hatten Abgeordnete der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP den Ausschuss beendet. In ihremAbschlussbericht schreiben die Grünen: „Der Untersuchungsgegenstand Regierungsinserate litt neben dem Beweisthema ‚Telekom-Ostgeschäfte’ am meisten unter der von den Regierungsparteien erzwungenen raschen Beendigung des Untersuchungsausschusses.“

Bevor der Ausschuss beendet wurde, hatten die Grünen eine Rechnungshofprüfung der Schaltung von Inseraten staatsnaher Betriebe und der Bundesministerien verlangt. Für sie steht die Frage im Raum, „inwieweit derartige Praktiken nicht auch in anderen staatlichen Einrichtungen üblich sind, ob also die zuletzt diskutierten Fälle nicht bloß die Spitze des Eisberges darstellen“. 

Sind die Fälle, die bislang öffentlich bekannt sind und in denen Staatsanwälte ermitteln, nur Teil eines Systems? Oder sind es Einzelfälle von Ministern, die sich auf eigene Faust an die Grenzen der Legalität begeben haben? Dossier hat die Inseratenvergabe der Regierung untersucht, mit Zahlen aus Deutschland verglichen und versucht einzelne Deals im Detail nachzuvollziehen. Das Ergebnis: Zumindest in einem Fall bezahlte ein bislang unbeteiligtes Ministerium mehr als das Doppelte des Listenpreises für ein Inserat.

Österreichs Ministerien zahlten mehr als deutsche

Wie tief die Affäre tatsächlich reicht, war und ist hierzulande nur schwer herauszufinden. Während deutsche Ministerien in Quartalsberichten ihre Kosten für Öffentlichkeitsarbeit seit Jahren auf den Cent genau offenlegen und online veröffentlichen, gab es in Österreich vor dem in Juli 2012 in Kraft getretenen Medientransparenzgesetz nur eine Möglichkeit, an Zahlen zu kommen: Abgeordnete mussten im Nationalrat Anfragen über die Verwendung der Steuergelder für Werbezwecke der Ministerien stellen.

Dossier hat die Anfragebeanwortungen für das Jahr 2010 ausgewertet. Demnach gaben Österreichs Ministerien rund 26,5 Millionen Euro für Inserate in Printmedien aus. Ein Vergleich mit Deutschland hilft, die Höhe der Werbeausgaben einzuordnen: Die deutsche Bundesregierung hat im selben Jahr Anzeigen im Wert von rund 23 Millionen Euro geschaltet. Das nach der Einwohnerzahl um circa den Faktor zehn kleinere Österreich zahlte also mehr Geld für Werbung als Deutschland. 

Was den Vergleich noch deutlicher macht: Deutschlands 23 Millionen Euro beinhalten nach Angaben einer Regierungssprecherin auch Anzeigen, die nicht als Öffentlichkeitsarbeit gelten, wie etwa Stellenanzeigen. Außerdem inkludieren sie Schaltungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung – ohne letzteren Posten liegen die Ausgaben der deutschen Ministerien bei nur 17 Millionen Euro.

Zu viel bezahlt

Österreichs Ministerinnen und Minister inserierten in der Vergangenheit viel und oft. In ihre Werbebudgets ließen sie die Öffentlichkeit aber nicht schauen. Schon gar nicht im Detail. Die Ministerien führten in den Anfragebeantwortungen lediglich die Gesamtkosten für Inseratenschaltungen an. Erscheinungsdaten und die Kosten einzelner Anzeigen blieben geheim. Die ordnungsgemäße und wirtschaftliche Verwendung von Steuergeldern ist in diesen Fällen ohne Einblick in die Rechnungen, unmöglich nachzuvollziehen. Lediglich ein Minister gab für das Jahr 2010 detailliert Antwort – Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ).

Dossier hat die Angaben des Gesundheitsministeriums mit der eigenen Inserate-Erhebung in der Gratistageszeitung „Heute“ verglichen. Just in jener schmalen Stichprobe, die für die Öffentlichkeit nachvollziehbar dokumentiert ist, tauchen einige Unklarheiten auf. So hat das Gesundheitsministerium im Jahr 2010 in einem Fall für ein Inserat mehr als das Doppelte des Listenpreises bezahlt. Das geht aus derAnfragebeantwortung 8664/AB hervor, in der Stöger angibt, dass am 12. April 2010 in der Gratistageszeitung „Heute“ die „Ernährungskampagne“ des Ministeriums beworben wurde. Kosten der Einschaltung: 18.900 Euro.

Tatsächlich erschien am 12. April 2010 ein Inserat des Gesundheitsministeriums auf Seite 10 in „Heute“. Auf den ersten Blick ist es allerdings nicht auszumachen: eine Viertelseite, ohne Kennzeichnung, als redaktioneller Artikel getarnt; ein Advertorial also. In seiner ersten Erhebung rutschte Dossier dieses Inserat durch, da es entgegen der gesetzlichen Pflicht nicht als Werbung ausgewiesen war.

Für das viertelseitige Advertorial bezahlte das Ministerium 18.900 Euro. Dividiert man den von „Heute“ für 2010 ausgewiesenen Preis für ein ganzseitiges Inserat (26.046,72 Euro, inkl. Werbeabgabe und Umsatzsteuer) durch vier, ergibt das einen Preis von 6.511,68 Euro für eine Viertelseite. Rechnet man, wie in der Tarifliste von „Heute“ ausgewiesen, einen Zuschlag von 25 Prozent für ein Advertorial hinzu, kommt man auf 8.139,60 Euro – eine Differenz von 10.760,40 Euro gegenüber den von Alois Stöger angegebenen Kosten.

Sigrid Rosenberger, Sprecherin des Ministers, erklärt die Differenz so: „Die Summe über 18.900 Euro umfasste eine Kooperation inkl. eines umfassenden Leistungspaketes (Inserat, Logo-Präsenz usw.) im Rahmen der Aktion ‚Heute sucht das Superbaby’.“ Außer der redaktionellen Einschaltung gibt es an diesem Tag aber keine „Logo-Präsenz“. Was wiederum die Frage aufwirft: Was war die Leistung?

Es ist eine Stichprobe, die einen weiteren Einblick in die Vergabepraxis jener 26 Millionen Euro bietet, die sich österreichische Ministerinnen und Minister Werbung im Jahr 2010 kosten ließen. Mit 1,1 Millionen Euro liegt das Gesundheitsministerium dabei lediglich im Mittelfeld.

———————————————————————————————————————————

Das Ermittlungsverfahren

„Falls alles in Österreich doch noch mit rechten Dingen zugehen wird, dann wird Werner Faymann es irgendwann – Zeitpunkt unbekannt – bereuen, nicht vor dem Untersuchungsausschuss zu seiner Inseratenaffäre ausgesagt zu haben. Wie die jüngste Entwicklung zeigt, hat er gegen eine Grundregel in der Politik verstoßen, die da lautet: Alles, was nicht umgehend aufgeklärt wird, verfolgt den Betreffenden immer wieder. Es verschwindet einfach nicht.“

Anneliese Rohrer, Die Presse, 8. November 2013

Das hat es in Österreich zuvor noch nicht gegeben: staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen einen amtierenden Bundeskanzler. Fast zweieinhalb Jahre begleiten die Vorwürfe der Untreue (§153 StGB) und der falschen Zeugenaussage (§288 StGB) den zwölften Bundeskanzler der Zweiten Republik. In den Medien werden die Vorwürfe schlicht als „Inseratenaffäre“ bezeichnet. Im Kern geht es um die Frage, ob Faymann in seiner Zeit als Verkehrsminister (2007 bis 2008) gemeinsam mit seinem damaligen Kabinettschef Josef Ostermayer Druck auf Vorstände der Staatsbetriebe ÖBB und Asfinag ausgeübt hat, damit diese öffentlichen Unternehmen – deren Eigentümervertreter Faymann damals war – in Zeitungen inserieren, zu denen er ein Naheverhältnis pflegt.

Seit Beginn der Ermittlungen im Sommer 2011 geht es in dem Verfahren einmal hin, dann wieder her. In den Medien wie in der Justiz. Einmal verdichten sich die Vorwürfe, dann verlaufen sie sich. 2012 will die Staatsanwaltschaft Wien das Verfahren einstellen, doch die Oberstaatsanwaltschaft weist weitere Ermittlungen an. Sie geht dabei, wie Die Presse im September 2012 berichtet, von vier „Sachverhaltsannahmen“ aus:

  1. Die Inserate wurden von den Beschuldigten Faymann und Ostermayer „in Auftrag gegeben“.
  2. Eine Vertretungsbefugnis für die Unternehmen oder ein diesbezüglicher Auftrag lag nicht vor.
  3. Die Beschuldigten haben also die Aufträge im eigenen Namen abgeschlossen.
  4. Sämtliche Forderungen wurden ausschließlich von Asfinag und ÖBB beglichen.

Am 5. November 2013 kommt die Staatsanwaltschaft Wien zu einem Ergebnis: PerPresseaussendung teilt sie die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Werner Faymann und Josef Ostermayer mit. Am selben Tag ist Franz Fiedler, ehemals Präsident des Rechnungshofes und heutiger Ehrenpräsident von Transparency International, bei Armin Wolf zu Gast in der ZIB2. Fiedler findet klare Worte.

Tags darauf kündigt die Justiz die Veröffentlichung der Begründung an. Bis heute heißt es jedoch: warten. Michael Klackl, Sprecher der Oberstaatsanwaltschaft Wien, die für die Veröffentlichungen von Verfahrenseinstellungen zuständig ist, erklärt DOSSIER Anfang September 2014 am Telefon: „Es ist geplant, die Begründung zu veröffentlichen.“ Wann? Das könne er mit Verweis auf noch laufende Ermittlungen gegen weitere Beschuldigte nicht sagen.

Seit die Justiz im Juni 2011 nach einer Sachverhaltsdarstellung eines politischen Gegners, des FPÖ-Generalsekretärs Harald Vilimsky, gegen Werner Faymann und Josef Ostermayer (beide SPÖ) ihre Arbeit aufgenommen hat, weitet sich der Kreis der Beschuldigten stetig aus: Neben den Asfinag-Vorständen führt die Staatsanwaltschaft auch etliche ehemalige ÖBB-Manager als Beschuldigte. Etwa die früheren ÖBB-Chefs Martin Huber und Peter Klugar.

Der abgedrehte U-Ausschuss

Im Jahr 2012 beschäftigt sich nicht nur die Justiz mit der „Inseratenaffäre“ des Bundeskanzlers. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss war eingerichtet worden, um neben anderen Themen auch Werner Faymanns Verbindungen zu Österreichs Medien, ihren Macherinnen und Machern, zu untersuchen. Josef Ostermayer, damals Staatssekretär für Medien, stellt sich den Fragen der Abgeordneten. Der Bundeskanzler bleibt dem Parlament fern. Im Oktober 2012 beenden Abgeordnete der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP den Ausschuss vorzeitig. Dass die Inseratenvergabe Potenzial zur Staatsaffäre hat, steht für viele seither außer Zweifel. In ihrem Abschlussbericht schreiben die Grünen: „Der Untersuchungsgegenstand ‚Regierungsinserate’ litt neben dem Beweisthema ‚Telekom-Ostgeschäfte’ am meisten unter der von den Regierungsparteien erzwungenen raschen Beendigung des Untersuchungsausschusses.”

Zur Erinnerung: Am 11. Jänner 2007 war Werner Faymann als Verkehrsminister unter SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer angelobt worden. Knapp zwei Wochen als Verkehrsminister im Amt – und die Inseratenstrecke „Unsere Bahn“ ist auf Schiene; jene Anzeigenserie, die in der Kronen Zeitung erscheint, die ÖBB 500.000 Euro kosten und die „Inseratenaffäre“ auslösen wird.

Die Krone hebt den Start der Faymann-Dichand-Zusammenarbeit am 26. Jänner 2007 auf die Titelseite. Im Zwei-Wochen-Takt erscheinen doppelseitige Anzeigen, die als „Reportage“ ausgewiesen und nicht als Werbung gekennzeichnet sind. Krone-Mann Michael Pommer greift in die Tasten; jener Journalist, der nur rund zwei Jahre zuvor beim Wohnmagazin Die Stadt ein „Stadt-Reporter“ war und etwa über Werner Faymann und das „Abenteuer Spielplatz“ geschrieben hatte – Berichte, die ähnlich wie bei der ÖBB-Serie Schleichwerbung sind. So schließt sich der Kreis im Netz der Gratiszeitung.

Vor seinem Wechsel in die Bundespolitik hatte Werner Faymann als Wiener Wohnbaustadtrat jahrelang ein Wohnmagazin, das er initiiert hatte; das voll mit wohlwollenden Berichten über ihn war und an rund 300.000 Haushalte in der Hauptstadt frei Haus geliefert wurde. Wie DOSSIER-Recherchen zeigen, waren zwischen Februar 2004 und September 2005 rund eineinhalb Millionen Euro aus Firmen, für die der Stadtrat verantwortlich zeichnete, in das Magazin geflossen. Einen erheblichen Teil davon hatte seine rechte Hand, Josef Ostermayer, beschafft.

Profitiert vom Erfolg des Magazins hatte auch Eva Dichand, die Schwiegertochter des 2010 verstorbenen Gründers der Kronen Zeitung Hans Dichand; Faymanns rotarische Freundin, die damals 14 Monate lang gleichzeitig die Geschäftsführerin des Wohnmagazins und der Gratiszeitung Heute war. Aber damals war alles anders, im Jahr 2004, dem Jahr der Zeitung. Fast alles. Eine Konstante bleibt: Damals wie heute bleiben Fragen offen und die politische Verantwortung ungeklärt.

 Gezielte Denunzierungen

Dienstag, 16. September 2014, vier Minuten vor drei. Eva Dichand sollte längst bei den Österreichischen Medientagen sein; Heute, ihre Zeitung, das erfolgreichste österreichische Printprodukt des vergangenen Jahrzehnts, ist auf der bedeutendsten Messe der heimischen Verlagsbranche prominent vertreten. Schon beim Betreten der Veranstaltung am Gelände der neuen Wirtschaftsuniversität Wien ist für die Besucherinnen und Besucher nicht zu übersehen: Dichands Gratiszeitung hat den auffälligsten Stand. Unter einem riesigen Heute-Plakat empfangen Mitarbeiter in Heute-T-Shirts die Gäste.

Eigentlich sollte die Heute-Herausgeberin seit einer halben Stunde auf der Bühne neben anderen prominenten Zeitungsmachern sitzen. Seit 14:30 Uhr läuft im Saal 1 die Diskussion „Transformation durch Innovation – Printmedien auf dem Prüfstand“. Doch Dichands Platz ist leer. Wenige Stunden zuvor hat sie erfahren, dass DOSSIER im Anschluss daran den Medienzukunftspreis 2014 verliehen bekommt.

Statt zu diskutieren, greift Dichand in die Tasten. Um 14:56 Uhr twittert sie: „Serie zu Heute ist eine (sic!) Konvolut von Denunzierungen, falschen Graphiken+Zahlen, pseudo reißerisch geschrieben wie ein schlechter Schulaufsatz“. In einem anderen Tweet nennt sie DOSSIER eine „Denunzierungsplattform“. Damit nicht nur Österreichs Twitteria mitbekommt, was die Heute-Herausgeberin von der DOSSIER-Artikelserie über ihre Zeitung hält, die knapp eine Woche zuvor erschienen ist, lässt sie einePresseaussendung ausschicken: „Dossier.at bekommt Medien-Zukunftspreis 2014 für schlecht recherchierte Denunzierungen.“

Selten war eine Aussendung so entlarvend wie jene des 16. September 2014. Deutlich zeigt sich darin jenes Muster, auf das DOSSIER in seinen Recherchen immer wieder gestoßen ist: verdrehte Fakten und Falschinformationen, die verwirren, vom Eigentlichen ablenken sollen – nämlich der Frage, wer Heute gegründet hat. Bevor DOSSIER Sie Punkt für Punkt durch Dichands Presseaussendung führt und dieFakten richtigstellt, hier eine kurze chronologische Zusammenfassung der Ereignisse.

Quellen: derstandard.at/Heute; Dossier

Freitag, 5. Sept. 2014 um 09:25

„Im Netz der Gratiszeitung” – Tag 1

Die ersten Artikel der DOSSIER-Serie „Im Netz der Gratiszeitung” gehen online. Am Vorabend hatte „Heute”-Herausgeberin Eva Dichand bereits in den sozialen Netzwerken für Furore gesorgt: Sie veröffentlicht „Selfies” mit einer Reihe von österreichischen Spitzenpolitikern vom Zehn-Jahre-„Heute”-Fest.

Quellen: diepresse.com; derstandard.at; APA

Freitag, 5. Sept. 2014 um 14:14

Recherche zum Jubiläum

Die Austria Presse Agentur (APA) berichtet über die DOSSIER-Recherchen. „Der Standard” schreibt: „‚Heute’ feiert 10. Geburtstag – ‚Dossier’ gratuliert mit Recherche”. FM4 lädt DOSSIER-Chefredakteur Florian Skrabal ins Studio ein, um mit ihm über das Netz der Gratiszeitung zu sprechen. „Heute”-Geschäftsführer Wolfgang Jansky sagt gegenüber „Die Presse”, man werde „die Recherchen erst einmal ignorieren”. Eva Dichand ist vorerst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Quelle: Der Spiegel Nr. 37 vom 08.09.2014

  1. September 2014

„Wenig wirklich unabhängige Medien”

Die DOSSIER-Serie geht weiter. Das deutsche Magazin „Der Spiegel” veröffentlicht am selben Tag ein Interview mit dem Geschäftsführer der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) Veit Dengler, der gerade mit „NZZ.at” nach Österreich expandiert. Dengler sagt: „In Österreich wird die Presse über Anzeigen indirekt gefördert. Behörden und Institute schalten Werbung, und dadurch haben sich Abhängigkeiten gebildet. Es gibt wenig wirklich unabhängige Medien in Österreich.”

Quelle: Twitter

  1. September 2014

Hitzige Diskussionen

Mit dem Artikel „Das Ermittlungsverfahren” endet die DOSSIER-Artikel-Serie vorerst. Zusätzlich zur Berichterstattung in mehreren Tageszeitungen melden sich auf Twitter Redakteurinnen und Redakteure der Gratiszeitung „Heute” zu Wort: Es gebe keine politische Einflussnahme auf die Redaktion. Die Community reagiert, es entwickelt sich eine hitzige Diskussion.

 

FREITAG, 5. SEPT. 2014 UM 14:14

Recherche zum Jubiläum

„Im Netz der Gratiszeitung” – Tag 1

Recherche zum Jubiläum

„Wenig wirklich unabhängige Medien”

Hitzige Diskussionen

Ostermayer sagt ab

Dichand protestiert

Die Fakten, Frau Dichand, die Fakten

„Mit Bedauern müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass der Mannsteinverlag (sic!) heute den Medien-Zukunftspreis unter anderem an dossier.at vergibt. Große Teile der auf dossier.at verbreiteten ,Rechercheergebnisse‘ über HEUTE bzw. dessen Eigentümerstruktur sind schlichtweg falsch. Seit Jahren verbreitet die Plattform gezielte Denunzierungen. Die auf mehreren Seiten graphisch dargestellte Beteiligungsstruktur von HEUTE, welche in einer Art Verschwörungstheorie versucht eine Verbindung zwischen AHVV/HEUTE mit der Urbania Stiftung oder Herrn Dr. Günther Havranek als Treuhänder bzw. gar als Eigentümer darzustellen, ist schlichtweg FALSCH. Beide Genannten waren NIEMALS weder direkt noch indirekt an der AHVV beteiligt.“

OTS-Presseaussendung der AHVV Verlags GmbH, 16. September 2014

Blicken wir ins Firmenbuch – auf die Fakten.

Im Netz der Gratiszeitung entsteht am 22. Dezember 2004 die Fidelis Medien- und Zeitschriftenverlags GmbH. Ihre Eigentümer sind damals: zu 51 Prozent Günther Havranek, zu 49 Prozent die Urbania Privatstiftung. Eva Dichand ist Geschäftsführerin der Fidelis. Im Februar 2005 übernimmt die Fidelis ein von Werner Faymann – damals SPÖ-Wohnbaustadtrat, heute Bundeskanzler – initiiertes Wohnmagazin. Das Magazin ist voll mit Anzeigen von Firmen und Ressorts, die Faymann unterstehen. Einen großen Teil der Inserate hatte Josef Ostermayer, Faymanns rechte Hand, heute Bundesminister für Kunst und Kultur (SPÖ), beschafft. Zwischen Oktober 2003 und Oktober 2004 ist Ostermayer Vorstandsvorsitzender derUrbania Privatstiftung, der ursprünglichen Herausgeberin des Wohnmagazins.

Am 23. September 2005 beteiligt sich die Fidelis zu 74 Prozent an der AHVV Verlags GmbH, dem Unternehmen, das die Gratiszeitung Heute herausgibt. Eva Dichand wird am selben Tag Geschäftsführerin der AHVV. Sie leitet nun also parallel die Geschäfte des Wohnmagazins und der Gratiszeitung.

14 Monate lang hält die Fidelis laut Firmenbuch Anteile an der AHVV. Hinter der Fidelis stehen die Urbania Privatstiftung und Günther Havranek. Im November 2006 verkauft die Urbania ihre Anteile an der Fidelis zur Gänze an die Periodika Privatstiftung, der Jansky-Havranek-Deal wird vollzogen.

Im November 2006 überträgt die Urbania die Anteile an die Periodika Privatstiftung.

Wer steckt hinter Heute?

Zurück zu Eva Dichands Presseaussendung.

„Wie durch das Offenlegungsgesetz verlangt, wurde die Treuhandschaft der Fidelis GmbH, die 74 % der AHVV für die Pluto Privatstiftung treuhändig gehalten hat, vor einiger Zeit offengelegt. Die Fidelis GmbH hatte NIEMALS Anteile an der AHVV, sondern fungierte als reine Treuhandhülle. Auf dieser Behauptung baut jedoch die Verschwörungstheorie von dossier.at auf. Wie mehrmals publiziert, gab es zu keinem Zeitpunkt eine Verbindung zu einer politischen Partei, Geldflüssen oder Haftungen irgendwelcher Art, außer den zwei Stiftungen Periodika und Pluto, welche die AHVV betreffen.“

OTS-Presseaussendung der AHVV Verlags GmbH, 16. September 2014

Erneut zu den Fakten: Am 8. Mai 2012 veröffentlicht die Gratiszeitung den Artikel„Heute legt Eigentümerstruktur offen“, mit dem die „teils haarsträubenden Spekulationen über die ,Heute‘-Eigentümer ein für alle Mal“ beendet werden sollen. Eva Dichand stützt sich auf eine Untersuchung der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB). Neben dem von ihr verfassten Text sind das Bundeswappen und ein Faksimile der BWB abgebildet. „Vielmehr ist Fidelis seit Dezember 2005 treuhändisch für die Pluto Privatstiftung tätig“, steht darin. 

Das Problem: Die Stiftungsurkunde der von Eva Dichand und ihrem Bruder gegründeten Pluto Privatstiftung wird erst am 19. Dezember 2005 niedergeschrieben. Die Fidelis hatte sich aber bereits im September 2005 zu 74 Prozent an der AHVV, der Firma hinter Heute, beteiligt. Es fehlen drei Monate – was, sofern die Fidelis auch schon früher eine „Treuhandhülle“ gewesen sein soll, wie Eva Dichand behauptet, eine Frage aufwirft: Wer steckt in den drei Monaten dahinter, ist also Treugeber?

Willkommen im Mittelpunkt des Netzes. Auch Eva Dichands mehrfach geäußerte Behauptung, „außer den zwei Stiftungen, Periodika und Pluto“ stünde sonst niemand hinter Heute, ist falsch. Denn: Weder die Periodika noch die Pluto Privatstiftung existieren am Tag der Heute-Gründung, dem 1. Juni 2004. Die Stiftungsurkunde der Periodika wird am 29. September 2004 niedergeschrieben,  jene der Pluto überhaupt erst am 19. Dezember 2005. Einzig eine Stiftung, die im Netz der Gratiszeitung öfters auftaucht und der damals Josef Ostermayer vorsitzt, existiert am 1. Juni 2004: dieUrbania Privatstiftung. Wenn es die Urbania nicht ist – wie Dichand und auch der heutige Bundesminister für Kunst und Kultur Josef Ostermayer (SPÖ) behaupten –, welche ist es dann? Wer steht am 1. Juni 2004 hinter dem SPÖ-nahen Treuhänder, dessen Firma die Anteile an der AHVV zu diesem Zeitpunkt hält?

Gründung, Expansion und ein Zeitungskrieg

Zurück zu Dichands Presseaussendung.

„Viele weitere Behauptungen auf dossier.at entsprechen ebenso nicht der Wahrheit. Es wird gezielt versucht darzustellen, dass HEUTE nur aufgrund öffentlicher Inserate erfolgreich war. Das ist ebenfalls falsch.“

OTS-Presseaussendung der AHVV Verlags GmbH, 16. September 2014

Die Aussage, Heute sei „nur“ aufgrund öffentlicher Inserate erfolgreich, hat DOSSIER nie getroffen. Richtig ist: Die DOSSIER-Erhebungen zeigen, dass seit der Gründung durchschnittlich rund ein Drittel der geschalteten Anzeigen von der öffentlichen Hand und von öffentlichen Unternehmen stammt. Dieser Anteil ist in den ersten beiden Jahren noch um einiges höher.

Verhältnis der Inseratenvolumina: Öffentliche Hand vs. Privatwirtschaft (* 1. Heute-Ausgabe am 6. September 2004)

Das Verhältnis „Öffentlicher Hand“ zu „Privatwirtschaft“ ist vor allem in der Gründungsphase relevant, da private Firmen beim Start neuer Medienprodukte üblicherweise zurückhaltend sind. Gerade die Frage nach der Startfinanzierung ist äußerst spannend. Mehrfach hatte Heute-Herausgeberin Eva Dichand in Interviews gesagt, dass die Gratiszeitung einzig über einen Drei-Millionen-Euro-Kredit finanziert worden sei. Auch im Artikel „Heute legt die Eigentümerstruktur offen“ schreibt Dichand: „Die Finanzierung von ,Heute‘ erfolgte über einen Kredit der Bank Austria. Abgesehen davon gab es keine weiteren Geldmittel, Garantien oder Haftungen.“

Zurück ins Firmenbuch, zu den Jahresabschlüssen der AHVV, der Firma hinter Heute.

In diesen scheint der Kredit in den stichtagsbezogenen Bilanzen der AHVV nicht auf. Im ersten Geschäftsjahr gibt die AHVV im Jahresabschluss 2004 an: „Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten: 538.015,50“, Restlaufzeit „bis ein Jahr“. Ein Jahr später fällt dieser Punkt aus der Bilanz und wird danach nicht mehr aufscheinen. 2005 weist die AHVV bereits einen Bilanzgewinn von 454.771,96 Euro aus. Seither ist Heute eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte: Die Firma schreibt keine Verluste, die Kassen sind prall mit Geld gefüllt.

Die Heute-Macher schaffen es mit dem Drei-Millionen-Euro-Kredit nicht nur, eine Redaktion, ein Vertriebsnetz und andere Unternehmensstrukturen aufzubauen. Heutekann expandieren; rasant, in den Speckgürtel rund um Wien, in Niederösterreichs Städte – und nach Graz. Mitte des Jahres 2006 entfacht Heute in der steirischen Landeshauptstadt den Grazer Zeitungskrieg; ein Kräftemessen mit dem lokalen Platzhirsch, dem Styria-Konzern, der neben anderen die Kleine Zeitung und Die Presseherausgibt.

Nachdem bekannt geworden ist, dass Heute in Graz erscheinen soll, bringt die Styria ab Mai 2006 ein eigenes Gratisprodukt heraus, die Gratiszeitung o.k. – ein „strategisches Projekt“ zur Verteidigung der Heimmärkte, wie der damalige Styria-Vorstand Horst Pirker dem Standard später sagen wird. Fast genau ein Jahr lang kämpfen Heute und o.k.um den Grazer Gratiszeitungsmarkt – und verbrennen Geld, viel Geld. Laut Pirker kostet der Kampf den Styria-Konzern „mehr als die medial kolportierten fünf Millionen Euro“. Zahlen zu den Kosten der Gratiszeitung Heute sind nicht bekannt. Geht man davon aus, dass Heute ähnlich hohe Ausgaben hatte, stellt sich die Frage: Woher haben die Heute-Macher im dritten Geschäftsjahr das Geld, um sich auf ein Kräftemessen mit der Styria einzulassen?  

„Schande für die Medienlandschaft“

Zurück zu Eva Dichands Presseaussendung.

„,Es ist eigentlich traurig und eine Schande für die Medienlandschaft in Österreich, dass viele renommierte Medien die Denunzierungen von dossier.at mit Schadenfreude immer wieder abdrucken – OHNE diese zu hinterfragen oder genauer zu recherchieren. Man kann nicht jemanden auszeichnen oder dauernd positiv zitieren, nur weil man das dort Behauptete gerne kommuniziert sieht. Qualitätsjournalismus heißt, auch gegen die persönliche Meinung bei der Wahrheit zu bleiben und Tatsachen zu berichten‘, findet Eva Dichand.“

OTS-Presseaussendung der AHVV Verlags GmbH, 16. September 2014

DOSSIER berichtet Tatsachen und legt seine Quellen offen. Mehrfach hatte Eva Dichand DOSSIER mit Klage gedroht. Vor der Veröffentlichung der Artikelserie „im Netz der Gratiszeitung“ schrieb auch ihr Rechtsvertreter, der bekannte und auf Medienrecht spezialisierte Anwalt Michael Rami, der Redaktion:

„Meine Mandantin verwehrt sich gegen alle ehrenbeleidigenden und rufschädigenden Äußerungen (siehe § 1330 ABGB), insbesondere gegen den von Ihnen der Sache nach geäußerten Vorwurf, zwischen meiner Mandantin und der SPÖ gebe es Geldflüsse bzw. Inhalte von ,Heute‘ würden von der SPÖ beeinflusst oder gar mitgestaltet werden. Sollten derartige Behauptungen veröffentlicht werden, wird meine Mandantin ohne Zögern alle nötigen rechtlichen Schritte ergreifen.“

Michael Rami, E-Mail vom 29.8.2014

Bis heute hat Eva Dichand ihre Drohung nicht wahr gemacht.

————————————————————————————————————————————

Das Schweigen der Prüfer

„Das berechtigte wirtschaftliche Interesse auf Geheimhaltung ist nicht gegeben.“

Thomas Garber, Assistenzprofessor für Zivilrecht an der Karl-Franzens-Universität

Prüfung der Wiener Inseratenvergabe

Über ein Jahr lang waren die Prüferinnen und Prüfer am Werk. 70 Magistratsabteilungen, 128 Unternehmen, 57 Fonds und Stiftungen, die alle der Stadt Wien gehören, nahmen sie unter die Lupe. Sie forderten Daten an, sammelten und sichteten diese, zogen Stichproben, kontrollierten und addierten. Ihr Unterfangen: die „Prüfung von Aufträgen an Medienunternehmen“, wie es die FPÖ in ihremPrüfersuchen an das Kontrollamt der Stadt Wien im September 2011 formuliert hatte.

Bevor sie im Dezember 2012 ihren Bericht präsentieren konnten, galt es für die Prüferinnen und Prüfer herauszufinden, wie viel Geld die Stadt Wien und ihre Betriebe in den Jahren 2009 und 2010 für Werbung in Print-, Online- und audiovisuellen Medien ausgeben hatten; an welche Medien konkret wie viel Geld geflossen war; und ob Steuergeld ordnungsgemäß, zweckmäßig, wirtschaftlich, kurzum sinnvoll und sparsam eingesetzt worden war.

Das Ergebnis: 101 Millionen Euro, exklusive Abgaben und Steuern. So viel waren der Stadt und ihren Unternehmen Inserate, audiovisuelle und Onlinewerbung wert – in zwei Jahren. Eine beeindruckende Zahl. Darüber, wie sich die millionenschweren Werbebudgets jedoch im Einzelnen verteilen, sagt sie wenig aus. Genau diese Frage hatte die politische Opposition in Wien jahrelang zu klären versucht. Immer wieder, im Abstand von jeweils rund zwei Jahren, hatten sich grüne, blaue und schwarze Abgeordnete im Wiener Gemeinderat erkundigt, welche Medien wie viel Steuergeld für Inseratenschaltungen und Medienkooperationen erhalten. Wiens Stadträtinnen und Stadträte weigerten sich, ihre Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit offenzulegen. Ihre Begründung: Eine solche Erhebung sei „wirtschaftlich nicht gerechtfertigt„.

Keine Offenlegung

Im Prüfersuchen an das Kontrollamt wurde „insbesondere um eine konkrete Aufschlüsselung“ der jeweiligen Medien ersucht. Endlich, so schien es, stand die vermeintliche Unwirtschaftlichkeit der Erhebung nicht mehr im Weg. Im Zuge seiner Prüfung holte das Kontrollamt alle nötigen Zahlen ein – und entschied sich, diese nicht offenzulegen. Waren es bisher die politisch Verantwortlichen, die sich in Schweigen hüllten, setzt nun das Kontrollamt jene Spirale fort, die Dossier in seiner ersten Geschichte beschrieben hatte.

Der Bericht, den das Kontrollamt im Dezember 2012 veröffentlichte, ist ein weiteres Zeugnis der Wiener Intransparenz. Anstatt die einzelnen Medien, in denen die Gemeinde Werbung kaufte, aufzulisten, gibt das Kontrollamt nur Gesamtbeträge an. Das Kontrollamt Wien argumentiert, die Offenlegung der einzelnen Posten sei als „Verletzung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zu qualifizieren„. Eine Erklärung, die nicht nur aus Perspektive des jüngst in Kraft getretenen Medientransparenzgesetzes absurd ist. Seit dem dritten Quartal des Jahres 2012 sind nämlich ohnehin alle öffentlichen Stellen gesetzlich verpflichtet, diese Daten zu veröffentlichen.

Geheimhaltung hinfällig

Auch aus juristischer Sicht ist das Vorgehen des Wiener Kontrollamts fragwürdig. Selbst jener Zivilrechtsexperte, auf den sich das Kontrollamt Wien in seinem Bericht beruft, sieht die Rechtslage völlig anders. „Das berechtigte wirtschaftliche Interesse auf Geheimhaltung ist in diesem Fall nicht gegeben“, sagt Thomas Garber, Assistenzprofessor für Zivilrecht an der Karl-Franzens-Universität in Graz. Warum auch? Die Stadt verteilt öffentliche Gelder, Medien nehmen öffentliche Aufträge an – und die Prüfer des Kontrollamts bestehen darauf, die Zahlen geheim zu halten. Gegenüber Dossier antwortete Kontrollamtsdirektor Peter Pollak endgültig: „Zu ihrer Anfrage betreffend, KA-Bericht 53 wird mitgeteilt, dass zu veröffentlichten Berichten keine ergänzenden Erklärungen abgegeben werden.

Dass es transparentere Lösungen gibt, zeigt der Österreichische Rechnungshof in einem ähnlichen Fall. Die Prüfinstanz des Bundes hatte die Öffentlichkeitsarbeit der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) untersucht. In seinem Bericht, der wenige Monate vor dem Kontrollamtsbericht erschien, schlüsselt der Bundesrechnungshof die einzelnen Medien, in denen Anzeigen geschaltet wurden, auf – anonymisiert und mit ihrer jeweiligen Reichweite. Doris Grabherr, Sprecherin des Rechnungshofes, sagt dazu: „Die Aufschlüsselung war unbedingt notwendig, um zu zeigen, ob sich der jeweilige Aufwand in der Reichweite des Mediums widerspiegelt.“ Dies sei essenziell gewesen, „um dem Nationalrat umfassend Bericht erstatten zu können.“

 ——————————————————————————————————-

Die Anzeigen-Schweige-Spirale

„Inserieren heißt nicht, Zeitungen und Journalisten zu kaufen.“

Staatssekretär für Medien Josef Ostermayer (SPÖ), Experte im Inserate-Geschäft am 2.10.2012 im U-Ausschuss

Inserate als Staatsaffäre

Alle reden über Werner Faymann. Er steht ganz oben, ist Österreichs Regierungschef und wird in die Geschichtsbücher als der erste Bundeskanzler der Republik eingehen, gegen den Staatsanwälte während seiner Amtszeit ermittelt haben. Was hat es mit der Inseratenaffäre auf sich, die seit Monaten Justiz, Parlament und die Medien des Landes beschäftigt und in deren Mitte der Bundeskanzler und sein Staatssekretär für Medien Josef Ostermayer (beide SPÖ) stehen?

Im Untersuchungsausschuss ist das letzte Wort dazu gesprochen, einzig dieAbschlussberichte der Parteien stehen noch aus. Mit Beschluss der Abgeordneten der beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP stellten die Mitglieder des Untersuchungsausschusses am 16. Oktober 2012 offiziell ihre Arbeit ein. Fragen bleiben damit unbeantwortet, die politische Verantwortung in wichtigen Bereichen ungeklärt. Strafrechtlich gehen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien gegen Faymann & Co weiter.

Verschwendung von Steuergeld

Die im Ausschuss behandelten Details sind der Gipfel eines größeren Problems, das in den vergangenen Jahren zwischen Österreichs Politik und seinen (Boulevard-)Medien gewachsen ist. In deren Kern geht es um die Verschwendung von Steuergeldern, Verzerrungen am Zeitungsmarkt, um die positive Selbstdarstellung einzelner Politikerinnen und Politiker und darum, über Inserate gute Presse zu kaufen – oder zumindest schlechte Presse zu verhindern.

Abgeordnete des Nationalrates sowie Staatsanwälte legen den Fokus ihrer Untersuchungen auf die Inseratenpraxis von Bundeskanzleramt, Ministerien und nachgelagerter staatseigener Betriebe wie den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB).

Werbeaktivitäten der Stadt Wien

Dossier hingegen hat die Werbeaktivitäten der Stadt Wien untersucht. Zurzeit prüft der Wiener Rechnungshof, das Kontrollamt, die Inseratenvergabe der Stadt Wien samt ihrer Unternehmen in den Jahren 2009 und 2010. Nach Informationen eines Kontrollamtsprechers werden deren Ergebnisse frühestens im Dezember 2012 dem Gemeinderat vorgelegt.

Die Dimension der Inseratenaffäre kommt nirgendwo deutlicher zum Ausdruck als in Wien, dem Zentrum politischer und medialer Macht des Landes. Nirgendwo wird ähnlich viel Geld für Anzeigen ausgegeben als in Österreichs größter Gemeinde. Und nirgendwo wird bis heute ein größeres Geheimnis daraus gemacht, welche Zeitungen wie viel Steuergelder bekommen.

In Wien liegen auch die Wurzeln der Inseratenaffäre rund um den amtierenden Bundeskanzler. Hier wurden sowohl Werner Faymann als auch sein engster Weggefährte Josef Ostermayer geprägt – und haben ein Umfeld mitgeprägt, in dem es bis heute üblich ist, Millionen Euro an Steuergeldern in Inserate zu pressen, ohne darüber Rechenschaft abzulegen. So behaupten Wiens Stadträtinnen und Stadträte seit Jahren, es sei „wirtschaftlich nicht gerechtfertigt“ zu erheben, an welche Zeitungen wie viel Steuergeld in Form von Inseraten geht.

Dossier ersuchte die Stadt Wien um eine Stellungnahme. Oliver Stribl, der Leiter des Presse- und Informationsdienstes (MA 53), antwortete so:

„Wie bereits in meinen Antworten auf die diversen Anfragen ausführlich beschrieben, ist es für den Zeitraum 2004 bis 2011 aufgrund der projektbezogenen Budgetsystematik des Magistrats nicht möglich, über Ausgaben für einzelne Publikationen verbindliche Auskünfte zu geben. Schaltvolumina der Unternehmen der Stadt Wien unterliegen im Übrigen keinesfalls meiner Zuständigkeit“.

„Heute“ und die Stadt Wien

Dossier erschien eine solche Erhebung gerechtfertigt: eine Erhebung jener Inserate, die von der Stadt Wien geschaltet wurden – so konkret wie möglich. Für eine Untersuchung der Inseratenpraxis der Stadt Wien und ihrer Unternehmen eignet sich keine Zeitung besser als die Gratistageszeitung „Heute“. Seit 2010 ist „Heute“ die reichweitenstärkste Zeitung Wiens.

Schon sporadisches Durchblättern der Gratistageszeitung zeigt die Vielzahl an Inseraten der Stadt. Hinzu kommen persönliche Verbindungen und Bekanntschaften zwischen Akteurinnen und Akteuren auf beiden Seiten, der Gratiszeitung und der Stadt Wien, sowie Geheimnisse und Gerüchte, die das Gratisblatt schon seit dessen Gründung umranken.

2.443 Seiten Werbung

Dossier hat alle Inserate gezählt. Sämtliche Inserate von Firmen aus der Privatwirtschaft, von der Stadt Wien und ihren Unternehmen, von Ministerien, Staatsbetrieben, politischen Parteien, bis hin zu allen öffentlichen Stellen. Alle Anzeigen, von der ersten „Heute“-Ausgabe am 6. September 2004 bis Ende des Jahres 2011, wurden in einer Tabelle erhoben und ausgewertet. Das Ergebnis: Insgesamt schaltete die Stadt Wien gemeinsam mit ihren Unternehmen in knapp siebeneinhalb Jahren 2.443 Seiten Anzeigen – nur in „Heute“.

Ohne Rabatte, aber auch ohne Zuschläge für Platzierungen, für Medienkooperationen und für redaktionelle Werbung, den sogenannten Advertorials, ergibt das bei dem von „Heute“ für das jeweilige Jahr ausgewiesenen Seitenpreis einen Bruttowerbewert von rund 29 Millionen Euro. Damit ist die Stadt Wien gemeinsam mit ihren Unternehmen in der Gesamtwertung der beste Anzeigekunde der Gratistageszeitung. Im selben Zeitraum schaltete die Stadt Wien ohne ihren Unternehmen 1.049 Seiten Anzeigen. Das entspricht einem Bruttowerbewert von knapp 13 Millionen Euro (ohne Rabatte und ohne Zuschläge). Sämtliche Informationen darüber, welche Methodik bei der Erhebung gewählt wurde und welche Unschärfen in dieser stecken, finden Sie hier.

Anzahl der Seiten
Kosten

In einer Stellungnahme bezeichnet „Heute“-Herausgeberin Eva Dichand die Ergebnisse der Dossier-Recherche als falsch:

„Sie sprechen von einem Bruttovolumen von 13 Millionen Euro der Stadt Wien (ohne Unternehmen) in der Zeit 2004 bis 2011. Diese Summe ist erstens falsch und außerdem haben wir mehrere große private Kunden, die in dieser Zeit deutlich mehr als die Bruttosumme von 13 Millionen Euro in „Heute“ geschaltet haben.“

Weiters droht Eva Dichand Dossier zwei Tage vor dem Launch-Termin mit Klagen:

„Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass wir Ihr Mail mit den falschen Behauptungen an unseren Anwalt weitergeleitet haben. Sollten Sie diese falschen Behauptungen trotzdem veröffentlichen, obwohl wir Sie hiermit schriftlich informiert haben, dass die Zahlen unrichtig sind und die Behauptungen unrichtig sind, werden wir Sie umgehend auf Verleumdung und Schadensersatz klagen.“

„Auch ohne Stadt Wien überleben“

Am 20. Juli 2010 war Eva Dichand in der TV-Primetime zu Gast bei ORF-Moderatorin Gabi Waldner. Schon damals waren die Anzeigen öffentlicher Stellen Thema. In der Sendung „Report“ sagte Dichand dazu:

„Im Gegensatz zu vielen anderen Medien in Österreich würden wir auch ohne Inserate der Stadt Wien überleben, weil wir 90 Prozent Handelsinserate haben.“

Geht es nach Eva Dichand, bekommt „Heute“ nur rund zehn Prozent aller Anzeigen von öffentlichen Stellen. Wie die Dossier-Erhebung allerdings zeigt, liegt das Verhältnis zwischen Inseraten aus der Privatwirtschaft und jener von öffentlichen Stellen und Firmen tatsächlich bei 69 zu 31 Prozent. Eine vom Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) durchgeführte, ähnliche Erhebung kam zu dem Ergebnis, dass rund 28 Prozent aller Anzeigen in „Heute“ von öffentlichen Stellen kommen. Auch diese Erhebung bezeichnet die „Heute“-Herausgeberin als falsch. 

(überarbeitet; siehe Errata: Fehler #1)

Wohlwollende Berichterstattung

Es war der große Tag zum Thema Inseratenaffäre im Untersuchungsausschuss, der 2. Oktober 2012. Josef Ostermayer, SPÖ-Staatssekretär für Medien, war geladen, erklärte und verteidigte sich und seinen Chef, Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), in gewohnt glatter Manier. Während seiner Anhörung sprach Josef Ostermayer einen Satz gelassen aus, der bisher schwer zu widerlegen war: „Inserieren heißt nicht, Zeitungen und Journalisten zu kaufen.“

Können Werbegelder freundliche Berichterstattung kaufen oder unangenehme Artikel verhindern? Wie Dossier-Recherchen zeigen, scheint es genau das bei der Gratistageszeitung „Heute“ gegeben zu haben. Dossier liegt der Dienstvertrag eines ehemaligen „Heute“-Journalisten vor, in dem es unter Punkt 5 heißt:

Auszug aus dem Arbeitsvertrag

Bereits 2011 kam dieser Verdacht das erste Mal auf, als der Holzhausen Verlag den fünften Band der Reihe „Qualität im Journalismus – Wo (zu)?“ präsentierte. Für das Buch wurde auch der damalige „Heute“- Chefredakteur Richard Schmitt interviewt:

„In meinem Vertrag steht, dass ich nichts Kritisches über Anzeigenkunden schreiben darf. Diese Klausel amüsiert mich immer wieder. Das würde nämlich bedeuten, dass ich über niemanden in Österreich kritisch berichten dürfte, weil fast jeder bei uns Anzeigenkunde ist“,

sagte Schmitt. „Der Standard“ konfrontierte damals „Heute“-Herausgeberin Eva Dichand mit Schmitts Aussage – Dichand stritt ab: „Diese Klausel gibt es nicht.“ Es handle sich dabei lediglich um einen „Gründungsfauxpas„.

Der Vertrag des ehemaligen Mitarbeiters, der Dossier vorliegt, wurde jedenfalls mehrere Jahre nach der Gründung von „Heute“ abgeschlossen. Um seine Identität zu schützen, nennt Dossier das genaue Eintrittsdatum des Journalisten nicht. Ob Wiens Stadträtinnen und Stadträte von diesem Passus gewusst haben, bleibt offen. Fakt ist: Die Stadt und ihre Unternehmen schalteten gemeinsam mehr Inserate als jeder andere Anzeigenkunde des Gratisblattes. Dass Geschichten nicht gegen die Stadt gerichtet sein konnten, bestätigen „Heute“-Journalisten, die mittlerweile den Arbeitgeber gewechselt haben. „Oft war im Vorhinein klar, wie eine Geschichte zu laufen hat“, sagt ein ehemaliger „Heute“-Journalist. Einmal hätte es von der Stadt sogar selbst geheißen, dass man kritischer berichten dürfe, sagt ein anderer.

Wurde die sanfte Schreibe selbst den politisch Verantwortlichen unangenehm? Beide Journalisten wollen dazu ihre Namen nicht im Internet finden. Zu welchem Thema und wie kritisch berichtet wurde, sei vom Chefredakteur oder dem Chef vom Dienst (CvD) vorgegeben worden.

„Mit Ulli Sima (Stadträtin der Geschäftsgruppe Umwelt, Anmerkung Dossier) konnte der CvD nicht – da ging es zum Beispiel. Oder es wurden die Grünen angeschossen. Dafür brauchte es gar keine Vorgabe, denn man wusste, was gewünscht war. Es war eine Art vorauseilender Gehorsam.“

Presseförderung über Inserate

In der Wiener Realität erfüllen Inserate in Zeitungen einen weiteren Zweck. Neben der offiziellen Presseförderung, die vom Bund vergeben wird und dazu dienen soll, die Medienvielfalt zu sichern, gelten Inserate als „indirekte Presseförderung“. Die Politik unterstützt Zeitungen finanziell, sichert mitunter in werbewirtschaftlich schwierigen Zeiten deren Bestehen.

Was Wien anders macht: Hier ist die Presseförderung in keinem Landesgesetz geregelt. Wie die hohen Anzeigenvolumina der Stadt Wien in „Heute“ zeigen, ist dieses System, das auf maßvollem Umgang der einzelnen Akteure mit ihren Mitteln basierte, in den vergangenen Jahren gekippt und mittlerweile zu einem demokratiepolitischen Problem geworden. Im Gegensatz zu den Mitgliedern der österreichischen Bundesregierung, die zwar eifrig Steuergelder in Form von Inseraten verteilten, dazu aber zumindest im Parlament Rede und Antwort stehen, schweigt man zu diesem Thema in Wien gänzlich – sogar auf Anfragen im Gemeinderat gab es keine Auskünfte. 

Von oben beauftragt

Dabei gibt es gerade bei der Inseratenvergabe stadteigener Unternehmen ähnliche Verdachtsmomente wie sie gegen den amtierenden Bundeskanzler während dessen Zeit als Verkehrsminister erhoben werden. Ein Rechnungshofbericht aus dem Jahr 2010 zeigt, dass öffentliche Wiener Firmen offenbar direkt von der Stadtregierung beauftragt wurden, „in bestimmten Medien“ Inserate zu schalten. In dem Bericht, in dem eigentlich die „Wasser-, Kanal- und Müllgebühren sowie die Energiepreise“ der Stadt Wien untersucht wurden, zeigt folgende Passage wie salopp mit öffentlichen Geldern umgegangen wurde:

„Im Rahmen einer Geschäftsführersitzung der Wien Energie im August 2007 wurde von den als Gästen geladenen Vertretern der Wiener Stadtwerke (dem Eigentümer der Wien Energie, Anmerkung Dossier) die Geschäftsführung beauftragt – entsprechend der Wünschen der Stadt Wien -, Inserate in Höhe von zwei Millionen Euro in bestimmten Medien zusätzlich zu schalten. Davon sollten 700.000 Euro noch im Geschäftsjahr 2007 und die restlichen 1,3 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2008 eingesetzt werden. Eine Begründung für die Notwendigkeit der Verstärkung dieser Marketingaktivitäten der Wien Energie wurde nicht dargelegt.“ 

Und weiter:

„Hinsichtlich der mündlichen Anordnung verwies der RH auf das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH-Gesetz), wonach der Geschäftsführung einer GmbH eine Weisung nur durch Gesellschafterbeschluss erteilt werden kann.“

Und sie dreht sich noch

Wurde sogar das Gesetz gebrochen? Es verwundert nicht, dass auch die Geschäftsführer und die Sprecher stadteigener Unternehmen auf Anfragen nur einsilbige Antworten haben. Dominik Griess, Sprecher der Wiener Linien: „Konkrete Zahlen darüber, wo, wann und wie geschaltet wird, kann ich keine nennen. Die Einzelverteilung des Budgets wird nicht nach außen kommuniziert.“ Oder Peter Neundlinger, Geschäftsführer des Wohnservice Wien, der nichts preisgeben kann, „weil ich sonst meine Informationspflicht überschreite.“ Diese Liste ließe sich mit ähnlichen Aussagen fortsetzen. Die Anzeigen-Schweige-Spirale dreht sich weiter.

Überplanmäßige Werbeausgaben

Fünf Wiener Magistratsabteilungen beantragten seit Oktober 2011 zusätzlich rund 5,5 Millionen Euro für Werbung – damit überschritten sie ihre jeweiligen Budgets.

„Jede Form der intransparenten Vergabe ist ein Problem“

Matthias Karmasin, Vorsitzender des Beirates für Publizistikförderung, spricht mit Dossier über politische Inserate, über Medientransparenz und über indirekte Presseförderung.

Infografiken, Charts und Kurven

Hier finden Sie sämtliche Infografiken über Anzeigen und Inseratenschaltungen der Stadt Wien und ihrer stadteigenen Unternehmen.

 ——————————————————————————————————-

Das Phänomen Heute

„Kein Morgen ohne Heute“ – die Macher der U-Bahn-Zeitung „Heute“ haben es geschafft, dass sich hunderttausende Menschen eine Routine am Morgen zugelegt haben: Meist noch bevor sie sich in U-Bahnen pressen, in Busse der Wiener Linien steigen oder ihr Frühstück in der Filiale einer Bäckereikette kaufen, greifen sie hinein, in eine der rot lackierten Blechboxen und nehmen „Heute“ mit auf den Weg.

Diese Routine hat das Blatt zu Österreichs größter Gratistageszeitung gemacht. Werktags lesen sie alleine in Wien rund 596.000 Menschen. Laut Media-Analyse 2012 ergibt das eine Reichweite von 40,5 Prozent in der Hauptstadt. Österreichweit liegt die Zeitung bei rund 13 Prozent.

Bereits im Jahr 2010 hat „Heute“ das größte Kleinformat des Landes, die „Kronen Zeitung“, in Wien vom Thron gestoßen. Nur rund sechs Jahre nach dem ersten Erscheinen. Seit dem 6. September 2004, als Ausgabe #1 gratis für die Leser auflag, wächst „Heute“ stetig an – in Zeiten, in denen die Auflagen anderer Tageszeitungen stagnieren oder gar zurückgehen. Wie geht das?

Quellen: VRM & Media Analyse

Das abgeschaute Geschäftsmodell: zentral und gratis

Ein Grund für den Erfolg liegt im Geschäftsmodell. Dieses haben die „Heute“-Gründer nicht erfunden: Schon Mitte der 1990er Jahre hatte sich ein neues Zeitungskonzept von Skandinavien aus über Europa verbreitet: die Gratistageszeitung. Auch Pendler- oder U-Bahn-Zeitung genannt, richtet sie sich überwiegend an Fahrgäste öffentlicher Verkehrsmittel.

„Das Geschäft mit Gratistageszeitungen ist vor allem von der Dichte des Ballungsraumes abhängig“, sagt der deutsche Medienwissenschaftler Michael Haller, der in einer 2009 veröffentlichten Studie Gratistageszeitungen in Westeuropa untersucht hat. Das erklärt, warum hierzulande das Konzept in einer Großstadt wie Wien am besten greift. Hier können genügend Stück zur freien Entnahme an Knotenpunkten, wie U- oder S-Bahn-Stationen aufgelegt werden, was wiederum die Vertriebskosten senkt. Die Zeitung muss nicht an jede Haustüre einzeln geliefert werden.

Kurze Berichte, kurze Lesedauer – gerade lange genug, um eine Ausgabe in der U-Bahn zu lesen – erlauben eine kleine Redaktion. Das spart Journalisten und Kosten. Da die Zeitung für den Leser gratis ist, bleibt als zentrale, häufig einzige Einnahmequelle: Werbung, also Inserate.

„U-Express“ – der Vorläufer

Die Zutaten für den Erfolg schauen sich die „Heute“-Blattmacher nicht nur im Ausland, von den Erfindern der ersten Gratistageszeitungen, den skandinavischen Verlagen Metro oder Schibsted, ab. Nein, die Vorlage zu „Heute“ kam aus Österreich, genau genommen aus dem Hause Mediaprint, Wiens größtem Tageszeitungsverlag mit den Titeln „Kronen Zeitung“ und „Kurier“ im Portfolio. Dreieinhalb Jahre bevor „Heute“ seinen Siegeszug antritt, kommt Wiens erste Gratiszeitung auf den Markt, der „U-Express“.

„Die Idee eine Gratistageszeitung zu gründen, kam von außen“, sagt Josef Kalina, der einst die Geschäfte des „U-Express“ leitete. „Es gab Gerüchte, dass große Verlage wie Metro und Schibsted den Markt betreten wollten.“ Um den eigenen Markt dicht zu machen, bevor die Konkurrenz diesen betreten konnte, gründen die Mediaprint-Partner Hans Dichand, die deutsche WAZ-Gruppe und Raiffeisen ihr eigenes Gratisblatt.

Schlechte Vorlage, gutes Geschäft

Am 19. März 2001 erscheint „U-Express“, der Vorläufer der erfolgreichen Gratistageszeitung „Heute“, zum ersten Mal. „U-Express“ kommt nicht ohne Schwächen in die Boxen: Es gibt kein Fernsehprogramm, kein Horoskop und immer dieselbe Nackte, die schöne „Ariane“, die sogar im Dienstkleid der Wiener Linien lasziv posieren darf. Die Boxen, aus denen Leser das Gratisblatt entnehmen, sind aus Karton, halten daher nicht lange. Auch ist „U-Express“ nicht geheftet, weshalb Seiten lose in den U-Bahnen liegen und die Reinigungskosten steigen.

Trotzdem merkt „U-Express“-Geschäftsführer Josef Kalina – in den Jahren 2007 bis 2008 wird er Bundesgeschäftsführer der SPÖ sein – , dass sich mit dem Konzept „Gratistageszeitung“ Geld verdienen lässt. Die Mediaprint-Eigentümer aber hatten etwas anderes vereinbart: den „U-Express“ nur drei Jahre lang herauszugeben. Als 2004 die Zeit verstrichen und die skandinavische Bedrohung von außen verschwunden ist, kommt das Aus für „U-Express“ – trotz positiver Geschäftsentwicklung, aber wie abgemacht.

Die WAZ-Gruppe und Raiffeisen wollen das Geschäft ihrer Stammzeitungen nicht weiter belasten. Sie setzen sich gegen den dritten Partner durch – Hans Dichand, der „U-Express“ weiterführen will. „U-Express“ erscheint zum letzten Mal am 31. März 2004.

Streng geheim: Wer bastelt an „Heute“?

Wie ein ehemaliger Mitarbeiter des „U-Express“ Dossier berichtet, wird ihm noch vor dem Aus gesagt, er solle sich keinen neuen Job suchen. Denn bald ginge es weiter und so kam es auch. Es beginnt eine Zeit, über die involvierte Akteure bis heute nicht offen sprechen. Die Vorbereitungen laufen an, im Verborgenen wird an einer neuen Gratiszeitung gebastelt. Wie die Namen der Hintermänner ist dabei zunächst alles: streng geheim. Am 1. Juni 2004 tritt der SPÖ-nahe Steuerberater und Treuhänder Gerhard Nidetzky auf den Plan. Er übernimmt die Anteile einer leicht verschuldeten Firma namens „Paul Slatin GmbH“ und benennt diese in „AHVV Verlags GmbH“ um, dem Verlag hinter „Heute“. Noch am selben Tag wird Wolfgang Jansky Geschäftsführer.

Am Tag zuvor, dem 31. Mai 2004, hatte Jansky seinen Arbeitgeber, die Stadt Wien, verlassen. Nach vielen gemeinsamen Jahren trennt sich Janskys beruflicher Weg von jenem seines Langzeitchefs, dem SPÖ-Wohnbaustadtrat und heutigen Bundeskanzler Werner Faymann. Seit ihren Anfängen bei der Sozialistischen Jugend (SJ) kennen die beiden einander. Beide arbeiteten in der Landesorganisation der Mietervereinigung Wien, Faymann als deren Geschäftsführer.

In dem gemeinnützigen SPÖ-nahen Verein wirkte auch der jetzige SPÖ-Medienstaatssekretär Josef Ostermayer mit, zuerst als Rechtsberater, dann als leitender Jurist. Als Faymann 1994 zum Stadtrat avancierte, wechseln Wolfgang Jansky und Josef Ostermayer mit ihm ins Wiener Rathaus. Zehn Jahre lang ist Jansky Faymanns Pressesprecher und Ostermayer Büroleiter.

„Heute“ – Nummer 1

Im Juli 2004 brodelt es in der Gerüchteküche. Erstmals schreiben Zeitungen über einen möglichen Nachfolger des „U-Express“. Josef Kalina – einst Geschäftsführer des „U-Express“ – steht seinem Freund Wolfgang Jansky bei den Planungen zur Seite. „Ich habe ihm in ein paar Abendgesprächen vermittelt, was die Probleme sind“, sagt Kalina.

Am 6. September 2004 ist es soweit: „Heute“, die Nummer Eins, ist den Zeitungsboxen zu entnehmen. Ein Vertrag zwischen den Wiener Linien und „Heute“ macht es möglich, dass seither einzig „Heute“ in den U-Bahn-Stationen aufliegen darf – ein Umstand, den Wolfgang Fellner, Herausgeber der zwei Jahre später auf den Markt kommenden Wiener Gratistageszeitung „Österreich“, gerichtlich bekämpft.

Exklusiv und geheim

Wolfgang Fellner kommt dieser Exklusivvertrag alles anderes als gelegen: Die „Österreich“-Boxen müssen außerhalb der Stationen stehen, erreichen so weniger Fahrgäste. Vor allem jene potentiellen Leser gehen verloren, die an Knotenpunkten im Netz von einer Linie in die Nächste umsteigen und dabei nicht die Station verlassen. Warum das so ist, bleibt geheim. Von Seiten der Wiener Linien gibt es dazu keine Auskünfte.

„Die Beschickung der Boxen ist eine zentrale Größe für den Erfolg“, sagt Medienwissenschafter Michael Haller. „Ich bin erstaunt, dass es in Österreich erlaubt und möglich ist, eine Zeitung innerhalb und eine ausserhalb der Stationen zu bekommen. Auch in der Schweiz gab es mit der Schweizer Bundesbahn (SBB) diesbezüglich einen juristischen Streit. Dann wurde entschieden, dass alle oder keiner seine Boxen in den Bahnhöfen aufstellen darf“. 

Inserate – der Schlüssel zum Erfolg

Wie Dossier-Recherchen zeigen, gibt es einen weiteren Grund für den beeindruckenden Aufstieg der Gratistageszeitung: die Inserate der Stadt Wien und ihrer Unternehmen, unter anderem auch der Wiener Linien. In den ersten vier Monaten schaltet kein Anzeigenkunde mehr Inserate als der Monopolist im öffentlichen Verkehrswesen Wiens: 44,5 Seiten. Das entspricht einem Bruttowerbewert (ohne Rabatte und Platzierungen) von rund 410.000 Euro.

Die „Heute“-Blattmacher schaffen es nicht nur, ihre Position in Wien zu festigen, ihr Vertriebsnetz kontinuierlich zu vergößern und in den Speckgürtel nach Niederösterreich zu expandieren. Nicht einmal zwei Jahre nach dem Start betreten sie einen neuen Markt: Graz, Österreichs zweitgrößte Stadt. Dort stellt sich „Heute“ der Platzhirsch „Styria“ mit dem eigenen Gratisblatt „OK“ entgegen. Beide Verlage verbrennen in einem Jahr Millionen Euro bevor „Heute“ schließlich das Feld verlässt.

Zurück in Wien: In der Bundeshauptstadt schalten neben den Wiener Linien noch das Wohnservice Wien und die Stadt Wien eifrig Inserate. Während private Firmen nach dem Erscheinen von „Heute“ zunächst abwartend auf das neue Medium am Zeitungsmarkt reagieren, zählen diese drei Kunden mit zu den Besten.

Wiener Linien
Wohnservice Wien
Stadt Wien
Hofer
 

„Heute“ hat überzeugende Argumente: Der Slogan „Kein Morgen ohne Heute“ prägt sich ein, das Vertriebsnetz erreicht in Wien inzwischen jede größere Station der öffentlichen Verkehrsmittel und auch das Kleinformat liegt den Lesern während ihrer Fahrt mit den Öffis gut in der Hand. Wie Dossier-Recherchen zeigen, besteht ebenso wenig Zweifel, dass aufgrund der persönlichen Kontakte zwischen Akteuren auf beiden Seiten – der Gratiszeitung und des Rathauses -, dem exklusiven Vertrag mit den Wiener Linien und den Inseraten der Stadt Wien samt Unternehmen ein Scheitern überraschend gewesen wäre.

Ein Grundstein für den Erfolg wurde bereits im Gründungsjahr gelegt, als Werner Faymann noch Wiener Wohnbaustadtrat war und Wolfgang Jansky von Faymanns Pressesprecher zum Geschäftsführer bei Heute wurde. 2004 stiegen die Werbeausgaben einer Magistratsabteilung um ein Vielfaches an, die in das Ressort des damaligen Wohnbaustadtrats fiel. Dossier nennt dieses Phänomen den Faymann-Faktor.  

„Wie Heuschrecken“

Der deutsche Medienwissenschafter Michael Haller im Interview mit Dossier über das Phänomen „Gratistageszeitung“, deren Chancen für die Zukunft und über die Verteilung von öffentlichen Steuergeldern an Medien.

„Jedes Inserat der Stadt Wien ist ein aktenmässiger Vorgang“

Der Politologe Peter Filzmaier im Gespräch mit Dossier über das geplante Transparenzgesetz bei Medienkooperationen, über Verschwörungstheorien und darüber, dass Österreichs Politiker zu sehr „Parteipolitiker“ sind.

———————————————————————————————————

 

Der Faymann-Faktor

Seit Juni 2011 führt die Staatsanwaltschaft Wien das Ermittlungsverfahren „Strafsache gegen Werner Faymann“, Geschäftszahl 037 32 St 41/11x. In der Geschichte der Zweiten Republik ist Werner Faymann der erste amtierende Bundeskanzler gegen den strafrechtlich ermittelt wird. Es stehen der Verdacht der Untreue und des Amtsmissbrauches im Raum.

Werner Faymann soll in seiner Zeit als Verkehrsminister (2007 bis 2008) über die Köpfe der Vorstände der staatseigenen Betriebe Österreichische Bundesbahnen (ÖBB) und ASFINAG Inserate für verschiedene Medien bestellt haben. Dossier nimmt Abstand davon aus Akten des Strafverfahrens zu zitieren, da die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind.

Dossier ist im Zuge seiner Recherchen auf etwas anderes gestoßen: den Faktor Faymann. Dieser verhält sich wie ein Multiplikator und kommt in zwei Grafiken deutlich zum Ausdruck.

MA50 Quelle: Budget der Stadt Wien (1998-2012)

Die oben stehende Grafik zeigt den Verlauf der Werbeausgaben der Magistratsabteilung 50 (Wohnbauförderung). Diese fällt in das Ressort des jeweiligen amtsführenden Wohnbaustadtrates der Stadt Wien. In der Zeit von 1994 bis 2006 hatte Werner Faymann dieses politische Amt inne. Lagen die Ausgaben für Werbung der MA 50 im Jahr 2003 noch bei rund 415.000 Euro, stiegen sie 2004 um das 5,9-Fache an. Im selben Jahr wurde die Gratistageszeitung „Heute“ gegründet.

Quelle: Dossier-Erhebung

Da Dossier alle Inserate im Zeitraum 6. September 2004 bis 31. Dezember 2011 in der Gratistageszeitung „Heute“ erhoben und ausgewertet hat, lassen sich auch Aussagen über das Schaltverhalten des Bundeskanzleramtes (BKA) treffen. Diese Grafik zeigt den Anzeigenverlauf des BKA. Im Jahr 2009, dem ersten Jahr von Werner Faymanns Amtszeit als Bundeskanzler, steigt die Anzahl der geschalteten Inserate von 6,5 Seiten (2008) auf 27,625 Seiten an. Der Faktor Faymann liegt in diesem Fall bei 4,25.

 

 

 

———————————————————————————————————————————-

Aus dem per ÖVP-Amtsmissbräuche offenkundig verfassungswidrig agrar-ausgeraubten Tirol, vom friedlichen Widerstand, Klaus Schreiner

Don´t be part of the problem! Be part of the solution. Sei dabei! Gemeinsam sind wir stark und verändern unsere Welt! Wir sind die 99 %! Wir sind die Veränderung, die wir uns wünschen.

PS.: Übrigens die 28. Innsbrucker Friedensmahnwache findet am Montag den 24.11.14 um 18:00 Uhr bei der Annasäule statt. Sei dabei! Unterstütze mit Deiner Anwesenheit die friedliche Bewegung FÜR Frieden in Europa und auf der ganzen Welt!

images (5)

2 Gedanken zu „Durch Werbeschaltungen sind Politik und Medien tief miteinander verstrickt! Sehr tief! – Dossier.at hat die Inseratenaffäre untersucht. Dossier: Im Netz der Gratiszeitung – Wer steckt hinter „Heute”? Eine ausführlich recherchierte investigative Berichterstattung. Bravo.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert