VP-Machtspiele auf Kosten der Allgemeinheit: 3,5 Milliarden Quadratmeter wurden den Gemeinden entzogen (Anm.: offenkundig verfassungswidrig, per Amtsmissbräuche von VP-Politikern! Die Agrarfrage ist die Frage ob wir Volksvertreter oder Volksverräter haben!

Tiroler UNRECHTs-Widerstandsberichterstattung

Finanzmarkt- und Konzernmacht-Zeitalter der Plutokratie unterstützt von der Mediakratie in den Lobbykraturen der Geld-regiert-Regierungen in Europa, Innsbruck, 2014-03-07 

Liebe BlogleserIn,

aus dieser Quelle http://www.mieming-transparent.at/files/12-17_0314_ET-2.pdf vom Echo Verlag:

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Die letzte Chance

Eine aktuelle Untersuchung zeigt: Die agrarischen Gemeinschaften „besetzen“ aktuell fast 50 Prozent der produktiven Landesfläche. Nur ein Drittel des geraubten Volksvermögens würde durch das von der Landesregierung angestrebte Gesetz vielleicht wieder zurück zu den Gemeinden kommen.

Wir wussten nicht, wie groß dieser Anteil ist von diesem quasi unter agrarischer Zwangsverwaltung stehenden Drittel. Von diesem über eine Milliarde Quadratmeter großen Teil hat bisher überhaupt niemand geredet. Das kommt als neuer Problemkreis hinzu.“, sagt Andreas Brugger, Agrarexperte und Abgeordneter der Liste Fritz. Über eine Milliarde Quadratmeter. Was Brugger erstaunt, kann durchaus erschüttern. Die Agrargemeinschaftsdebatte, die dem Land Tirol seit 2005 unheimliche Erkenntnisse über die kriminelle Energie von Politik und Behörden lieferte, drehte sich im Kern lediglich um ein Drittel jener Flächen, die den Tiroler Gemeinden und damit der Mehrheit der Bevölkerung entzogen wurden. Vielfach war davon die Rede gewesen, dass die Fläche, um die es beim größten Kriminalfall des Landes geht, knapp zwei Milliarden Quadratmeter groß sei.

Schon diese geschätzte Zahl war kaum zu fassen und wurde erst durch den Vergleich, dass dies der Fläche Osttirols entspricht, greifbar.

Eine aktuelle Untersuchung des Tiroler Gemeindeverbandes zeigt aber, dass das Ausmaß der illegalen Vermögensverschiebung damit bei Weitem nicht beziffert werden kann. Den Tiroler Gemeinden wurde durch die Agrarbehörden bzw. die bäuerlichen Agrargemeinschaften weit mehr Grundvermögen entzogen. Die Tiroler Grundfläche, auf der statt demokratisch geführten und allen Einwohnern verpflichteten Gemeinden undemokratische und lediglich vom bäuerlichen Machterhalt getriebene Agrargemeinschaften herrschen, ist sogar weit größer als Vorarlberg.

Über 3,5 Milliarden Quadratmeter sind es, die den Tiroler Gemeinden gehörten, bevor die hinterlistige Landnahme in all ihren unterschiedlichen Facetten begann. Letztlich, um ein folgeschweres und bis in die kleinste Faser ungerechtes Bodenregime zu zementieren. „Nun kann erstmals auf den Quadratmeter genau gesagt werden, was mit dem Tiroler Gemeindegut wirklich passiert ist und wie die Veränderung gelaufen ist“, weiß Ulrich Stern, „alle Zahlen, die von den Politfunktionären der schwarzen Reichshälfte genannt wurden, waren bestenfalls Halbwahrheiten.“

Stern, der sich als Mieminger Gemeinderat schon früh mit der rechtswidrigen Entmachtung der Gemeinden zugunsten einer kleinen agrarischen Bevölkerungsgruppe auseinandersetzte, hat im Mai 2013 damit begonnen, diesen entscheidenden Teil der jüngeren Landesgeschichte erst aus wissenschaftlicher Neugier, dann auch im Auftrag des Tiroler Gemeindeverbandes aufzuarbeiten.

Grundlage dafür war eine Liste der Gemeinden und Agrargemeinschaften, welche Ex-Agrarlandesrat Anton Steixner im April 2013 im Rahmen einer parlamentarischen Anfragebeantwortung dem Tiroler Landtag präsentiert hatte. Die Liste lieferte Stern eine grobe Landkarte, anhand welcher er begann, systematisch die Grundbücher des Landes zu durchforsten, um für die von Steixner genannten 243 Gemeinden die Wahrheiten ans Tageslicht zu befördern. Er erfasste jede einzelne agrarische Gemeinschaft, analysierte deren Entstehungsgeschichte anhand der dafür relevanten Urkunden, verglich die ursprünglichen Grundbuchauszüge mit den heute aktuellen, goss das Ganze in Zahlen und lieferte ein erschütterndes Datenwerk, auf das nun jeder Interessierte über die Homepage des Tiroler Gemeindeverbandes (www.gemeindeverband-tirol.at) zugreifen kann.

Mit einem Klick erfährt man dort beispielsweise, dass der Gemeinde Kals am Großglockner von 80 Millionen Quadratmetern nicht einmal 100.000 Quadratmeter im Eigentum geblieben sind, dass die Gemeinden des Bezirkes Reutte bis auf die Unterhosen enteignet wurden und durchschnittlich nur noch über 3,27 Prozent ihres ehemaligen Grundeigentums verfügen, oder dass es statt knapp 160 rund 500 Agrargemeinschaften sein müssten, über die diskutiert wird. Auch die Agrarbehörde dürfte staunen oder sich ertappt fühlen, schickte sie doch Ende Jänner 2014 das Schreiben, in dem die Behörde die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zum sogenannten Überling erläutert (Bezug des Rechtholzes nur bei konkretem Bedarf und nur wenn der historische Haus- und Gutsbedarf noch besteht und nur wenn auch die bezugsberechtigte Feuerstelle noch besteht, etc.), lediglich an 143 Tiroler Gemeinden. Rund 100 Gemeinden erscheinen nicht im Verteiler der Agrarbehörde auf. Das müssten sie aber – wie die neuesten Erhebungen zeigen. „Das ist wie das Genom der Tiroler Agrargemeinschaften“, erkennt Andreas Brugger die enorme Arbeit an, die hinter dieser Bombe steckt.

Die Entschlüsselung dieses Genoms lässt die aktuelle Debatte über den Lösungsansatz der schwarz-grünen Landesregierung in einem neuen, grellen Licht erscheinen. Der Gesetzesentwurf, mit dem die Koalitionspartner die Agrarfrage ein für alle mal zu lösen gedenken, betrifft nur ein Drittel der Flächen, die den Gemeinden entzogen wurden. Und selbst die Rückführung dieses Drittels wäre – das hat die Ende 2013 veröffentlichte Punktation schon durchblicken lassen – umständlich und mit allerlei agrarfreundlichen Hürden gepflastert. Der überwiegende Teil der missbrauchten Gemeindeflächen wird mit dem Lösungsansatz der Regierung aber nicht einmal ansatzweise tangiert. Der Tiroler ÖVP mag das willkommen sein – ihre Macht fußt schließlich auch auf diesem Unrecht. Für die Tiroler Grünen wird die Geschichte aber zum ultimativen Prüfstein. Ignorieren sie die neuen Erkenntnisse, werden sie zu Mittätern am letzten Landraub. Denn das geplante Gesetz würde nur 1,148 Milliarden Quadratmeter betreffen und den Gemeinden vielleicht einen notdürftigen Ersatz für ihr früheres Grundeigentum zurückbringen. Mehr als zwei Milliarden Quadratmeter, die ursprünglich Tiroler Gemeinden gehörten, würden in den Händen der Agrargemeinschaften bleiben und weiterhin zum Nachteil der Einwohner missbraucht werden.

3,5 Milliarden Quadratmeter. Was in dieser Zahl steckt, kann erst begriffen werden, werden die Verhältnisse bildhaft dargestellt. Die gesamte Tiroler Landesfläche beträgt rund 12,648 Milliarden Quadratmeter. Werden die sogenannten unproduktiven Flächen, also Berge, Gestein, Geröll und sonstige Ödnis sowie die Bauflächen abgezogen, verbleiben 9,528 Milliarden Quadratmeter, die als nutzbare bzw. produktive Landesfläche bezeichnet werden. Dazu gehören Almen, Wälder, Gärten, Wiesen, Äcker und Weiden. Das ist der Kuchen, der für die Tirolerinnen und Tiroler interessant ist. Darauf spielen sich das Leben und die Entwicklung ab. Sie sind die Ressourcen, das Gold des Landes und der Umstand, dass für die unprivilegierte, nichtbäuerliche Bevölkerung – also knapp 96 Prozent der Tirolerinnen und Tiroler – mit den Bauflächen (420 Quadratkilometer) und den Gärten (125 Quadratkilometer) lediglich 1,3 Prozent der gesamten Landesfläche zur Verfügung stehen, spricht für sich. Und dafür, dass das Ziel der VP-Machthaber, die Nichtbauern vom Grund und Boden fern zu halten, aufgegangen ist.

Zum Zeitpunkt der Grundbuchsanlegung, als Beamte der Monarchie und später der Republik Österreich zwischen 1900 und 1939 die Eigentumsverhältnisse in den Tiroler Gemeinden akribisch erfassten und in den Grundbüchern festhielten, waren die Gemeinden Eigentümerinnen von 42 Prozent oder 3,979 Milliarden Quadratmeter des interessanten „Kuchens“, also der produktiven Tiroler Flächen. 15 Prozent (1,426 Milliarden Quadratmeter) waren als Gemeinschaftseigentum von echten Agrargemeinschaften, also von Miteigentumsgemeinschaften, bäuerlichen Nachbarschaften oder Interessentschaften festgestellt worden. Schon dabei waren die Beamten wohlwollend mit dem Bauernstand umgegangen. Um Konflikte und Auseinandersetzungen nicht eskalieren zu lassen, wurde manches bäuerliche Recht anerkannt, selbst wenn die Belege dafür dürftig waren.

43 Prozent der produktiven Landesfläche (4,549 Milliarden Quadratmeter) befanden sich damals im Besitz sonstiger Eigentümer – zu denen nebst anderen vergleichsweise aber kleinen Großgrundbesitzern vor allem die Bundesforste (vormals Ärar) und die Kirche (Klöster, Stifte, etc.) zählten.

Seit damals ist viel passiert im Land Tirol. Wie eben die unheimliche Landnahme. Denn während der Anteil der sonstigen Eigentümer bei 43 Prozent geblieben ist, ist der Anteil der Gemeinden fast verschwunden. Statt über 42 Prozent können die Tiroler Gemeinden heute gerade mal noch über vier Prozent der produktiven Landesfläche selbst verfügen. Denn 50 Prozent sind in der Hand von Agrargemeinschaften. Auf knapp der Hälfte des heimischen Grund und Bodens herrscht eine Gruppe, die aus Tradition so gut wie ausschließlich an sich selbst und dem eigenen Machterhalt interessiert ist. In gewisser Weise wurde durch die Enteignung der Gemeinden und die Gründung der Agrargemeinschaften das mittelalterliche Gesellschaftssystem fortgeführt und eine echte Demokratisierung des Landes genauso verhindert wie eventuelle Auswüchse des Gleichheitsgrundsatzes. Wenn die Hälfte des entwicklungsfähigen Landes von einer entwicklungsfeindlichen und veränderungsresistenten Gruppe verwaltet wird, hat das enorme Auswirkungen. Vor dem Hintergrund beantwortet Ulrich Sterns Zahlenwerk viele Fragen. Vor dem Hintergrund erklärt Ulrich Sterns Zahlenwerk in weiten Teilen die Tiroler Welt.

Was diese Verhältnisse bedeuten, das spüren die Tirolerinnen und Tiroler deutlich und täglich. Die exorbitanten Grundstückspreise oder die anhaltende Unmöglichkeit, billiges Wohnen zu ermöglichen, stechen dabei ins Auge. „Man hat der Bevölkerung Milliarden Quadratmeter genommen und dann versucht man verfassungswidrig mittels Vertragsraumordnung, ein paar Quadratmeter für sozialen Wohnbau zur Verfügung zu stellen. Dort wurden mit dem Großbagger Milliarden Quadratmeter auf die Agrarseite geschaufelt und hier geht man mit dem Teelöffel her, schaufelt ein bisschen zurück und sagt, schaut wir tun eh alles, um das Wohnen billiger zu machen“, ist Andreas Brugger empört.

Es ist eine bekannte bäuerliche Haltung, sich gegen zu viel Siedlungsraum zu wehren, wobei es ein Märchen ist, dass die als Agrargemeinschaften geadelte und trickreich in die Moderne geschleuste „alte Dorfehrbar-keit“ dadurch die Weideflächen für ihr Vieherhalten wollen. Nicht minder lachhaft ist das bis heute bediente Bild der Bauern, die unter Tränen die Bergwiesen mähen und nichts davon haben, das Gemeindeeigentum zu „bestellen“. Noch Anfang Dezember 2013 hielt Peter Raggl, Direktor des Tiroler Bauernbundes, in einem Bauernzeitungs-Kommentar zum Thema fest: „Dabei sollten nicht die Gemeinden um etwas gebracht, sondern die Gemeinschaft weiterentwickelt werden.

„Alles Schein, alles Trug. Es ging um enorm viel Geld und es ging darum, die Entscheidungsgewalt darüber zu haben, wer hier leben darf, wo und unter welchen Bedingungen. Durch die illegale Machtübernahme auf dem öffentlichen Grund und Boden wurde den Agrariern ermöglicht, dieses ungerechte Spiel großflächig zu perfektionieren. Grund und Boden wurde und wird künstlich sowie mit allerlei gesetzlicher Schnörkel versehen (Grundverkehr, Raumordnung, etc.) verknappt, die Grundstückspreise schnellten in die Höhe – und tun es immer noch. Dieser bewusst inszenierte Teufelskreis, der Gemeinden, Bürgermeister und Einwohner zu Bittstellern auf dem eigenen Grundvermögen degradierte, hat deutliche existenzielle Auswirkungen auf die Mehrheit der Bevölkerung, und das täglich. Und auf einer weit größeren Fläche, in weit mehr Gemeinden als bislang gedacht.

Das von den Regierungsvertretern der Tiroler ÖVP und der Tiroler Grünen geplante Gesetz würde nur jene Gemeindeguts-Flächen tangieren, deren Agrargemeinschaften als sogenannte Gemeindeguts-Agrargemeinschaften bezeichnet werden. Davon betroffen wären jene Gemeinden, für die das VfGHErkenntnis des Jahres 2008 zutrifft und die – wie eben die Beispiel- und Anlassgemeinde Mieders – mittels Bescheid der Agrarbehörde enteignet wurden. Dort wurde aufgrund verfassungswidriger Bescheide das Gemeindeeigentum reguliert, das Grundeigentum gesetzlos entzogen und sogenanntes atypisches Eigentum geschaffen. Die rund 1,148 Milliarden Quadratmeter, die aufgrund derartiger Behördenakte von den Gemeinden auf Agrargemeinschaften übertragen wurden, sind ausjudiziert, längst steht fest, dass die Gemeinden Eigentümerinnen ihrer Grundstücke geblieben sind und den berechtigten Landwirten lediglich die sich am historischen Haus- und Gutsbedarf orientierenden Holz und Weiderechte zustehen und sonst nichts. Wie schwer es selbst für diese Gemeinden ist, ihre Rechte am Grund und Boden wahrnehmen zu können, zeigt, dass bis heute noch bei keiner Gemeinde davon gesprochen werden kann, dass sie über ihre Grundstücke verfügen kann. Nicht nur die skandalösen Dreistigkeiten mancher Funktionäre der Agrargemeinschaft Langkampfen zeugen davon, dass das Eigentum der Gemeinden nach wie vor in Gefahr ist. Die Haltung der Landesregierung und der ihr weisungsgebundenen Beamtenschaft war seit Beginn der Diskussion ebenfalls eine gefährliche Kampfansage an die Gemeinden. „Statt, wie versprochen, die VfGH-Erkenntnisse und Gesetze auf Punkt und Beistrich umzusetzen, wurden nur Punkte und Beistriche umgesetzt, nicht aber, was dazwischen steht“, weiß Andreas Brugger.

So beschämend das Tauziehen für dieses „Drittel“ auch ist und so wiederholt rechtswidrig die Bescheide und Erkenntnisse der zuständigen Agrarbehörde oder des Landesagrarsenates auch waren, so haben die von Gemeindeguts-Agrargemeinschaften misshandelten Gemeinden zumindest die Chance, auf den in den ehemaligen Grundstücken steckenden Vermögenswert mit komplizierten Maßnahmen zugreifen zu können. „Bei diesem Drittel, also bei dem Teil, über den wir seit 2005 geredet haben, hat sich die Betrachtungsweise im Kopf geändert, aber noch nicht in der Realität“, so Brugger weiter. Ein zweites Drittel, der Teil, der großteils im wohl dunkelsten Kapitel der Agrargeschichte geschrieben wurde, würde durch die Schwarz-Grüne Gesetzesnovelle nicht tangiert. Auf diese 1,237 Milliarden Quadratmeter ehemaliges Gemeindeeigentum würden die betroffenen Gemeinden und ihre Einwohner nur dann wieder eine Chance haben, wenn der Tiroler Landtag das Rückübertragungsgesetz beschließen würde, das fix und fertig auf dem Tisch liegt und vor der Landtagswahl 2013 auch und sogar federführend von den Tiroler Grünen gefordert worden war. Das Abrücken der neuen Koalitionspartner von diesem Lösungsansatz wurde vielfach schon als Verrat oder Umfallen bezeichnet. 

Überspitzt formuliert kann vor dem Hintergrund der nunmehr vorliegenden Zahlen behauptet werden, dass die Grünen für ihre Regierungsbeteiligung über eine Milliarde Quadratmeter öffentliches Grundvermögen opferten. Zum Wohle der VP-Agrarfraktion und zum nachhaltigen, möglicherweise ewigen Nachteil der Bevölkerung. Der explosive Kern für diese vielleicht teuerste Regierungsbeteiligung aller Zeiten, liegt darin, dass die Grünen vor allem im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt, ab dem das Unrecht betrachtet und aufgearbeitet werden muss, einknickten. Vor der Landtagswahl war auch für die ehemalige Oppositionspartei logisch gewesen, dass dieser Zeitpunkt mit der Grundbuchsanlegung festgelegt werden müsse. Später – also nach 1939 – begann die Agrarbehörde zu werkeln und im Auftrag der fortgesetzten Blut- und Bodenpolitik der bauernaffinen VP-Machthaber das Gemeindeeigentum auf die Agrarseite zu verschieben.

Die Logik des Rückübertragungsgesetzes bleibt bestechend, weil in den Grundbüchern nachgelesen werden kann, welche Grundstücke wahres Eigentum der Gemeinde waren. „Wenn es vorher wahres Eigentum einer Gemeinde war und jetzt bei der Agrargemeinschaft ist, muss es zurück“, spricht Andreas Brugger nicht nur für die Liste Fritz, sondern für die gesamte Tiroler Landtagsopposition, die wiederholt das Rückübertragungsgesetz forderte. „Wenn es aus den Urkunden heraus keine Gegenbeweise gibt, dann gilt die Grundbuchsanlegung“. Wie zwingend dieser Ansatz ist, zeigt sich eben bei jenen 1,237 Milliarden Quadratmetern, deren Rückübertragung in die Hände der wahren Eigentümer ohne entsprechendes Rückübertragungsgesetz unmöglich wäre.

Diese enorme Fläche des zur Grundbuchsanlegung öffentlichen, dann auf verschiedene Weise einkassierten Gemeindeeigentums errechnete Ulrich Stern beispielsweise aus den NS-Regulierungen in Osttirol, unglaublichen jüngeren Skandalgeschichten, wie etwa jener aus Ainet, wo ein Bürgermeister mit deutlicher Schlagseite zu den Agrariern, einen rechtlosen Bescheid verschwinden und damit jegliche Gemeinderechte auf das Grundeigentum untergehen ließ, oder auch jener Gemeinden, die mittels sogenannter Hauptteilungen um ihr Eigentum gebracht wurden. Dass die VP-Regierungsverantwortlichen, allen voran Landeshauptmann Günther Platter, noch im vergangenen Jahr diese Hauptteilungen ernsthaft forcierten, ist deswegen unfassbar, da durch diesen – nunmehr als „vermögensrechtliche Auseinandersetzung“ bezeichneten rechtlichen Kniff – der überwiegende Großteil des Gemeindeeigentums den Agrariern für immer „zugeteilt“ wurde bzw. wird, während den Gemeinden ein Fingerbreit Grund gelassen wurde bzw. wird.

„Es gab nur relativ wenige Hauptteilungen, schlicht, weil man der Gemeinde den kleinen Rest an unbelastetem Grund nicht gegönnt hat“, erklärt Brugger, der zwar auch bei diesen Fällen Chancen für die Gemeinden sieht, den Weg zur Gerechtigkeit aber als steinig beschreibt. In der Erklärung Bruggers steckt nicht nur ein Hintergrund für die flächendeckende agrarische Selbstbedienung am Gemeindevermögen, sondern auch für die Gefahren, denen das Gemeindegut weiterhin ausgesetzt ist. Ulrich Stern hat im Umkehrschluss exakt erfasst, was den einzelnen Tiroler Gemeinden von ihrem ursprünglichen Eigentum geblieben, also nicht der agrarischen Zwangsverwaltung anheimgefallen ist. Dieser spärliche Rest, der sich zwischen nicht einmal zwei und knapp 14 Prozent (9,7 Prozent im Landesdurchschnitt) bewegt, wird von den aktuellen agrarischen „Dorfehrbarkeiten“ wohl so lange angegriffen, so lange kein endgültiges Machtwort die arg verschobenen Dinge in Tirol zurechtrückt.

Das auf den Verhältnissen der Grundbuchsanlegung basierende Rückübertragungsgesetz würde jedenfalls auch mit diesen Begehrlichkeiten aufräumen, denen die Landesbehörden nach wie vor Tür und Tor öffnen. Eine bizarre Situation im 21. Jahrhundert. Die Klassengesellschaft hat nicht nur überlebt, sondern wurde über die Jahrzehnte sogar gestärkt. Die Art jedoch, wie ein großer Teil dieses Agrargemeinschafts-Kuchenstücks als unangreifbar verteidigt wird, ist durch nichts zu entschuldigen. Wie erwähnt, fallen auch jene Raubzüge zu diesen politisch wie in der offiziellen Diskussion unbeachteten 1,237 Milliarden Quadratmeter, die in affenartiger Geschwindigkeit während der NS-Zeit den Gemeinden genommen und Agrargemeinschaften „gegeben“ wurden. Osttirol war während des nationalsozialistischen Terrorregimes zur agrarierfreundlichen Spielwiese deklariert und nach dem Zweiten Weltkrieg zum Vorbild erhoben worden. Die sogenannten Haller’schen Urkunden, benannt nach dem während der NS-Diktatur verantwortlichen Agrarbeamten, werden vom Land Tirol als unantastbar angesehen und es wird unterstellt, dass den Eigentumsübertragungen freiwillige Einigungen zugrunde liegen. Darin stecken gleich mehrere atemraubende Facetten. Wie auch immer man dies dreht und wendet und wie auch immer dies manchen Österreichern willkommen war, wurde Österreich von Hitler-Deutschland überfallen, wodurch Österreich aufhörte als Staat zu existieren. Die Bürgermeister, die ab 1938 in den Tiroler Dörfern „regierten“ waren nicht nach der Rechtsordnung des Staates Österreich im Amt, sondern Günstlinge des NS-Regimes bzw. der NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei), die jenen Staat beherrschte, der Österreich überfallen hatte.

Die NSDAP nun hatte nach Wegen gesucht, die Bevölkerung dem Regime gewogen zu machen. Die „gemeine“ Bevölkerung war es aber nicht, deren Wohlwollen wichtig war, diese Schichten wurden als Kanonenfutter gebraucht. Nein, es waren die bäuerlichen Opinion-Leader in den Dörfern, die alten Dorfehrbarkeiten, um die es ging. Sie galt es, auf die Seite des NS-Regimes zu ziehen und auch das war ein Hintergrund dafür, dass die während der NSZeit dem Gau Kärnten zugeschlagenen Gemeinden Osttirols, vom zuständigen Agrarbeamten großflächig enteignet wurden. „Da hat der von der NSDAP eingesetzte Bürgermeister mit dem von der NSDAP eingesetzten oder wohlwollend geduldeten Ortsbauernführer eine Vereinbarung getroffen“, erklärt Andreas Brugger, „heute zu sagen, weil ein NSDAPGünstling, um die Bevölkerung gegenüber der NSDAP gewogen zu machen, österreichisches Vermögen verschenkt hat, könne man das nicht mehr antasten, ist ein Skandal.“ Ein Skandal mit unheimlich ekelhaftem Beigeschmack, werden laut offizieller Gangart des Landes Tirol doch die Vereinbarungen von NS-Bürgermeistern mit NS-Bauernführern voll und ganz anerkannt und sogar über hoheitliche Akte gestellt, die nach 1945 passierten.

Nach 1948 wurden die „Aktivitäten“ in Osttirol unter der Wallnöfer-Administration nahtlos fortgesetzt. Wie erwähnt, würde dieses dunkle Unrechts- Drittel von der Landesregierung bewusst „ausgespart“ und nicht angetastet. So wie das „letzte“ Drittel, von dem keiner wusste, dass es diese Ausmaße annimmt. „Im Fall dieses Drittels ist den Gemeinden das nackte Eigentum am Gemeindegut geblieben, sie sind auch im Grundbuch als Eigentümerinnen eingetragen, doch wurde ihnen eine Agrargemeinschaft drübergestülpt, den Gemeinden lediglich unterschiedlich hohe Anteile an der Agrargemeinschaft zugestanden und das Gemeindegut wird quasi zwangsverwaltet“, erklärt Ulrich Stern, dessen Berechnung ergab, dass dieses unbekannte Drittel 1,306 Milliarden Quadratmeter groß ist. Die Grundflächen der Agrargemeinschaft Silzer Alpen zählen beispielsweise dazu. Dort wurde im Regulierungsplan festgehalten, dass der Agrargemeinschaft die gesamten Einnahmen aus dem Gemeindegut (Skigebiet Kühtai, Tiwag) zustehen. Dass die Gemeinde auf Kosten der Allgemeinheit dafür sorgen muss, die Fäkalien aus dem Skigebiet abzutransportieren, ist ein besonders dreistes „Schmankerl“ dieser Verhältnisse.

„Diese Gemeinden fürchten derzeit nicht ganz zu Unrecht, noch schlechter dran zu sein, als die anderen“, sagt Andreas Brugger, „dieser Block wurde sorgfältigst ausgespart und man sagt mit großer Zynik, dass dies kein atypisches Gemeindegut sei und daher die vom Verfassungsgerichtshof für Mieders entwickelten Regeln dort nicht gelten würden.“

Wer glaubte, dass die Agrargemeinschafts- Debatte beendet ist, irrt. Angesichts des neuen Zahlenwerks wird erstmals klar, was die Gemeinden und die Bevölkerung zurückgewinnen können. 3,5 Milliarden Quadratmeter stehen auf dem Spiel. Und mit ihnen die Entwicklungsmöglichkeiten und Entfaltungsmöglichkeiten der Zukunft. Noch haben die Tirolerinnen und Tiroler die Chance. Es ist die letzte Chance. Alexandra Keller

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Nicht zu ignorieren

Ernst Schöpf, Präsident des Tiroler Gemeindeverbandes, nimmt zum erhellenden Agrargemeinschafts-Zahlenwerk Stellung.

ECHO : Das Agrargemeinschafts-Zahlenwerk, welches der Gemeindeverband jüngst präsentierte, liefert neue Einblicke in die Ausmaße des größten Kriminalfalles. Welche

Zahlen bzw. Ergebnisse haben Sie am meisten überrascht?

Ernst Schöpf: Es war ja immer von diesen 2000 Quadratkilometern die Rede. Dass es dann 2400 geworden sind, war schon überraschend, weil man uns ja immer vorgeworfen hat, dass diese Zahl zu hoch sei. Im Sonderlandtag vom Oktober 2013 hat VP-Agrarsprecher Hermann Kuenz noch behauptet, es handle sich um 1600 Quadratkilometer. Was mich wesentlich mehr überrascht hat, waren aber die knapp 1200 Quadratkilometer, wo man den Gemeinden das Eigentum zwar überlassen, allerdings auch dort mittels Regulierungen ein Agrarbehördenregime drübergestülpt hat. Ich habe immer gemeint, das seien nur ein paar handverlesene Gemeinden – wie Sölden, Fiss oder St. Anton.

ECHO : Zusammengerechnet sind es fast 3500 Quadratkilometer, welche den Gemeinden gehörten und dann auf unterschiedlichen Wegen entzogen wurden.

Schöpf: Bei den knapp 2400 Quadratkilometern ist eine offenkundig verfassungswidrige Übertragung gelaufen – also eine Abnahme des Eigentums. Bei den knapp 1200 Quadratkilometern hat man die Dispositionsbefugnis des Eigentümers radikal beschnitten.

ECHO : Wie muss Ihrer Meinung nach mit dem Zahlenwerk umgegangen werden –

beispielsweise bei der Formulierung der Gesetzesnovelle, von der befürchtet wird, dass sie nur ein Drittel der den Gemeinden entzogenen Grundflächen betrifft?

Schöpf: Ich kenne nur die Punktation und weiß nicht, ob sie nur die atypischen Gemeindeguts-Agrargemeinschaften regeln wollen und den Rest nicht. Man muss den Gesetzestext sehen. Ganz klar ist aber eines: Um das zu reparieren, muss man genau hinschauen. Die sauberste Lösung ist die Rückübertragung des Eigentums. Damit habe ich – ob mit oder ohne Anmerkung „Atypische Agrargemeinschaft“ im Grundbuch – alle offenkundig verfassungswidrigen Vorgänge repariert.

ECHO : Eine Kernfrage betrifft den Zeitpunkt, ab dem die Dinge betrachtet werden. Beim Rückübertragungsgesetz ist es die Zeit der Grundbuchsanlegung, im Landhaus werden allerdings weit jüngere Termine genannt – 2008, 2013 oder gar 2014. Warum muss das Thema ab der Grundbuchseintragung geregelt werden?

Schöpf: Weil das der Verfassungsgerichtshof in Serie so gesagt hat – das beginnt mit dem Erkenntnis aus 1982 und endet jetzt mit Pflach. Das Leben dieser Agrargemeinschaften hat mit Inkrafttreten der Regulierungspläne begonnen und ab diesem Zeitpunkt war es schon offenkundig verfassungswidrig. Da irgendwelche Termine willkürlich festzulegen, ist widersinnig. Ich habe das auch im Zusammenhang mit den Überlings- Regelungen gehört. Wenn man da sagen würde, das gelte erst ab 2014 würde sich ein Bürgermeister Schönherr aus Pflach herzlich bedanken – er kämpft einen Präzedenzfall durch und dann sagt man ihm, mit deinem Sieg kannst du dich brausen gehen. Wenn die Erkenntnisse auf Punkt und Beistrich umgesetzt werden, gibt es da gar nichts zu diskutieren.

ECHO : Gehen Sie davon aus, dass alle Fälle, in denen die Agrargemeinschaften auf Grundlage eines verfassungswidrigen Bescheides das Eigentum übertragen bekamen, mit den neuen Gesetz geregelt werden?

Schöpf: Das muss man doch so regeln. Es kann doch nicht sein, das man nur die Hälfte regelt oder ein Drittel.

ECHO : Glauben Sie, dass die Geschichte jetzt geregelt werden muss oder sind Sie der Meinung, dass die politische Diskussion, die ab 2005 passierte, noch einmal stattfinden könnte?

Schöpf: Diese Diskussion wird nie aufhören. Wenn man jetzt nur einen Teil klärt, kann doch niemand glauben, dass dann keine Diskussion mehr stattfindet. Der nicht geregelte Teil wird sich ständig melden. Wer immer sagt, er möchte das Thema sauber erledigen, der muss es auch sauber erledigen – sonst gibt es keine Ruhe.

ECHO : Wie muss das neue, überraschende Drittel geregelt werden?

Schöpf: Man muss eigentlich nur die Regulierungspläne ändern, damit die Gemeinden zu ihrem Anteilsrecht basierend auf der Rechtssprechung zur Substanz kommen, dann hat auch in diesen Agrargemeinschaften die Gemeinde die Mehrheit. Das ist derzeit vielfach nicht der Fall. Wir haben Beispiele, wo die Gemeinde nicht einmal zu einem Prozent mitreden kann.

ECHO : Was werden die neuen Erkenntnisse bzw. Einblicke in den Gemeinden selbst auslösen?

Schöpf: Ich denke, es wird die Neugier wecken – nicht nur bei den Dorfchronisten,

sondern auch bei den Gemeindemandataren und bei den Gemeindebürgern, weil das Ganze im unmittelbaren Lebensbereich nachvollzogen werden kann. Bislang herrschte eine gewisse Teilnahmslosigkeit, weil man viele Dinge nicht wusste. Ich denke, dass auf Grundlage der Daten und Fakten einiges passieren wird. Auch für Richter und Staatsanwälte ist das interessant.

ECHO : Sind Ihrer Meinung nach die Grünen schwer unter Druck oder ist es die gesamte Landesregierung?

Schöpf: Sowohl als auch. Die Grünen sind ja nicht gerade in der Luxussituation, jetzt noch irgendwelche Makulaturen verteidigen zu können – immerhin war es Georg Willi, der den Ausgangspunkt für das Rückübertragungsgesetz geliefert hat.

ECHO : Die Gemeinden besitzen derzeit nur ein Prozent der entwicklungsfähigen und nutzbaren Landesfläche, früher waren es 37 Prozent. Wäre es ein Aufatmen für das ganze Land, wenn die Gemeinden wieder über ihre Grundstücke disponieren könnten?

Schöpf: Ja, sicher. Ich denke nur an die aktuellen Debatten rund um das leistbare Wohnen. Leistbares Wohnen beginnt dort, wo leistbarer Grund vorhanden ist. Wenn die Gemeinden plötzlich Grundstücke haben, die teils jetzt schon als Bauland gewidmet sind oder widmungsfähig wären für bestimmte Zwecke, wie sozialem Wohnbau oder Gewerbegebieten, dann hat das schon Auswirkungen im Land. Das wäre doch gelacht.

 ECHO : Die Novelle des Agrargesetzes soll Ende Februar 2014 in Begutachtung gehen. Muss der Text aufgrund der neuen Erkenntnisse neu bearbeitet werden?

Schöpf: Ich kenne den Text zwar nicht, doch das Zahlenwerk muss natürlich Auswirkungen haben – ein solider politischer Entscheidungsträger kann das nicht ignorieren. Ich hielte es politisch für völlig falsch, nur einen kleinen Teil zu lösen. Die unbestechlichen Zahlen, die auf dem Grundbuch basieren, wird man nicht ignorieren können.

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 Gemeindeverbandspräsident Schöpf: „Die sauberste Lösung ist die Rückübertragung“

Aus dem per ÖVP-Amtsmissbräuche offenkundig verfassungswidrig agrar-ausgeraubten Tirol, vom friedlichen Widerstand, Klaus Schreiner

Gemeinsam sind wir stark! Wir sind der Souverän! Die 99 %! Be part of the solution! Be active!


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