Syrien-Konflikt: Eine vermeidbare Tragödie von Jürgen Todenhöfer

Finanzmarkt- und Konzernmacht-Zeitalter der Plutokratie unterstützt von der Mediakratie in den Lobbykraturen der Geld-regiert-Regierungen in Europa, Innsbruck am 23.02.2017

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 Aus dieser Quelle zur weiteren Verbreitung entnommen: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/eine-vermeidbare-tragoedie

Eine vermeidbare Tragödie

Syrien-Konflikt Wie aus den demokratischen Protesten ein gnadenloser Krieg werden konnte, in dem jeder gegen jeden kämpft

Eine vermeidbare Tragödie

In Aleppo ist der Krieg zwar vorbei – eine Zukunft ist für viele dennoch nicht erkennbar

Foto: Pablo Tosco/AFP/Getty Images

Irgendwann wird die Geschichte des Syrien-Krieges neu geschrieben werden. Und nicht mehr viel mit der heutigen Berichterstattung gemein haben. Das syrische Drama lief in drei Akten ab.

Der erste Akt spielte im Frühjahr 2011. Junge Syrer demonstrierten monatelang gegen die Regierung. Das war legitim. Ich habe in Homs selbst an Demonstrationen teilgenommen. Die Reaktion der syrischen Sicherheitskräfte war unverhältnismäßig und kontraproduktiv.

Im zweiten Akt drängten die geostrategischen Feinde des Assad-Regimes nach vorn: Saudi-Arabien, Katar, die USA. Sie wollten Baschar al-Assad schon lange ausschalten. Weil er Verbündeter des schiitischen Iran war. Der war ihnen durch den törichten Krieg von George W. Bush gegen den sunnitischen Irak zu stark geworden. Nach dem Sturz Saddam Husseins hatte die schiitische Bevölkerungsmehrheit des Irak die Macht übernommen und ihr Land an die Seite des Iran geführt. Der Irak fiel damit als strategisches Gegengewicht zum Iran aus. Teheran konnte sich nun auf einen „schiitischem Halbmond“ stützen, der über den Irak und Syrien bis in den Libanon reichte.

Gekidnappte Revolution

Aus diesem Bogen sollte Syrien herausgebrochen werden. Doch die Golfstaaten und die USA mussten schnell erkennen, dass Assad mit Demonstrationen nicht zu stürzen war. Zu stark war sein systematisch aufgebauter Rückhalt bei den alawitischen, schiitischen und christlichen Minderheiten sowie in Teilen der sunnitischen Mittel- und Oberschicht, den wohlhabenden Händlern der großen Städte.

Die Golfstaaten, die USA, die Türkei sowie mehrere westliche Staaten begannen deshalb ab Herbst 2011 unter amerikanischer Führung in- und ausländische Rebellen mit Waffen und Geld auszustatten. In Mittelamerika hatte diese Strategie, unliebsame Regierungen mithilfe bezahlter „Rebellen“ aus dem Sattel zu heben, ja häufig funktioniert. Warum nicht auch in Syrien?

Eine friedliche demokratische Revolution war damit erledigt. Gekidnappt. Anhänger der Demokratie spielten keine Rolle mehr. Stattdessen kämpften bewaffnete Rebellen aus Syrien und aller Welt gegen den Militärapparat des Regimes und seine herbeigeeilten ausländischen Verbündeten. Aus der friedlichen syrischen Revolution wurde ein Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und Iran. Die USA – und anfangs noch relativ zurückhaltend Russland – steuerten die Kämpfe aus der dritten Reihe. Die zunehmend schwer bewaffneten Rebellen kämpften überwiegend für einen radikal islamistischen Staat. Ich habe Unzählige von ihnen getroffen. In Damaskus, Daraa, Homs, Hama und vergangene Woche wieder in Aleppo. Wenn ich von Demokratie sprach, lächelten sie milde.

Trotz des unübersehbaren Wechsels von legitimen demokratischen Protesten zu einem „Stellvertreterkrieg“ zweier Führungsmächte des Mittleren Ostens tischten die meisten westlichen Politiker und Medien der Welt weiter die längst überholte Mär vom Kampf edler Rebellen um Demokratie und Freiheit auf. Selbst die Tatsache, dass die Rebellen oft von Saudi-Arabien, einer der finstersten Diktaturen in der Region, gesponsert wurden, konnte sie nicht bewegen, einzugestehen, dass inzwischen ein ganz anderes Stück gespielt wurde.

Im dritten Akt betraten die Hintermänner des Stellvertreterkrieges die Bühne. Während die USA und Saudi-Arabien immer unverblümter extremistische Rebellen, ja selbst Al Kaida-Terroristen, in ihrem Kampf gegen Assad unterstützten, kämpften Russland, Iran, die libanesische Hisbollah und sogar afghanische Schiitenmilizen offen an der Seite des Regimes. Inzwischen waren 50 Prozent der in Syrien kämpfenden Rebellen Ausländer. Für Demokratie kämpfte keiner von ihnen.

Bauern auf dem Schachbrett

Parallel zum Kampf um die Vorherrschaft im Mittleren Osten wurde von den USA und ihren Verbündeten sowie von Russland auch noch der IS bombardiert, der das syrisch-irakische Chaos zum Aufbau eines eigenen Staates genutzt hatte. Die Lage erwies sich als immer unübersichtlicher. Nur der Mythos von den selbstlosen Freiheitskämpfern schien unverwüstlich zu sein.

Das syrische Volk ist über diesen Krieg aller gegen alle, an dem hunderte Rebellenorganisationen und Kämpfer aus mehr als 80 Nationen beteiligt sind, verzweifelt. Auch weil er sie zu Marionetten degradiert, zu Bauern auf dem Schachbrett der Mächtigen. Das Leid, das ich in Syrien in den zerstörten Städten, auf den Schlachtfeldern und in den Krankenhäusern gesehen habe, ist unbeschreiblich. Alle Beteiligten begehen Kriegsverbrechen. Es gibt keine anständigen Kriege.

Alle sind schuld an dieser Entwicklung: Regierung und Rebellen. Die Hauptverantwortung an diesem Konflikt aber tragen die Hintermänner, die ohne jedes persönliche Risiko ein friedlich zusammenlebendes Volk unterschiedlicher Ethnien und Konfessionen aufeinanderhetzten. An ihrer Spitze die Golfstaaten um Saudi-Arabien und die USA. Tagtäglich verraten sie das syrische Volk.

Neunmal war ich während des Krieges in Syrien. Ich organisierte für syrische Kinder mit dem Honorar meiner Bücher über 70 Bein-und Armprothesen. Und für 1.000 Waisen- und Flüchtlingskinder die Schulausrüstung. In den Augen dieser Kinder spiegelte sich das ganze Leid des geschundenen syrischen Volkes. Auch nach Syrien kommt Gott nur noch zum Weinen.

Man kann die absurde Einseitigkeit der westlichen Berichterstattung anhand der Opferzahlen des oppositionsnahen Syrian Observatory for Human Rights (SOHR) belegen. Laut SOHR, Stand 13. Dezember 2016, starben im Syrien-Krieg 450.000 Menschen. Aber nicht nur durch eine Seite, wie in vielen Medien unablässig behauptet wird. Unter den 450.000 Opfern waren 109.000 „Regierungskämpfer“, 105.000 Rebellen, davon 55.000 Nicht-Syrer, 90.000 Zivilisten und weit über 120.000 „Nicht Dokumentierte“. In Syrien morden alle.

Wer die Aussagekraft der SOHR-Zahlen bezweifelt, sollte den Amnesty-International-Bericht vom 5. Juli 2016 zu den Kriegsverbrechen der Rebellen in Aleppo und Idlib lesen. Oder den Amnesty-Bericht vom 7. Februar 2017 über Hinrichtungen im Damaszener Gefängnis Sednaya. Mehrfach bat ich die syrische Regierung letzte Woche um Zugang zu dem umstrittenen Gefängnis. Vergeblich. All das muss schonungslos aufgearbeitet werden. Nichts, gar nichts kann Kriegsverbrechen entschuldigen.

Dass die Syrien-Berichterstattung nicht der Komplexität des Konflikts entspricht, zeigen auch Papiere, die der Geheimdienst des Pentagon jahrelang an das Weiße Haus sandte. In einer Analyse vom August 2012 heißt es:

1. Dass „Al-Qaida im Irak“ (AQI/ISI) und andere Extremisten den Aufstand in Syrien anführten – und nicht etwa demokratische Kräfte.

2. Dass dadurch „die Möglichkeit eines salafistischen Hoheitsgebiets“ in Ost-Syrien entstehe – genau das, was der Westen und seine Verbündeten am Golf wollten, um das syrische Regime vom Irak und vom Iran abzuschneiden.

3. Und warnend: Der „ISI“ könne dadurch zusammen mit anderen Terrororganisationen im Irak und in Syrien einen „islamischen Staat“ ausrufen.

Die USA haben sich bei diesem Versuch, zusammen mit den Saudis das Assad-Regime durch Rebellen zu stürzen und dadurch Iran zu schwächen, total verzockt. Zocken will gelernt sein. Das Desaster wäre vermeidbar gewesen, hätten sich die USA bereit erklärt, mit Assad zu verhandeln. So wie sie unablässig mit anderen Diktatoren dieser Welt verhandeln. Wer Frieden will, muss mit seinen schlimmsten Feinden sprechen. Willy Brandt wusste das immer. Kritik daran war ihm egal.

Ich habe zweimal mit Assad über die Möglichkeit einer Friedenslösung gesprochen. In Absprache mit der Bundesregierung, einmal davon zusätzlich in Absprache mit dem Weißen Haus. Assad machte damals überraschend weitreichende Vorschläge. Der Westen ging auf keinen einzigen ein. Nicht einmal an dem angebotenen Informationsaustausch über Al Kaida war Washington interessiert. Man wollte mit ihm einfach nicht sprechen.

Russland hingegen hat sein Ziel erreicht, im Mittleren Osten wieder Fuß zu fassen und im Konzert der Großen erneut mitzuspielen. Auch Assad hat wichtige Schlachten gewonnen, das syrische Volk jedoch hat den Krieg verloren. Kein Politiker dieser Welt beantwortet ihm die zentrale ethische Frage, die auch bei Saddam Hussein bis heute unbeantwortet ist: Wie viel Menschen darf man ins Elend stürzen, um einen Diktator loszuwerden?

Die Not der Syrer scheint die Groß- und Mittelmächte nicht zu interessieren. Doch die Gefahr eines Flächenbrandes durch das Chaos in Syrien sollten die „Schlafwandler“ in West und Ost nicht so leicht beiseite schieben. Diese Gefahr ließe sich verringern:

• wenn die USA endlich auf die geopolitischen Sieger Russland und Iran zugingen und gemeinsam nach einer Lösung suchten;

• wenn Assad seinen militärischen Erfolg zu einem fairen Verhandlungsangebot an alle Gegner seiner Regierung nutzen würde, mit Ausnahme der Terrororganisationen IS und Al Kaida. Wer Frieden und Aussöhnung will, muss irgendwann damit anfangen. Assad muss Zugeständnisse machen: Er muss Macht abgeben und den benachteiligten Sunniten eine faire Perspektive bieten;

• und wenn es zu einer umfassenden, nicht nur auf Syrien konzentrierten Mittel-Ost-Konferenz im Stil der KSZE käme. Die KSZE hatte einst entscheidend dazu beigetragen, den Ost-West-Konflikt zu entschärfen. Doch wo sind die Staatsmänner, die den Weltfrieden noch als Hauptziel ihrer Politik ansehen? Wenn der Westen dauerhaft in Frieden leben will, wird er in Zukunft erheblich mehr in Gerechtigkeit investieren müssen als in Waffen.

Dieser Beitrag erschien in Ausgabe 08/17.

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Aus dem per ÖVP-Amtsmissbräuche offenkundig verfassungswidrig agrar-ausgeraubten Tirol, vom friedlichen Widerstand, Klaus Schreiner

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